Gesellschaft und Lifestyle

Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg

Am Sonntag, dem 13. März, fanden in drei Bundesländern Deutschlands die Landtagswahlen statt, die als eine Art Ausblick auf die Bundestagswahl 2017 aufgefasst werden.
| Kevin Ord |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

WikimediaImages | Pixabay

Am Sonntag, dem 13. März, fanden in drei Bundesländern Deutschlands die Landtagswahlen statt, die als eine Art Ausblick auf die Bundestagswahl 2017 aufgefasst werden. Gewählt wurde in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Besonders waren diese Wahlen, da die rechts-populistische AfD in allen drei Wahlen große Erfolge eingefahren hat, vor allem in Sachsen-Anhalt, wo sie aus dem Stand mit einem Stimmenanteil von 24,2% die zweitstärkste Kraft im dortigen Landtag ist.

Aber bevor wir uns den einzelnen Parteien widmen, hier eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse:

Baden-Württemberg: Hier erlebten die Grünen unter Winfried Kretschmann einen historischen Wahlerfolg: erstmals in er Parteigeschichte sind die Grünen die stärkste Kraft in einem Landtag. Mit ihren 30,3% liegen sie noch vor der CDU, die „lediglich“ 27% der Stimmen für sich verbuchen konnte und damit im Vergleich zur letzten Wahl 12% an Stimmen verloren hat. Weitere Erfolge feiern die FDP, die es mit 8,3% wieder in den Landtag schaffte, und die AfD, die mit 15,1% ein hohes Ergebnis erzielt hat. Wenig zu feiern hatten die SPD, die mit 12,4% gerade mal die viertgrößte Partei im Landtag ist und massive Verluste verschmerzen musste (10,4%) und die Linken, die wieder den Einzug in den Landtag verpassten.

Da hier die FDP nicht mit den Grünen unter Kretschmann zusammenarbeiten wollen, die SPD nicht mit der CDU, und niemand mit der AfD, wird es hier wahrscheinlich zu einer „Kiwi“-Koalition aus Grünen und CDU kommen. Zu den von FDP bzw. SPD blockierten Alternativen gehören eine Koalition von Grünen, SPD und FDP sowie ein Bündnis von CDU, SPD und FDP.

Rheinland-Pfalz: Hier hat die SPD das Duell zwischen Dreyer und Klöckner eindeutig für sich entschieden: mit 36,2% haben sie die Wahl deutlich gewonnen, die CDU liegt mit 31,8% nur auf dem 2. Platz. Die FDP ist mit 6,2% in den Landtag zurückgekehrt, während die Grünen es mit 5,3% gerade noch über die 5%-Hürde schafften. Nicht geglückt ist dies den Linken, die wie bei der vorherigen Wahl nicht im Landtag vertreten sind. Die AfD hingegen schaffte es mit 12,6% eindeutig in den Landtag und ist dort die drittstärkste Kraft.

Hier sind Koalitionsmöglichkeiten eine Große-Koalition von SPD und CDU sowie eine Ampel-Koalition von SPD, FDP und Grünen. Da die SPD aber momentan anscheinend keine Verhandlungen mit der CDU führt, wird es wahrscheinlich zur „Ampel“ kommen.

Sachsen-Anhalt: Obwohl die CDU mit 29,8% die Wahl gewonnen hat, wird sie wohl nicht ganz ohne einen bitteren Beigeschmack feiern können: denn die AfD ist mit 24,2% nicht nur im Landtag, sondern auch die zweitstärkste Kraft dort; das macht eine Regierungsbildung schwierig, da die CDU auf zwei weitere Parteien angewiesen ist, um regieren zu können. Im Grunde haben alle Parteien die Wahl verloren, vor allem aber SPD und Linke, welche jeweils die Hälfte bzw. ein Drittel ihrer Stimmen im Vergleich zur letzten Wahl verloren haben. Jetzt haben sie gerade mal 10,6% (SPD) bzw. 16,3% (Linke) der Stimmen erhalten. Auch die Grünen haben an Stimmen verloren: 1,9% Verlust und damit liegen sie jetzt mit 5,2% knapp über der 5%-Hürde, Auch die FDP hat wenig zu feiern, denn obwohl sie um 1,1% zugelegt hat, scheiterte sie mit 4,9% knapp an der 5%-Hürde.

