Kultur und Medien

Rezension zur Graphic Novel „Rocky Beach“ – Eine düstere Zukunft erwartet uns

Rocky Beach, Heimat der berühmten Detektive "Die drei Fragezeichen" - hier aber mal in ganz anderem Gewand. Eine Rezension der Graphic Novel.
| Alina Krause |

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Drei Männer in schwarz weiß gezeichnet stehen um ein Auto herumAlina Krause

„Darf ich Ihnen unsere Karte geben?“
Dieses berühmte Zitat kennt wohl jedes Kind der Kassetten- und später auch CD-Ära! Während unsere drei Detektive in den (Hör-)büchern stets einem endlosen Sommer ohne Schule und Verpflichtungen frönen, werden in der neuesten Graphic Novel „Rocky Beach“ ganz andere Seiten aufgezogen.

Die am 17. September im Kosmos-Verlag erschienene Interpretation von Christopher Tauber und Hanna Wenzel wartet mit einem schaurig-düsterem Noir-Stil auf, der mich als leidenschaftlicher Kindheitsfan direkt in seinen Bann gezogen hat. Ihr seid neugierig und wollt mehr erfahren? Dann seid ihr hier genau richtig.
Aber Vorsicht, den ein oder anderen Spoiler kann ich im Folgenden vermutlich nicht ganz vermeiden!

"Rocky Beach" - Vorderseite
Alina Krause

Design

Beginnen wir aber doch erstmal ganz sachte mit der äußeren Erscheinung der Novel. Schon beim Öffnen der Verpackung fällt auf, dass der Comic ein größeres Format als das übliche Buch besitzt. Etwas wuchtig kommen die rund 200 Seiten daher, dafür aber ganz elegant in einem schwarz-weiß gehaltenem Hard Cover, eben klassisches Noir.
Der Rückentext und die Altersempfehlung „ab 16 Jahren“ lassen bereits darauf schließen, dass es in dieser Geschichte so gar nicht mehr sommerlich zugehen wird: unsere Jungspunde sind zu Männern herangewachsen, „die sich und einander wieder finden müssen […]“.
Wie bitte, wiederfinden? Ob da wohl die berühmt-berüchtigte Mid-Life-Crisis ihre Finger im Spiel hatte? Jedenfalls macht der kleine Teaser gleich Lust auf mehr – ich will endlich herausfinden, wie es meinen Begleitern aus der Kindheit denn nun ergangen ist.

Bevor ich dies beantworten kann, muss ich mich beim Aufschlagen der ersten Seiten aber erstmal fragen, ob ich eine neue Brille brauche: der Text in den Sprechblasen ist unglaublich kleingeschrieben. Dieser Umstand wurde in den sozialen Netzwerken auch vermehrt bemängelt. Daran muss man sich wirklich erstmal gewöhnen und die ein oder andere Lampe zusätzlich einschalten!

"Rocky Beach" - Rückseite
Alina Krause „Rocky Beach“ – Rückseite

Inhalt

Auch inhaltlich geht es zunächst recht gewöhnungsbedürftig zu: Wir landen in irgendeiner Bar, die vermutlich in Rocky Beach sein soll und wissen erstmal gar nicht, wie uns geschieht. Es geht um irgendeinen besoffenen Kerl, der sich an besagtem Ort viele Feinde gemacht zu haben scheint – warum, wieso, weshalb erfahren wir an dieser Stelle nicht. Von Justus, Peter oder Bob ist meilenweit nichts zu sehen. Also ein eher holperiger Start, vielleicht aber auch dem Spannungsbogen geschuldet. Schließlich brennt man als LeserIn darauf, endlich etwas von den drei Detektiven zu erfahren und liest daher fleißig weiter. 

Allerdings sucht man auch in der nächsten Szene vergeblich nach unseren Protagonisten: Wieder ein unbekannter Typ mit Frau und Kindern, der mitten in der Nacht einen ominösen Anruf erhält und einen höchst lukrativen Auftrag erfüllen soll…
So langsam werde ich ungeduldig. Spielen die drei ??? in dieser Novel überhaupt eine tragende Rolle oder habe ich vielleicht das falsche Buch gekauft? Dennoch versuche ich neutral zu bleiben und arbeite mich durch die nächsten verwirrenden Seiten.

Beim darauffolgenden Szenenwechsel auf Seite 20 dämmert mir dann langsam, dass der Typ im schicken Anzug, der da so geschäftig den Bürohengst mimt, Peter Shaw sein soll – und das schmeckt mir irgendwie so gar nicht. Ich hätte mir den zweiten Detektiv in allen möglichen Berufen vorstellen können, aber in keinem davon wäre er in einem Bürokomplex gelandet. Natürlich kann man sich in all den Jahren weiterentwickeln und neue Vorlieben entdecken… aber hätte sich unsere junge Sportskanone so einen Job je träumen lassen? Es sei mal dahingestellt.
Jedenfalls erfahren wir, dass Peter seiner Heimatstadt Rocky Beach den Rücken gekehrt und sich in Phoenix, Arizona niedergelassen hat. Wie das Schicksal so spielt, soll er nun im Zuge seiner Arbeit in die kleine Küstenstadt zurückkehren. An dieser Stelle wird also schon mal deutlich, dass Peter mit seinen früheren Detektiv-Kollegen nicht mehr allzu viel am Hut hat. Was ist zwischen den Dreien bloß vorgefallen?

