Abi - und dann?

4 Schüler, 16 Tage, 5 Länder, 9 Städte

Das Leben in „vollen Zügen“ genießen: Diesen Versuch unternahmen vier Schüler und bereisten innerhalb von etwas über zwei Wochen vier […]
| Robin Thier |

Geschätzte Lesezeit: 18 Minuten

InterRail BahnhofRobin Thier

Das Leben in „vollen Zügen“ genießen: Diesen Versuch unternahmen vier Schüler und bereisten innerhalb von etwas über zwei Wochen vier Länder. Möglich machte es das sogenannte Interrail-Ticket, welches es vor allem jungen Leuten erlaubt, mit nahezu allen Bahnen Europas zu reisen. Hier ein kompletter Reisebericht mit Fotos, interessanten Stationen und Tipps. Denn vielleicht ist so eine Interrail-Reise genau das richtige für dich, wenn du viel von der Welt für geringes Geld sehen möchtest. Allerdings gilt dieses Ticket nicht im Heimatland, also in unserem Fall in Deutschland, und deshalb war unser erstes Ziel, möglichst kostengünstig über die nächstgelegene Grenze ins benachbarte Ausland zu gelangen.

Tag 1: Brüssel

Ich denke, an unserem ersten Tag haben wir auf dem Weg durch die Niederlande und Belgien schon so ziemlich jede Art von Bahnhof gesehen, vom „Dorf-mit-ein-Paar-Kühen“ bis zum Bahnhof „Brüssel-International.“ Trotz der bisweilen kurzen Umstiegszeiten von nur 3-4 Minuten verlief alles problemlos. Erstaunlich eigentlich, hatte die Reise doch schon in den ersten Stunden schlecht angefangen, als ein Mitglied unserer kleinen Reisegruppe seinen Ausweis zuhause gelassen hatte. „Hoffentlich kommen wir überall mit der Kopie des Ausweises durch“ dachten wir und vertrauten erst einmal auf unser Glück. Beachtlich ist die Vielsprachigkeit Belgiens, sodass man sämtliche Zugdurchsagen auf Englisch, Französisch, Flämisch und Deutsch ertragen muss. Weniger beachtlich sind die Zugbegleiter: Sie machten meistens den Eindruck, als hätten sie noch nie ein Interrail-Ticket gesehen und würden es nur absegnen, da es „irgendwie offiziell“ aussieht. Unsere erste Station war die Jugendherberge in Leuven, einem kleinen Ort nahe der internationalen Stadt Brüssel. Die Herberge entspricht dem HI (Hostelling International)-Standard und bietet typisch harte Betten und ein karges Frühstück. Also alles, was man braucht (und irgendwie auch erwartet), um günstig zu übernachten. Schließlich ging es nach Brüssel und zu einer „Sightseeingtour“ durch den Bahnhof: Gewaltig, modern, eine Stadt in einer Stadt. Der erste Eindruck von Brüssel selbst war dagegen weniger schön: Regen, Autolärm, Abgase und reichlich heruntergekommene Häuser trugen nicht zum positiven Bild der Stadt bei. Allerdings wollten wir hier auch nicht allzu lange bleiben, sondern am nächsten Tag weiter nach England fahren. Wenn man jedoch etwas genauer hinschaut, hat Brüssel doch Einiges zu bieten, denn hier wird die Kunst groß geschrieben: Eine beeindruckende Museumsmeile lockt mit Museen verschiedener Künstler, und jede freie Wand ist mit großformatigen Postern oder Plakaten des Zeichners Hergè beklebt, dem Schöpfer von „Tim und Struppi“. Belgien ist die Hochburg der Comiczeichner – und so erstand ich dann auch mein erstes Souvenir dieser Reise: Einen Comic als Muttertagsgeschenk.

Tipp: Herbergen in Vororten oder Kleinstädten in der Umgebung buchen, in Großstädten sind sie häufig teuer und nicht so gut.

Ankunft in Leuven
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Ankunft in Leuven

 

Tag 2: Immer noch Brüssel!

Gestrandet in Brüssel. Der erste kleine Schock kam bereits früh: Die Fahrkarte eines Mitreisenden für den Eurostar, die überteuerte Zugverbindung nach England, war nicht richtig ausgedruckt worden – kein Problem, so die Auskunft, das Ticket funktioniere trotzdem. Erleichterung, die nur kurz anhielt. Die dicke Überraschung kam später, als die Herren von der Kontrolle die Ausweiskopie des Vergesslichen nicht annehmen wollten und auf einem Original bestanden. Das bedeutete für uns, dass nun zwei von vier Mitgliedern unserer Gruppe nach London voraus fuhren, in erster Linie, um die gebuchte Jugendherberge nicht verfallen zu lassen, und die anderen beiden mehr oder weniger planlos in Brüssel zurück blieben. Erstes Ziel: Die deutsche Botschaft, die dummerweise jedoch bereits geschlossen hatte und auch am nächsten Tag, einem Feiertag, nicht öffnen würde. Fazit: Gerate nie im Ausland vor oder an einem FEIERTAG in Schwierigkeiten!

