Kino & Serie

Kinokritik: Passengers

So kann es weiter gehen? Zwei Autoren, zwei Meinungen
| Moritz Janowsky, Patrick Schuster |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Nathan Duck | Unsplash

Das Kinojahr 2016 ist vorbei, das Kinojahr 2017 steht in den Startlöchern und wir harren der Dinge, die da kommen mögen. Den Anfang machte der US-amerikanische Science-Fiction-Film Passengers vom norwegischen Regisseur Morten Tyldum, welcher schon im Dezember 2016 seinen Kinostart hinlegte. Ob die Qualität des Endprodukts dem Staraufgebot an Schauspielern gerecht werden konnte und ob die eher mäßig ausgefallenen Kritiken zurecht entsprechend ausgefallen sind, erfahrt ihr hier.

Neben unserem Kino-Korrespondenten Moritz hat sich auch Patrick vor Kurzem ins Kino bewegt, um „Passengers“ zu gucken. Als wir später im Gespräch merkten, dass unsere Meinungen zum Film weit auseinanderzudriften schienen, kam die Idee zu dieser Doppel-Kritik auf. Zunächst gibt es den Eindruck von Moritz und danach die Sicht von Patrick, der zu einem ganz anderen Ergebnis kam:

Die Story

Die Handlung des Films beginnt im Jahr 2350. Der Maschinenbauingenieur Jim Preston (Chris Pratt) erwacht aus seiner Schlafkammer, in welcher er die letzten 30 Jahre verbracht hat. Er befindet sich an Bord der Avalon, einem Raumschiff, das ihn und 5000 weitere Passagiere zum Kolonialplaneten Homestead 2 bringen soll, einer Reise, die etwa 120 Jahre dauert. Trotz Vorfreude muss er jedoch schnell feststellen, dass er durch eine Fehlfunktion des Systems 90 Jahre zu früh aufgewacht ist. Eine Möglichkeit erneut einzuschlafen gibt es auf den ersten Blick nicht. Resigniert beginnt Jim sich in seinem luxuriösen Gefängnis häuslich einzurichten und hat ein Jahr lang keine Gesellschaft, bis auf den Lebensweisheiten schwingenden Barroboter Arthur (Michael Sheen). Nachdem ihn die Vorstellung, den Rest seines Lebens auf einem Raumschiff verbringen zu müssen, an den Rand des Suizids treibt, beginnt er sich näher für seine schlafenden Mitreisenden zu interessieren. Besonders die Buchautorin Aurora Lane (Jennifer Lawrence) hat es ihm angetan. Nach langem Zögern und geplagt von Gewissensbissen, entscheidet er sich dafür, sie aufzuwecken. Was ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst ist: Der technische Zustand des Schiffes scheint sich zusehends zu verschlechtern.

Was sagt Moritz zum Film?

Technik und Stil

Aus technischer Perspektive leistet sich Passengers keine Schwächen, wagt aber auch keine Experimente. Ganz im Stile vergangener Sci-Fi-Produktionen wird auf eine sehr sterile Darstellungsweise der Umgebung gesetzt. Entgegen eines in den letzten Jahren erkennbaren Trends, wird sich selten einer Unschärfe bedient, um zum Beispiel einzelne Bildelemente besonders hervorzuheben. Dieser Umstand ist aber wahrscheinlich auf das sehr aufwendige Setdesign zurückzuführen, denn in diesem Fall kann man durchaus zeigen, was man hat. Ein Punkt, der im späteren Verlauf noch einmal gesondert Erwähnung findet.