Um das herauszufinden, setzen wir unsere Reise fort und stoßen nun auch auf den ehemaligen Profi für Recherchen und Archiv, Bob Andrews. Nicht ganz unerwartet hat dieser seine Leidenschaft für das Schreiben weiter ausgebaut und sich in Hollywood einen mehr oder weniger erfolgreichen Namen gemacht…
Auch in Sachen Frauen scheint der schon damals beliebte Detektiv nichts missen zu müssen, wirkt aber ebenso wie sein Kollege Peter alles andere als glücklich. In den darauffolgenden, zusätzlich in Schwarz untermalten Rückblenden bahnt sich dann langsam aber sicher das düstere Unheil an, welches unser Detektiv-Gespann entzweit haben muss…

Es geht zurück zu Peter, der gerade in Rocky Beach angekommen ist und sofort erkennen muss: hier ist nichts mehr so, wie es einmal war. Das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit scheint diesen Ort schon lange verlassen zu haben. Apropos Gerechtigkeit – wo ist denn nun eigentlich Justus Jonas, einstiger Anführer und helles Köpfchen der Truppe, abgeblieben? Das erfährt man tatsächlich erst einige Seiten später und, so viel kann gesagt sein, freuen kann man sich über seinen weiteren Lebenslauf nicht so richtig. Immerhin scheint er als Einziger der drei Jungs seiner Heimat treugeblieben zu sein. Als eingefleischter Fan kann man sich schon denken, wieso Justus trotz offensichtlich schmerzhafter Erinnerungen Rocky Beach nicht verlassen hat. Immerhin waren Onkel Titus und Tante Mathilda schon in Justus‘ Kindheit nicht mehr unbedingt die Jüngsten. Somit ist auch der uns so vertraute Schrottplatz einem lädierten Abbild der Vergänglichkeit gewichen.

Zufälle über Zufälle später finden die drei Detektive endlich wieder zusammen. Da lässt der nächste Fall natürlich nicht lang auf sich warten.
In einer nervenaufreibenden Hetzjagd, bei der es von Waffen und Drogen nur so wimmelt, kommen unsere Mittvierziger dem Geheimnis um die beiden unbekannten Männer immer näher. Dabei erleben sie noch so einige Überraschungen und müssen dem Tod mehr als nur einmal ins Auge blicken.
Ob das wirklich noch ein Happy End in alter ???-Manier wird?

"Rocky Beach" - Titelbildskizze
Alina Krause „Rocky Beach“ – Titelbildskizze

Fazit

Ich für meinen Teil bin jedenfalls hin- und hergerissen. Auf der einen Seite finde ich es toll, dass auch die ältere Fangemeinschaft endlich wahrgenommen wird und wir etwas über das Erwachsenenleben unserer Kindheitshelden erfahren. Trotz der sonst recht gedrückten Atmosphäre findet sich der ein oder andere Schmunzler im alten Charme und auch an Design und Aufmachung habe ich – abgesehen von dem Schriftgrößen-Fauxpas – nicht viel auszusetzen. Im Bücherregal macht die Graphic Novel wirklich etwas her.

Auf der anderen Seite bin ich mit der Darstellung unserer Protagonisten einfach nicht so richtig warmgeworden. Natürlich muss man sich innerlich von seiner rosaroten Brille verabschieden und sich klarmachen, dass es nicht so wird, wie man es sich vorgestellt hat. Jeder Fan malt sich die Zukunft der drei Protagonisten anders aus und es ist für eine/n AutorIn unmöglich, alle Fans zufriedenzustellen. Trotz dieses Wissens haben für mich einige der Verhaltensweisen nicht zu den jeweiligen Charakteren gepasst. Während ich Bobs Entwicklung im Großen und Ganzen noch nachvollziehen kann, sind mir Justus und Peter stellenweise doch sehr fremd. Auch der Fall, mit dem sich die drei schließlich beschäftigen, erscheint mir teilweise etwas wirr. Außerdem kommt mir der Aspekt der persönlichen Entwicklung und der vergangenen Ereignisse zu kurz. Dass abgesehen von Jeffrey und Skinny Norris so gut wie kein altbekanntes Gesicht auf der Bildfläche erscheint, finde ich ebenfalls sehr schade. Wer hier nach Informationen über den Verbleib von Inspektor Cotta oder Rubbish George sucht, wird enttäuscht.
Dennoch möchte ich noch einmal betonen, dass es sich bei dieser Graphic Novel um eine von vielen möglichen Interpretationen rund um die Zukunft der drei ??? und Rocky Beach handelt. Das ist wiederum das Schöne an Literatur: Nichts ist in Stein gemeißelt, wir können unserer Fantasie jederzeit freien Lauf lassen und die Geschichte nach Belieben verändern.

Im Ergebnis überwiegt bei mir also die Freude über Erwachsenen-Content zu den drei Detektiven. Die Novel ist trotz einiger Schwächen sehr unterhaltsam und es ist spannend zu verfolgen, wie so ein Gedankenspiel im drei ???-Universum aussehen kann. Ich hoffe, dass wir uns in Zukunft über weitere Kreationen in dieser Richtung freuen dürfen. Wer weiß, vielleicht ist ja auch schon ein Hörbuch geplant?

Oh und bevor ich es vergesse: Der Preis der Novel ist mit rund 25 Euro zwar schon ziemlich happig, gemessen an dem gestalterischen Aufwand, meiner Meinung nach, aber noch vertretbar. Dem Sprung auf die nächste Geburtstags- oder Weihnachtswunschliste dürfte jetzt also nichts mehr im Wege stehen!

Viel Spaß beim Lesen wünscht euch

Alina

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Alina Krause

studiert Deutsch und Erziehungswissenschaft an der Uni Münster. Ist meist vor dem Laptop oder der Playstation zu finden. Interessiert sich für Musik, Animes, Netflix und was sie sonst noch so zwischen die Finger bekommt.

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