Kino & Serie

Ein glamouröses Ratespiel – Kinoreview „Nur ein kleiner Gefallen“

Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, freunden sich an. Kurz darauf verschwindet die eine. Ob „Nur ein kleiner Gefallen“ mehr als nur ein klein wenig gefällt?
| Lotta Krüger |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

©A Simple Favor | Lionsgate

Dienstag Abend, 20.05 Uhr, ich warte am Ludgerikreisel auf meine Freundin, mit der ich zum Kino verabredet bin. Als sie mich anruft und sagt, dass sie die Zeit vergessen habe und erst in fünf Minuten bei unserem Treffpunkt erscheinen könne, antworte ich: „Ach, kein Problem, zum Kino ist es dann ja nicht mehr weit. Und selbst, wenn es knapp wird – ich glaube nicht, dass der Film gut besucht sein wird.“ Weit geirrt! Als wir um 20.16 Uhr, also eine Minute nach Beginn der regulären Spielzeit, an der Kinokasse stehen, bekommen wir nur noch Plätze in der dritten Reihe, alles andere ist belegt. Es ist zwar auch nicht der größte Saal, aber ich hätte nicht gedacht, dass von der amerikanischen Produktion „A Simple Favor“, zu deutsch „Nur ein kleiner Gefallen“, überhaupt so viele Leute etwas mitbekommen haben.

Als wir unsere Plätze belegen, blicke ich mich um und stelle fest, dass vermutlich die meisten Zuschauer aus dem gleichen Grund hier sind wie wir – wegen Blake Lively. Sie spielt eine der Hauptrollen und ist dem weiblichen Publikum in den Zwanzigern, das einen Großteil des Kinosaals ausmacht, aus der Teenie-Serie „Gossip Girl“ bekannt. Da ich mir diese ja bekanntlich ebenfalls exzessiv zu Gemüte geführt habe, durfte ich mir den neuen Streifen, der vom Trailer her zumindest bezüglich Blakes Outfits ähnlich elegant anmutete wie „Gossip Girl“, natürlich nicht entgehen lassen.

Falls dich interessiert, was es mit meiner „Gossip-Girl“-Sucht auf sich hat, lies hier nach.

Da ebendieser Trailer noch nicht wirklich klarstellte, um welches Genre es sich bei „Nur ein kleiner Gefallen“ handelt – Krimi, Psychothriller, Familiendrama oder stylischer Frauenfilm mit ein bisschen Alibi-Mystery – waren wir gespannt wie zwei Flitzebogen, als der Vorhang aufging.

Die Geschichte beginnt, indem anhand von einigen Zeitsprüngen und den Video-Blog-Einträgen der eigentlichen Hauptperson Stephanie (Anna Kendrick) – einer Super-Mom und Hausfrau mit Sohn im Kindergartenalter – der Beginn einer eigenartigen Freundschaft zwischen dieser und Emily dargestellt wird. Emily, verkörpert von der einfach viel zu schönen Blake Lively, ist das Gegenteil der sozial engagierten, etwas nerdigen und stets bemühten Stephanie. Sie ist PR-Karrierefrau, geheimnisvoll, immer extravagant gekleidet und trinkt gerne schon amVormittag den ersten Martini. Das stellt Stephanie fest, als sie aufgrund der befreundeten Söhne der beiden Frauen das erste Mal in Emilys Traumvilla eingeladen wird, die unter anderem von einem Porträt der nackten Hausbesitzerin aus äußerst prägnanter Perspektive geziert wird.