Ebenfalls im Gegensatz eines erkennbaren Trends der letzten Jahre ist die 3D-Umsetzung in diesem Fall aber durchaus sehenswert. Meinem Empfinden nach hält diese sich dezent im Hintergrund und fällt durchweg nur unterstützend, also in keinem Fall störend, auf. Obwohl oder vielleicht, weil Passengers nicht in “echtem” 3D, also nicht mit zwei Kameras, produziert wurde, und erst in der Nachbearbeitung mit einem 3D-Effekt versehen wurde, konnte man diesen Schritt gehen und den Effekt auf ein natürliches Minimum reduzieren. Dem Zuschauer wurde dankenswerterweise nicht penetrant aufgedrängt, dass es sich um einen 3D-Film handelt, sondern nur hin und wieder einmal dezent mitgeteilt. Störende Nebenwirkungen dieser Technik blieben also ebenfalls aus.

Was uns gefallen hat / nicht gefallen hat

An dieser Stelle möchte ich zunächst auf das bereits angesprochene Setdesign zurückkommen, welches mich in so gut wie allen Punkten wirklich umgehauen hat. Die meisten zu betrachtenden Kulissen wurden in einem Maßstab von 1:1 als Sets in den Pinewood Studios in Atlanta nachgebaut. Hierbei wurden mit einer unheimlichen Liebe zum Detail, teilweise sehr aufwendige Räume und Orte an Bord der Avalon kreiert um den luxuriösen Charakter des Schiffes für die Schauspieler und das Publikum einzufangen. Als Fan von moderner Architektur bzw. Innenarchitektur kommt man also voll auf seine Kosten. Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle das sogenannte „Observatorium“, einen Raum, der sich direkt an der Spitze des Schiffes befindet. Er dient den Reisenden mit seinem großen Fenster als Aussichtsplattform, von welcher das Weltall betrachtet werden kann. Während die Decke mit gebogenen Trägern verziert ist, welche sich durch den ganzen Raum ziehen und bis zum Boden reichen, können die Passagiere auf treppenartig angeordneten Ledermöbeln platz nehmen. Im Zentrum des Raums ist ein schlichter Zengarten platziert. Ebenso zu erwähnen ist die Suite, in der sich Jim Preston nach seinem unfreiwilligen Erwachen einrichtet.

Als weiteren Punkt möchte ich in diesen Abschnitt den meiner Meinung nach zentralen Aspekt des Films stellen: Eine Reise, die länger als ein Menschenleben dauert und die Gewissheit, dass man sein Ziel nicht lebend erreichen wird. Hinzu kommt, dass man womöglich den Rest seiner Existenz alleine verbringen wird. Aus diesen Punkten ergibt sich für Protagonist Jim Preston zum einen eine hohe psychische Belastung, zum anderen bringen sie ihn in ein moralisches Dilemma, welches seine gesamte spätere Zeit mit seiner mitreisenden Aurora Lane prägen könnte. Hier wird dem Zuschauer also ein Gewissenskonflikt aufgezeigt, den er in dieser Form nicht kennt bzw. nicht kennen kann. Gerade dieser Aspekt der Handlung machte diese für mich eigentlich interessant bzw. liefert die nötige Würze in der späteren Beziehung zwischen den beiden Protagonisten. Eine Umsetzung als mehrteilige Serie wäre vielleicht sogar empfehlenswerter gewesen. Dass Passengers dann gegen Ende doch eher actionlastig ausklingt, ist wohl dem Umstand geschuldet, dass man ein breiteres Publikum ansprechen wollte. Diesen Teil der Handlung hätte man sich meiner Meinung nach auch ebenso gut sparen können. Schade, dass man sich hier nicht mehr getraut hat.

Mein Fazit

Trotz der soeben genannten negativen Punkte handelt es sich bei Passengers meiner Meinung nach um einen sehr gelungenen Jahresauftakt. Während Chris Pratt wie gewohnt eine sehr solide schauspielerische Leistung abliefert, ist es aber gerade Jennifer Lawrence, die in ihrer Rolle wirklich überzeugen kann. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass es sich um die beste Leistung ihrer Karriere handelt.

