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Kommt Zeit, kommt Rrrrrat!

Das Institut für Arabistik und Islamwissenschaft in Münster lässt sich treffend als klein aber fein bezeichnen.
| Melina Ritterbach |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Verändert nach: abdulmeilk majed | Pexels

Das Institut für Arabistik und Islamwissenschaft in Münster lässt sich treffend als klein aber fein bezeichnen. Im Verhältnis zu anderen Fachrichtungen zieht das Studium der Arabistik und Islamwissenschaft zwar wenige Leute an, dafür ist es aber umso persönlicher. Im Rahmen des Bachelorstudiengangs werden verschiedene Themengebiete abgedeckt, was eine umfassende islamwissenschaftliche Bildung ermöglicht. Ein Erfahrungsbericht einer Studentin.

Es stellen sich euch bestimmt zwei Fragen. Die werde ich im Vorhinein direkt beantworten:
Nein, ich bin keine Muslima.
Nein, ich plane auch nicht, zu konvertieren.

Und doch studiere ich Islamwissenschaft, das ist wohl das Exotischste an mir. Verwunderte Reaktionen bin ich mittlerweile gewohnt. Ich werde euch das anhand einer Real-Life-Erfahrung genauer erläutern:
Letztes Jahr, kurz nachdem ich von meinem FSJ in Marokko zurück kam, hatte meine Oma Geburtstag. Sie hatte zu einem Brunch geladen, zu dem – abgesehen von mir – noch viele andere Frauen erschienen. Nur waren jene Frauen eher betagte Damen und im Schnitt rund 60 Jahre älter als ich.
Mit einer ergab sich eine recht erheiternde Konversation:
„Melina, für dich geht doch jetzt das Studium los, nicht wahr? Was wirst du denn studieren?“
„Zwei Fächer, Politikwissenschaft und Islamwissenschaft.“
„ISLAMWISSENSCHAFT?! Da wirst du doch bestimmt indoktriniert!“

Bisher könnte ich nicht behaupten, dass ich einer Gehirnwäsche unterzogen wurde. Dafür ist IslamWISSENSCHAFT dann doch zu WISSENSCHAFTLICH. Das steckt ja eigentlich im Namen. Aber ich erkläre euch trotzdem gerne, wie ich meinen Uni-Alltag verbringe.
Im Rahmen meines Studiums lerne ich in erster Linie Arabisch. Das ist nicht immer lustig, aber die Originalsprache des Korans ist nun mal Arabisch – man muss sich halt anpassen.
Arabisch ist eine ziemlich abgefahrene Sprache, super kompliziert und einer völlig anderen Logik folgend, als Deutsch oder Französisch. Die Sprache ist so kompliziert, dass niemand sie spricht.
Die lokalen Dialekte basieren zwar mehr oder weniger auf diesem linguistischen Konstrukt, aber sie sind weiteren Einflüssen ausgesetzt und nehmen diese auf. Beispielsweise ist der marokkanische Dialekt durch die Kolonialgeschichte massiv vom Französischen geprägt. Die Dialekte sind außerdem eher vereinfacht, denn die teilweise wirklich abstrusen Regeln des Hocharabischen sind auch für die meisten Muttersprachler schwer nachvollziehbar.
Eine weitere Problematik stellt das Erlernen der für mich fremden Laute dar. Es gibt einige Buchstaben, die mir noch immer Zungen- und Halsschmerzen bereiten. Dies sind vor allem die kehligen Laute. Zum Erlernen dieser gab mir ein marokkanischer Freund den äußerst hilfreichen Rat:
„Wenn es sich anfühlt, als müsstest du dich übergeben, ist es genau richtig!“
Ich würde mich schon freuen, wenn ich wenigstens das R vernünftig rollen könnte.
Kommt Zeit, kommt Rrrrrrrrrat. Inchaallah. So Gott will.
Wenn ich mich nicht in sprachlicher Akrobatik versuche, besuche ich islamwissenschaftliche Kurse. Da brüllen wir nicht etwa Allahu akbar! vor uns hin, nein, wir lernen etwas Wissenschaftliches. Historisches. Und das hat eben alles irgendwie mit dem Islam zu tun.
Im ersten Semester gab es eine Einführung in die Islamwissenschaft. Wir beschäftigten uns mit grundlegenden Fragen, die für das wissenschaftliche Verständnis des Islam unabdingbar sind: Was war der sozio-kulturelle Hintergrund des Propheten? Wie entstanden die bekanntesten Strömungen des Islam? Was charakterisiert sie?…
Ich empfinde es als spannend, das Wissen, das ich vorher vor allem durch meine Zeit in einem islamischen Land erwarb, durch fundierte Quellen auszubauen.
Im zweiten Semester wurden verschiedene Staaten und Regionen des islamischen Kulturraums beleuchtet. Islam ist nun mal nicht gleich Islam. Die religiöse Tradition wird selbst als Staatsreligion verschiedentlich ausgelegt und spielt so auf unterschiedliche Art und Weise in das Selbstverständnis der islamischen Nationen ein.
Das Studium der Islamwissenschaft in Münster deckt unterm Strich sehr viele verschiedene Forschungsschwerpunkte ab. Es werden noch themengebundene Kurse zur Geschichte, Politik und Literatur in den höheren Semestern folgen, worauf ich mich bereits sehr freue.
Meine Studienfachkombination ist sehr spannend, da aktuell. Ich finde es bereichernd, zwei verschiedene Fachgebiete aufeinander beziehen zu können.

Besonders Sprachen üben eine große Faszination auf mich aus und in meinen Ohren ist Arabisch nicht nur Sprache, sondern pure Musik. Selbst wenn ich mir über schwachen Verben oder Genitivverbindungen den Kopf zerbreche und mich frage, warum ich mir das gerade eigentlich antue, reicht es, arabisch sprechenden Freunden oder meinem Dozenten zuzuhören und dann weiß ich wieder: Das will ich auch können!
Wenn man eine Sprache auch nur im Ansatz beherrscht, ergeben sich auf Reisen in entsprechende Länder ganz neue Möglichkeiten. Der arabische Kulturraum hat es mir schon vor Jahren angetan. Durch mein Studium und Reisen in arabische Länder erhoffe ich mir, ein tiefgehendes Verständnis der hiesigen kulturellen Gepflogenheiten, politischen Systeme und allgemein Geschichte, anzueignen. Ich bin zuversichtlich, dieses Ziel zumindest in Teilen verwirklichen zu können.
Als ich 15 war, hatte ich mal den Einfall, dass es ja ziemlich cool wäre, den Koran komplett in Originalsprache durchzulesen. Ich glaube, ich bin auf einem guten Weg, dies tatsächlich irgendwann umzusetzen.
Inchaallah wird dieser Tag kommen. Bis dahin werde ich fleißig das gerollte R und schwache Verben üben.
Beslama,
Eure Melina

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