Dabei hatte der Tag so schön begonnen: Bei strahlendem Sonnenschein ging es los von Leuven nach Brüssel und dort dann zu Fuß in Richtung Europarlament. Leider erwies sich die Stadt als etwas zu groß für spontane Spaziergänge, sodass wir einen Halt im Musée Magritte einlegten, einem Museum, das sich vollständig dem surrealen Maler Rene Magritte widmet. Nach dem Ausflug in die Welt des Surrealismus, den man jedem empfehlen kann, erreichten wir dennoch das Parlament. Von dessen Inneren war jedoch aufgrund der strengen Kontrollen nicht viel zu sehen – stattdessen bestaunten wir die geschätzt 200 vegetarischen Restaurants, den wohl kleinsten Supermarkt Europas und den großen Park hinter dem Parlament. Gegen 16:00 Uhr ging dann das Debakel mit dem Eurostar los, als dessen Folge sich schließlich unsere Gruppe aufteilen musste und zwei von uns sich am Abend mehr als 400 km entfernt in England wieder fanden, einer in Leuven ausharrte, wo die Jugendherberge zum Glück spontan ein Zimmer frei hatte, und schließlich der Pechvogel, der den Ausweis vergessen hatte, sich im Zug auf den Weg nach Deutschland machte, um seinen Ausweis von zuhause abzuholen. Die Kommentare unserer lieben Eltern dazu wollt Ihr jetzt gar nicht kennen!

Tipp: Alles lieber 10 Mal kontrollieren. Die wichtigsten Dokumente: Ausweis oder Reisepass, Versichertenkarte, EC-Karte, Interrail Ticket, Impfpass, evtl. Kreditkarte um nicht so viel Bargeld mit sich zu tragen.

Tag 3: Von Brüssel nach London

Vormittags, wir sind immer noch über 3 Länder versprengt, geht es für mich darum, die Zeit in Brüssel totzuschlagen – ja, der eine in Leuven war ich – bis das letzte Mitglied der Reisegruppe von seinem Deutschland-Abstecher (hoffentlich mit Ausweis) zurückkehren würde. Daher entschloss ich mich kurzfristig, das Atomium, das Wahrzeichen Brüssels zu besuchen. Errichtet bei der Weltausstellung 1958, stellt es das Atomzeitalter symbolisch dar. Ansonsten ist es absolut unspektakulär. Nach 30 Minuten Fahrt in der Metro erreicht man vom Bahnhof aus das Gebäude (oder eher „Objekt“), vor dem etwa 400 Menschen in einer Schlange standen, unglaublich laute, schlechte Musik aus riesigen Boxen ertrugen und ihre Kameras voll knipsten. Angesichts der langen Schlange entschloss ich mich zur „Außenbesichtigung“ und trat nach 10 Minuten den Rückzug an. Ein paar Fotos später befand ich mich wieder im Bahnhof und wartete auf die Reise mit dem Eurostar nach London. Mein Mitreisender traf aus Deutschland wieder ein, nachdem er eine Nachtfahrt hinter sich hatte, und endlich ging es in einem erstaunlich heruntergekommenen Zug nach England, fort von der Stadt der Künstler, den belgischen Waffeln und viersprachigen Bahnhofsdurchsagen.

Atomium Brüssel
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Das Atomium in Brüssel

175€ kostete die Zugfahrt im Eurostar – und sie begann erneut mit einem Beinahe-Problem. Der „Passvergesser“ wurde an der Kontrolle für 17 Jahre alt gehalten und aufgefordert, die Erlaubnis seiner Eltern zu zeigen, die er natürlich nicht hatte. Zum Glück löste sich dieses Missverständnis dieses Mal ohne Probleme. Ankunft in London: Hektik. „Liebe Güte, ist das eine schnelle Stadt“, so der erste Eindruck. Es ist schon eine Kunst für sich, mit Koffern durch U-Bahnen und überfüllte Ticketkontrollen zu kommen! Während wir uns immer weiter von London entfernten, wurde es auf der anderthalbstündigen Fahrt nach Canterbury immer britischer, bis hin zu der freundlichen alten Lady mit ihrem geblümten Köfferchen, die durchaus bei Harry Potter mitspielen könnte. „You can store your luggage over there“, so ihr nützlicher Hinweis, als wir orientierungslos durch den überfüllten Zug geisterten und nicht wussten, wohin mit unserem Gepäck. Endlich dann abends die Ankunft in Canterbury und in unserer Jugendherberge, die wie ein verwunschenes viktorianisches Schlösschen aussieht.

Das Städtchen Canterbury ist sehr interessant – inklusive Stadtmauer, Kathedrale und kleinen, alten Gassen. Und die Jugendherberge schlägt alle vorherigen und alle kommenden an Flair und Qualität! Untergebracht in einem alten Herrenhaus und 2012 erst renoviert machte sie nicht nur einen sehr britischen, sondern auch einen sehr guten Eindruck. Uneingeschränkte Empfehlung für alle, die in den Süd-Osten Britanniens fahren!

Tipp: Unter 18-Jährige sollten an die Erlaubnis ihrer Eltern denken, außer Landes zu reisen. Außerdem benötigen sie eine Erlaubnis, wenn sie in Jugendherbergen auf  Mehrbettzimmern mit Fremden übernachten wollen.

Die Jugendherberge in Canterbury
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Die Jugendherberge in Canterbury

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Robin Thier

Gründer von seitenwaelzer, lebt in Münster und beschäftigt sich in seiner freien Zeit mit Bildbearbeitung, Webseitengestaltung, Filmdrehs oder dem Schreiben von Artikeln. Kurz: Pixelschubser.

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