Die CDU wird hier mit zwei weiteren Parteien koalieren müssen. Wahrscheinlich ist ein Bündnis von CDU, SPD und Grünen, aber möglich wäre auch eine Koalition von CDU und Linken, zusammen mit der SPD bzw. den Grünen.

Wie zu erwarten sind die Reaktionen der einzelnen Parteien eher gemischt. Die CDU hat das Duell um den Ministerpräsidenten in zwei Bundesländern verloren, und in Sachsen-Anhalt wird eine Regierungsbildung schwierig. Vor allem von den AfD Erfolgen ist man nicht begeistert. Laut Michael Grosse-Böhmer, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Bundestagsfraktion, handelt es sich dabei um „[…] gute Ergebnisse für eine Protestpartei ohne inhaltliche Kompetenz.“ Ein Problem der CDU dürfte ein Parteiinterner Streit um die Haltung zur Flüchtlingskrise sein; auffällig ist, dass Wolf und Klöckner, die Spitzenkandidaten für die CDU in Baden-Württemberg bzw. Rheinland-Pfalz, sich beide gegen Merkels Kurs ausgesprochen haben und beide Verluste zu beklagen hatten.

Auch die SPD ist nicht erfreut über die Wahlerfolge der AfD. Parteichef Sigmar Gabriel: „[…] darum werden wir uns kümmern müssen.“ Aber auch ansonsten hat die SPD mit Verlusten zu kämpfen: obwohl die SPD in Rheinland-Pfalz die Wahl für sich entscheiden konnte, musste sie in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt herbe Niederlagen einstecken. Grund dürfte die momentane Identitätskrise der SPD sein, die sich von der klassischen „Arbeiterpartei“ zurzeit zu einer Partei der „Mitte“ entwickelt.

Bei der FDP ist man hingegen sehr erfreut über die eigenen Ergebnisse: zwar hat man den Einzug in den Landtag in Sachsen-Anhalt verpasst, aber dafür sind sie in Rheinland-Pfalz zurück und konnten auch in Baden-Württemberg ein gutes Ergebnis einfahren. Während in Rheinland-Pfalz sogar eine Regierungsbeteiligung möglich ist, werden sie in Baden-Württemberg wahrscheinlich in der Opposition sein, aber laut Christian Linder, Bundesvorsitzender der FDP, ist „[…] auch Opposition eine Möglichkeit für die FDP.“ Man wolle nicht den selben Fehler machen der zum Wahldebakel 2013 geführt hat, bei der die FDP den Einzug in den Bundestag nicht schaffte.

Obwohl sich die Grünen sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Sachsen-Anhalt gerade noch in den Landtag retteten, überwiegt hier die Begeisterung über den historischen Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg. Auffällig ist, dass die Parteispitzen den Erfolg als Parteierfolg, und somit als ihren eigenen auslegen wollen, während Kretschmann, wahrscheinlich sogar verdientermaßen, vor allem von einem eigenem Erfolg spricht, denn laut Umfragen hat Kretschmann einen riesigen Rückhalt als Ministerpräsident in der Bevölkerung, sogar bei der CDU, während der Gegenkandidat Wolf nicht zu überzeugen wusste. Kretschmanns Sieg dürfte auch die Machtverhältnisse innerhalb der Grünen verschieben, sehr zugunsten des eher gemäßigten Flügels, während der linke Parteiflügel den Wahlsieg Kretschmanns sicherlich gemischt betrachtet.

Für die Linke gab es gar nichts zu feiern an diesem Sonntag: in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verpassten sie den Einzug in den jeweiligen Landtag und in Sachsen-Anhalt mussten sie massive Verluste verkraften. Vor allem dort haben wohl sehr viele Arbeitslose, die eigentlich ein Kern-Klientel der Linken sind, die AfD gewählt. Dies könnte mit der Haltung zur Flüchtlingskrise zusammenhängen, da die Linke gegen jede Form von Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen sind; dies dürfte zu einem parteiinternem Streit führen, da sich vor der Wahl schon Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag und Streiterin des linken Parteiflügels, für Obergrenzen ausgesprochen hat, damals noch viel von ihrer eigenen Partei dafür kritisiert.