Von Anfang an ist klar, dass die Freundschaft nur von kurzer Dauer sein wird, da Emily eines Tages, nur mit der Bitte um den kleinen Gefallen, ihren Sohn von der Schule abzuholen, auf mysteriöse Weise verschwindet. Neben ihrem Sohn hinterlässt sie auch ihren Ehemann, einen gescheiterten Autoren, deren beider sich Stephanie helfend annimmt – organisatorisch wie emotional. Von nun an ist die glamouröse Emily und damit Blake Lively, wegen der wir doch eigentlich hier im Kino sitzen, fürs Erste im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche verschwunden. Stephanie und Emilys Mann machen zwar schauspielerisch auch keinen schlechten Job, allerdings ist vor allem Stephanies Synchronstimme wie so oft schlecht gewählt und lässt ihr häufiges verlegenes Herumgestammel und nervöses Lachen bei Polizeiverhören noch ein bisschen unbeholfener wirken als nötig. Außerdem gelingt das ein oder andere Wortspiel aufgrund der deutschen Übersetzung nicht –„Hope“ und „Faith“ sind zwar im Englischen weibliche Vornamen, aber „Hoffnung“ und „Vertrauen“ im Deutschen eben nicht.

Langeweile kommt aber trotz fast zwei Stunden Laufzeit nicht auf, da der Film von gut ausgewählter und teilweise richtig Stimmung machender Musik begleitet wird – viele französische Titel unterstreichen die Eleganz, die nicht zuletzt auch wegen Schauplätzen wie der Traumvilla den ganzen Film über wahrzunehmen ist.

Dafür, dass Stephanie ihre sogenannte beste Freundin erst kürzlich verloren hat oder zu haben glaubt, berappelt sie sich erstaunlich schnell und tanzt schon bald fröhlich singend durch den Kleiderschrank der verschollenen Emily – merkwürdigerweise die einzige der zahlreichen unrealistischen Szenen, die mich wirklich stören. Ansonsten kann man kleine Ungereimtheiten aufgrund der groovy Musik und catchy Geschichte gut verzeihen.

Zur Mitte des Filmes verstärkt sich für kurze Zeit das Gefühl, in einem Psychothriller zu sitzen, da ein paar Szenen meine Freundin und mich tatsächlich ordentlich zusammenzucken lassen oder eine Gänsehaut bescheren. Der Eindruck flaut aber vor allem zum Ende hin wieder ab. Trotz des Psycho-Hintergrundes für Emilys Verschwinden und einer Psycho-Familien-Nebengeschichte in Stephanies Vergangenheit ist der Film für einen Thriller noch zu seicht und von zu vielen kleinen Gags durchzogen – teilweise von gelungenen, teilweise von zu gewollten.

Obwohl sich über den Film hinweg einige vorhersehbare Geschehnisse ereignen, kommt das Ende doch ziemlich überraschend, und man weiß zwischenzeitlich nicht mehr, wer hier eigentlich wen hinters Licht führt. Aber nicht nur der inhaltliche Schluss kommt unerwartet: Die allerletzten Minuten lassen den Zuschauer verwirrt lachend und etwas schockiert im Kinosessel zurück, da der sonst so elegante Film plötzlich noch einen letzten Genrewechsel vollzieht und mit einem trashigen und über-inszeniertem Finale zum Schluss kommt.

Mit „Nur ein kleiner Gefallen“ tut man sich nur einen kleinen Gefallen: Man schenkt sich einen unterhaltsamen Kino-Abend. Mehr aber auch nicht, weil die Tiefgründigkeit der Geschichte und teilweise die schauspielerische bzw. synchronisierende Leistung ausbaufähig sind. In der originalen Version hätten einige Rollen vermutlich noch ein wenig authentischer gewirkt, denn die Darsteller machen einen passablen bis guten Job. Was am meisten überzeugt, ist die Musik und die schön anzusehenden Outfits und letztendlich auch die Schlüssigkeit von Emilys Verschwinden.

„Nur ein kleiner Gefallen“ ist ein netter, schicker und auch durchaus spannender Film. Wenn man keine unendlich hohen Ansprüche an Kriminalgeschichten hat und sich an einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft mit düsteren Hintergründen erfreuen kann, ist dieser Film auf jeden Fall zu empfehlen.

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Lotta Krüger

Neu bei seitenwaelzer und 22jährige Kommunikationswissenschaft- und Germanistik-Studentin in Münster, die nicht ohne Serien, Reisen, Festivals, Schokolade, Surfen, guten Ouzo und Sonne kann und zu diesen Dingen auch gerne ihre Erfahrungen teilt!

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