Kino & Serie / Meinung

Eine Hommage an oberflächliche New Yorker Rich Kids

Warum "Gossip Girl" und "Findet Nemo" manchmal sein müssen
| Lotta Krüger |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

zephylwer0 | Pixabay

Ich liebe Serien. Das tat ich sogar schon vor Netflix, Amazon Prime und Sky Go, damals eben noch über die Seiten, über die man öffentlich nicht reden sollte, DVD-Sammelboxen oder klassisch mit einer ungeduldigen Woche Wartezeit auf die neue Folge im Fernsehen. Inzwischen bin ich 22 Jahre alt und würde behaupten, mein Seriengeschmack hat sich ziemlich gemausert – von seichten, vorhersehbaren, aber nun mal meinem Alter entsprechenden Teenie-Rom-Com- und Dramedy-Serien hin zu anspruchsvollen, auch mal ernsten und tiefgründigen Goldstücken.

Die letzten Monate und Jahre haben mich zum Beispiel folgende Serien bestens unterhalten:

Homeland, zum immer wieder Zweifeln, wer hier nun eigentlich wen verarscht und leider auch zum Traurigsein, wie relevant das Terror-Thema heute mehr denn je ist.

Black Mirror, zum Grübeln, ob die fortschreitende Digitalisierung wohl wirklich derart düstere Prognosen für unsere Zukunft bedeutet.

Mindhunter, zum Schockiert- und noch Schockiertersein beim Googlen und Begreifen, dass es sich um tatsächlich so geschehene Fälle handelt.

The Sinner, zum Gruseln und Mitleiden mit der ebenso verzweifelten wie ahnungslosen Hauptperson.

Sherlock Holmes, zum Miträtseln, aber natürlich niemals so schnell und schlau sein wie Sherlock, aber auch zum Wegschmeißen über seinen britischen Humor!

The End of the F***ing World, ebenso britisch und dementsprechend zum über die vor Sarkasmus triefenden Dialoge und den Sinn des Lebens Philosophieren.

Prison Break, zum Mitfiebern und erschrockenem Feststellen, wie man sogar irgendwann den Bösewichten den geglückten Ausbruch wünscht.

American Crime Story, zum Dankbarsein für unser deutsches, nicht ganz so sehr wie in den USA von den Medien beeinflusstes Rechtssystem.

Und allen voran Stranger Things, einfach nur zum Ausrasten über so eine gute Serie. Letztere musste mein Freund mir anfangs quasi einprügeln, weil mir weder Genre noch Story vom Hörensagen her zusagten. Aber schon nach der ersten Folge haben mich Musik, Stimmung und Darsteller (!!!) dann doch so begeistert wie keine andere Serie zuvor.

Mein Geschmacksspektrum hat also ziemlich expandiert. Für die dadurch kennengelernten Serien, den einen oder anderen Denkanstoß und meinen erweiterten Horizont bin ich äußerst dankbar!

Aber was hat das Ganze mit oberflächlichen „Rich Kids“ in New York zu tun? Trotz all der tiefgründigen, düsteren und spannenden Geschichten der genannten Serien, brauche ich manchmal zwischen all dem Ernstsein, Rätseln, Philosophieren, Zittern, Erschrecken, Horizonterweitern, Mitdenken und Fürchten eine Folge Gossip Girl. Die Serie meiner Jugend, in der das realitätsferne Leben (zumindest weit entfernt von meiner Realität als Münsteraner Studentin mit BaföG) einer unendlich reichen Clique Adoleszenter in Manhattan mit all seinen Höhen und – nein, keinen Tiefen – dargestellt wird. Im Laufe der sechs Staffeln hat jeder dieser schönen Menschen in diesen schönen Klamotten mal was mit jedem anderen dieser schönen Menschen in anderen schönen Klamotten am Laufen. Moderiert wird das Ganze von einem anonymen „Gossip Girl“, das nichts Besseres zu tun hat, als Tag für Tag über besagte Clique auf einer Art Blog Geheimnisse zu enthüllen (heute würde man es „Cyberbullying“, wenn nicht gar „Hate Speech“ nennen) und so jede Folge erneut für böse Intrigen, brisante Missverständnisse und weltbewegende Beziehungsdramen sorgt. Die Serie ist so tiefgründig wie ein Planschbecken, aber sie ist nun mal so wahnsinnig hübsch anzusehen. Ich habe kein Problem damit, zuzugeben, dass ich gerne schönen Menschen zusehe – ob beim Streiten, Küssen, Einkaufen oder Champagner trinken, ist mir dabei eigentlich relativ egal. Dass ich die Handlung, die sich ohnehin hauptsächlich auf die immer wiederkehrenden Dispute und Versöhnungen der beiden Hauptpersonen beschränkt, inzwischen in- und auswendig kenne, bedarf keiner Erläuterung. Dass ich seit der ersten Runde durch die sechs Staffeln auch weiß, wer sich hinter dem anonymen „Gossip Girl“ verbirgt und somit der eigentliche Clou der Geschichte seine Spannung verloren hat, ist auch klar.

Unklar bleibt, weshalb ich mich trotzdem regelmäßig dabei ertappe, mir nach der Uni eine der 40-minütigen Folgen zum zehnten Mal anzuschauen. Das Phänomen des Berieseln-lassens nach einem anstrengenden Tag kennen wir zwar alle –  und Gossip Girl wäre selbst ohne Kenntnis des Ausgangs der Geschichte gutes Material dafür. Andere wählen dafür vielleicht lieber RTL2, um abgesehen von der nicht notwendigen Konzentration auch noch das Gefühl zu erlangen, das eigene Leben im Griff und es eigentlich gar nicht zu schlecht getroffen zu haben. Da macht Gossip Girl eher weniger Sinn – ich bin weder so reich, noch so schön, noch so erfolgreich wie Serena, Blair und Co. Trotzdem macht die Serie alles andere mit mir, als mich runterzuziehen. Vielleicht ist es das gleiche Phänomen, das eintritt, wenn ich den Kinderfilm Findet Nemo schaue: Zum einen entführt es mich in eine bunte, wunderschöne und weit entfernte Welt, zum anderen weckt es Erinnerungen an eine sehr unbeschwerte und glückliche Zeit, die sowohl Kindheit als auch Jugend für mich dargestellt haben. Nichtsdestotrotz weiß ich nach dem Gossip Girl- und Findet-Nemo-Gucken jedes Mal: Ich will weder ein Fisch noch ein „New Yorker Rich Kid“ sein und eigentlich ist meine Welt auch ziemlich bunt!

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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Lotta Krüger

Neu bei seitenwaelzer und 22jährige Kommunikationswissenschaft- und Germanistik-Studentin in Münster, die nicht ohne Serien, Reisen, Festivals, Schokolade, Surfen, guten Ouzo und Sonne kann und zu diesen Dingen auch gerne ihre Erfahrungen teilt!

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