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Über der Grenze ein Lichtlein leuchtet – Kinoreview Ballon

Basierend auf wahren Begebenheiten nimmt Ballon den Zuschauer mit auf eine extrem spannende Flucht in den Westen. Dabei ist der neue Streifen von Michael „Bully“ Herbig endlich einmal kein typisch deutscher Film.
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Während der Abspann zu rollen beginnt, bleibt das Publikum in stiller Ehrfurcht sitzen. Selten ist es nach, allerdings auch schon während eines Kinofilms so ruhig wie bei Ballon. Dies liegt zweifelsohne an der fesselnden Geschichte und einer damit einhergehenden, permanent vorhandenen Spannung.

Dass Ballon ein Herzensprojekt von Michael „Bully“ Herbig ist, zeigen neben dem tollen Film auch etliche Interviews. Fasziniert von der Geschichte, die ihm zuerst bei der Verfilmung Mit dem Wind nach Westen (1980) begegnete, wurde diese zusammen mit dem Wunsch einmal einen Thriller zu produzieren Grundlage seines neuen Projekts. Eindrucksvoll zeigt der eigentlich als Komiker aus Werken wie Der Schuh des Manitu (2000) oder über 90 Folgen Bullyparade bekannte Herbig, dass er nicht nur vor der Kamera die Leute begeistern kann. Als Regisseur sowie in Teilen Drehbuchautor ist sein erstes Drama ein voller Erfolg.

Ballon lebt von seiner enormen Spannung, seinem starken Cast und exzellenter Musik. Das Szenario einer Flucht per Heißluftballon aus der DDR in den Westen – und dies gleich mehrfach – lässt den Zuschauer nur selten aufatmen. Ständig besteht die Gefahr entdeckt zu werden, jederzeit könnte ein Freund, Nachbar oder aufmerksamer Bürger den Plan vereiteln und so ertappt sich der Zuschauer zwischendurch selbst bei einer gewissen Form der Paranoia. Kleinste Fehler sorgen für schmerzhafte Erkenntnisse und die Hoffnung, dass dies nicht das Ende bedeutet. Trotz über 125 Minuten Laufzeit schafft es Ballon mühelos, diese Spannung permanent aufrecht zu erhalten. Dafür gebührt allen Beteiligten höchster Respekt!

Einen Großteil zur fesselnden Art des Films tragen die Schauspieler bei, deren intensive und absolut authentische Darstellungen das Publikum in den Bann ziehen. So gibt es etliche sehr ergreifende Dialoge über das Elternsein, aber auch arg bedrohliche Verhöre. Friedrich Mücke sowie Karoline Schuch porträtieren Peter & Doris Strelzyk, welche zusammen mit ihren Kindern fliehen wollen. Ihre Emotionen reichen dabei von Pessimismus über Angst bis hin zu dem unbedingten Willen nach Freiheit. Durch den ältesten Sohn Frank (Jonas Holdenrieder) erhält der Film zudem noch eine weitere Perspektive über die Sicht eines Jugendlichen auf die DDR. Mit im Korb des Ballons ist zudem noch eine weitere Familie, die Freunde Günter & Petra Wetzel samt Kindern, gespielt von David Kross und Alicia von Rittberg. Beide Parteien teilen sich die Arbeit auf, so näht Günter, die Frauen kaufen Stoffe und Peter sowie Frank basteln an Gestell und Antrieb des Heißluftballons.

Besonders clever nimmt der Streifen seinen Antagonisten mit ins Boot oder besser gesagt eben nicht. Eine direkte Konfrontation von Ermittler Oberstleutnant Seidel und den Flüchtenden gibt es nämlich nie. Thomas Kretschmann glänzt in seiner Rolle des bestimmenden, sehr kontrollierenden und extrem bedrohlichen Stasi-Offiziers. Wie er die Menschen mit ruhigem, sachlichem Ton zerfleischt bleibt definitiv im Kopf!

Schönerweise schafft es Ballon, im Gegensatz zu vielen deutschen Filmen, nicht wie eine TV-Produktion auszusehen, die unnötigerweise ins Kino gepresst wurde. Eine gute Kameraführung, ordentliche Lichtsetzung und fein ausgesuchte Settings sorgen einfach für ein stabiles Maß an Qualität. Dazu gibt es überzeugende Effekte, wobei hier natürlich nicht die ganz große Kunst zu erwarten ist. Inszenatorisch nutzt der Film vereinzelt geschickt extreme Nahaufnahmen, um auch noch die letzte Emotion auf die Leinwand zu bannen. Ab und an ist es allerdings etwas zu gewollt, denn manch kleine Wendung lässt sich ziemlich früh entlarven. Passendes Beispiel ist eine Szene, bei der nach der Öffnung der Haustür andere Personen als vorher angenommen vor der Schwelle stehen.

Musikalisch wurde der Film von Herbigs Haus- & Hofkomponisten Ralf Wengenmayr unterlegt, welcher einen sehr mitreißenden Soundtrack geschaffen hat. Dumpfes Bassgrollen, tickende Uhren oder Klavierstücke verstärken jede Szene und gekonnt werden auch Lieder der damaligen Zeit eingebunden. Zwar ist der Score an einigen Stellen ein wenig drüber, sorgt insgesamt aber für eine passende Intensität.

Zu loben ist gesondert noch Herbigs feines Gefühl für Humor. Ballon bietet einige wenige, aber zur Entlastung der Spannung beitragende Gags. Diese sind geschickt platziert und kommen oft unvorhergesehen, so dass der Zuschauer trotz dramatischem Setting laut auflachen kann.

Abschließend lässt sich Ballon natürlich nur wärmstens empfehlen. Der Film packt einen einfach von Anfang bis Ende, bietet eine zugleich dramatische wie spannende Geschichte, verfügt über exzellente Schauspielleistungen und erhält durch seine umsichtige Inszenierung den nötigen Feinschliff. Gut getimte Gags sorgen für die nötige Entlastung und bei dem ohnehin schon im Kopf bleibenden Film ist der Soundtrack die Kirsche auf der Sahne.

Kann Bully Drama? Ja, und zwar mit Bravour!

8-8,5/10 Heißluftballons.

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Daniel Rublack

… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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