Die AfD dürfte sich gerade über ihre Wahlerfolge, vor allem in Sachsen-Anhalt, freuen. Auffällig ist, dass nicht nur der eigene Erfolg, sondern auch der der Misserfolg der „Altparteien“ gefeiert wird, was den Charakter der AfD als Protestpartei unterstreicht. Dort blickt man zurzeit aber gespannt in Richtung Bundestagswahl 2017, bei der sich die AfD den Einzug in den Bundestag erhofft.

In einem sind sich alle Parteien, abgesehen von der AfD selbst, einig: der Erfolg der AfD ist zugleich ein Verlust für die Demokratie. Oft wird die AfD dafür kritisiert, kein wirkliches Programm zu haben und ihre Stimmen vor allem durch das Schüren von Ängsten in der Bevölkerung zu erhalten. Aber warum wurde die AfD eigentlich wirklich gewählt? Laut Umfragen von Infratest Dimap, die von der ARD in Auftrag gegeben worden sind, wählten insgesamt gerade einmal ein Viertel der AfD Wähler aus Überzeugung von der eigenen Partei. Viele der besagten Wähler sind auch unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland. Die meisten Wähler waren also einfach enttäuscht von den etablierten Parteien und wählten die AfD vor allem aus Protest. Bei Umfragen über die Kernkompetenzen der AfD schreiben ihr viele Wähler meist nur Kompetenzen in der Flüchtlingsfrage zu, wesentlich sind sonst nur Kriminalitätsbekämpfung und zum Teil soziale Gerechtigkeit. Das zeigt, dass Angst ein wesentlicher Faktor für die Wahl der AfD gewesen sein muss. Auch das spiegelt sich in Umfragen wieder: fast alle AfD Wähler haben Angst vor einer „Islamisierung“ und einem Anstieg der Kriminalitätsrate durch den Flüchtlingszuzug. Auch sehr auffällig ist, dass weit mehr als 90% der AfD Wähler meinen, dass die Partei zwar keine Probleme löst, die Dinge aber beim Namen nennt. Also sind die Wähler selbst sogar der Meinung, dass die AfD nichts bewegen wird.

Die Wahlerfolge der AfD könnten also einen allgemeinen Vertrauensverlust eines Teils der Bevölkerung der Regierung gegenüber andeuten, für den viele Parteien zumindest teilweise mitverantwortlich sind. Vor allem in der Flüchtlingskrise streiten die Parteien mehr über ihre Positionen, als dass sie tatsächlich versuchen, wirklich etwas zu bewegen. Dies liegt zum Teil aber auch an den Positionen der anderen EU-Staaten, bei denen gerade populistische Parteien erstarken, denn gemeinsam könnte die EU sehr einfach sehr große Mengen an Flüchtlinge aufnehmen, doch nach und nach lehnen die EU-Staaten eine faire Verteilung der Flüchtlinge ab, und ziehen es vor, gerade Griechenland mit dessen Problemen mit den Flüchtlingen alleine zu lassen und einen Deal mit der Türkei abzuschließen, in der gerade massiv europäische Werte gebrochen werden. Wenn es die deutsche Regierung schaffen sollte, der Bevölkerung zu zeigen, dass sie die Flüchtlingskrise vollends im Griff hat, werden wahrscheinlich auch die Wahlerfolge der AfD langsam verschwinden. Doch damit sollte man sich beeilen, denn in etwas mehr als einem Jahr finden die nächsten Bundestagswahlen statt, bei denen die AfD in den Bundestag einziehen könnte.

 

Quellen:
www.tagesschau.de
www.spiegel.de
Titelbild: https://pixabay.com/static/uploads/photo/2015/08/05/10/23/traffic-light-876056_960_720.jpg

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