Sollte man nun also einen Kinobesuch in Betracht ziehen? Wenn man ein Science-Fiction-Fan ist bzw. mit diesem Genre generell etwas anfangen kann, dann muss diese Frage nur mit einem „Ja“ beantwortet werden. Alle anderen sollten Passengers aber spätestens zum DVD/Blu-Ray-Start eine Chance geben. Mir persönlich wird Passengers sicherlich als ein Highlight des Jahres in Erinnerung bleiben.      

 

Was sagt Patrick zum Film?

Durch das positive Feedback meines Kollegen und durch den Trailer entsprechend gehyped, begab ich mich also einen Tag nach ihm in die Vorstellung und kam für mich zu einem anderen Fazit.

Wie heutzutage oft in Action- und Sci-Fi-Filmen war auch dieser Film in 3D zu sehen, was aufgrund schöner Außenaufnahmen des Raumschiffes, auf dem die Handlung stattfindet, zwar an ein bis zwei Stellen ganz nett war, für mich aber eben auch nicht mehr als das.

Der Film beginnt mit der Einführung in die Grundproblematik, mit denen die Protagonisten zu kämpfen haben, baut aber nur sehr langsam durch kurz eingestreute Sequenzen Spannung auf. Die gute erste Stunde des Films nimmt somit eher einen dramatisch bis romantischen Grundton an, bis nach und nach im letzten Drittel alles beginnt kopfzustehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie viele andere Filme des Sci-Fi-Genres, die sich zeitlich nicht allzu weit von der Gegenwart entfernen, mangelt es diesem Film an Innovation, besonders, was die Herausforderungen an die Protagonisten betrifft. Viele Handlungsaspekte hat man bereits in anderen Filmen gesehen und ist dementsprechend über die Handlungsabläufe nicht mehr überrascht. Auch der romantische Aspekt des Filmes wirkt sehr vertraut und ähnelt vielen Liebesdramen nach heutigem Stil, mit dem Unterschied dass es im Weltall spielt. Für mich auch wieder zu vorhersehbar, um genießbar zu sein.

Besonders fasziniert hat mich tatsächlich der psychologische Aspekt des Films, mit dem sich der Protagonist Jim Preston (Chris Pratt) auseinandersetzen muss, bevor er auf Aurora Lane (Jennifer Lawrence) trifft. Zukunftsangst, Unsicherheit und Einsamkeit prägen den Film und die Charakterentwicklung der Protagonisten maßgeblich.

Abschließen möchte ich mit dem, womit normalerweise die Planung eines Kinobesuches beginnt und für mich mit dem Highlight des Filmes: Dem Trailer. Besonders im Nachhinein macht nämlich nicht das, was man vorab gesehen hat, den Film gut, sondern dass, was man bewusst aus dem Trailer herausgelassen hat. Anders als viele andere Trailer heutzutage nimmt dieser zwar auch Ausschnitte vorweg, unterschlägt aber wichtige Details, die den Blick auf die gesamte Handlung signifikant beeinflussen. Hier hat man erfolgreich mit den Erwartungen des Publikums gespielt und in meinem Fall sogar falsche Erwartungen auf einen zu erwartenden Plot-Twist erzeugt, was mir sehr gut gefallen hat. Negativer Aspekt des Trailers war jedoch, wie so oft, dass fast jede Action-Szene des Filmes in ihn hinein komprimiert wurde.

Für mich in der Gesamtbilanz ein Film, bei dem man auch auf die Ausstrahlung im Free-TV warten kann, um diesen dann im Heimkino genießen zu können.

Ein Artikel von Patrick Schuster und Moritz Janowsky

 

 

Habt ihr Passengers gesehen? Wie findet ihr den Film? Sagt uns eure Meinung in den Kommentaren!

 

Titelbild: (c)  2016 CTMG All Rights Reserved

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Moritz Janowsky

Studiert Film an der FH-Dortmund, wird im Team auch gerne als "Podcastonkel" bezeichnet und knipst ab und zu ein paar bunte Bilder.

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