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Hier lernen Panzer driften – Der erfolgreichste chinesische Actionfilm aller Zeiten
Wolf Warrior 2. Dumm. Platt. Verdammt unterhaltsam.
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Manchmal fehlen selbst mir die Worte. Wie dieser Panzer gerade in gefühlter Lichtgeschwindigkeit um die Ecke gedriftet ist, ein weiteres Stahlmonster mit seinem metallischen Arsch zur Seite geschubst hat und der Held nach wie vor mit seinem LSD-Dauergrinsen aus der Luke schaut – Wahnsinn. Purer Wahnsinn!
Die Bezeichnung Trash würde Wolf Warrior 2 allerdings ziemlich schlecht beschreiben. Denn Trash spielt normalerweise keine 870 Millionen US-Dollar an den Kinokassen ein. Somit hat sich die Fortsetzung zu Wolf Warrior (2015) zum erfolgreichsten Actioner aller Zeiten aus dem Reich der Mitte gemausert. Und ehrlich gesagt: Der Streifen steht manch einem seiner plumpen amerikanischen Kollegen in Nichts nach.
Eines fällt sofort auf: Der Film ist vollgestopft mit Patriotismus, der selbst Michael Bays Flaggenfetischismus mühelos in Grund und Boden stampft. Wie kommt man am einfachsten durch ein Kriegsgebiet? Richtig, man stülpt sich eine chinesische Flagge über den Arm. Leicht wehend versetzt diese jeden Gegner in Angst und Schrecken, da braucht es dann auch keine Waffen mehr. Wobei die Chinesen wie zu erwarten auch derer genug besitzen. Während alle anderen Flotten feige das Feld – oder eher den Hafen – räumen, segelt die Marine der Volksrepublik heldenhaft zur Rettung heran. Gut, als eingefleischte Demokraten wird selbstverständlich auf die Erlaubnis der UNO gewartet, man würde ja nie einen Alleingang riskieren. Außer unserem chinesischen Super-Soldier natürlich, der alleine ganze Horden von Feinden eliminiert. Dagegen wirkt John Wick wie ein netter Chorknabe. Wenn dann doch einer hilft, ihr ahnt es, zweifelsohne ein weiterer Chinese.
Zur Story braucht man insgesamt recht wenig zu sagen, was vermutlich an der Abstinenz jeder ernsthaften Handlung liegt. Wie bei einem „guten“ Actionfilm üblich, wird löblicherweise jede Form von Kontext, Sinnhaftigkeit oder Logik direkt über Bord geworfen. Danach kann die chinesische One-Man-Army ihre Kampffähigkeiten in Afrika unter Beweis stellen, heldenhaft stereotypische Dunkelhäutige vor bösen Söldnern schützen und ganz nebenbei noch persönliche Rache üben. Ach ja, an stumpfen Dialogen oder grenz-genialen Sprüchen mangelt es auch nicht.
Schauspielerisch bewegt sich das Vehikel im Bereich „hat sich bemüht“. Wu Jing als Protagonist macht durchaus eine sympathische Figur, wobei die totale Überspitzung seiner Rolle zum Heiland aller Dinge einfach nur drüber ist. Der Mann kann kämpfen, Waffen benutzen, Bögen aus Stöckern bauen und selbstverständlich in hochgesicherte Festungen einsteigen. Wobei an seinem Menschenverstand zu zweifeln ist, ich persönlich würde mit massiven Halluzinationen lieber jemand Anderen fahren lassen. Jedem das seine. An der Seite von Leng Feng – geiler Name – kämpft eine, in Actionfilmen total überraschend, attraktive Frau mit Helfersyndrom. Mensch, Zufälle gibt´s! Dazu gibt es ein paar kleine Kinder, eine unglaublich stereotypische schwarze Frau – Amazing Grace ;) – und geniale Söldner. Great Bear hat mich mit seinem Auftreten und vor allem seiner fast einfältigen Art zu sprechen, die auch die Bewässerung des Gesprächspartners mit viel vom bärischen Mundwasser beinhaltet, total begeistert. Wenn dich einer verprügelt, dann doch bitte so ein 2-Zentner-Koloss mit dem Speichelfluss einer Hauptwasserleitung. Frank Grillo wird als fieser Gegner Big Daddy – purer Zucker der Name – selbstredend verheizt und erhält sehr wenig Screentime.
Kommen wir zum wichtigsten Punkt, der Action. Hier langt der Film ordentlich zu und sobald man glaubt, dass die vorherige Szene an Absurdität nicht mehr zu toppen sei, belehrt einen der Streifen eines Besseren. Von Autos, die nach Wanddurchbrüchen niegelnagelneu aussehen, über Kakteengift, besagte driftende Panzer und Kämpfe unter Wasser – Wolf Warrior 2 bietet euch alles! Dabei lässt sich nicht abstreiten, dass jede Konfrontation einen eigenen Charme hat und richtig Laune bereitet. Langweilig wird´s nie. Auch der Härtegrad ist hoch, ein FSK 18 geht hier schon in Ordnung.
Problematisch wird es vor allem bei den Effekten. Das CGI ist mies, wirklich mies! Neben unnatürlich rotem Computerblut und manch merkwürdigem Splattereffekt sind es insbesondere die Aufnahmen von fliegen Kugeln oder Raketen, welche einem die Haare zu Berge stehen lassen. Explosionen aus dem Rechner sind da noch das Harmloseste. Jene phänomenale Panzerszene beschleunigt das Bild so auffällig um das 5-fache, dass ich zunächst sprachlos war und danach vor Lachen am Boden gelegen habe. Immerhin ist der Streifen konsequent, so gut wie jede Actionsequenz beinhaltet Slow-Motion im Überfluss. Leider geht der besondere Kick damit verloren, es gibt auch ein too-much. Handwerklich versucht die Kamera recht sauber eine Form von Überblick zu gewähren, was stellenweise gut gelingt. Hektische Passagen finden sich jedoch auch. Im Kopf bleibt das Close-Up des schreienden chinesischen Generals, als er das „Feuer“ eröffnet.
Gesondert zu besprechen sei hier noch die Tonfassung. Zu sehen gibt es Wolf Warrior 2 auf Netflix, eine deutsche Heim-VÖ gibt es bislang noch nicht. Mandarin mit deutschen Untertiteln ist die Fassung eurer Wahl, wobei der Film zwischen Mandarin, Englisch und Französisch wild hin und her wechselt und die Untertitel gelinde gesagt als „kreativ“ zu bezeichnen sind. Kontext, Satzzusammenhang oder simple Groß-&-Klein-Schreibung werden zeitig durch ein faszinierendes Wirrwarr ersetzt. Definitiv ein Erlebnis!
Zusammengefasst ist Wolf Warrior 2 mit dem Wort „speziell“ gut zu beschreiben. Die Handlung ist löchrig wie ein Schweizer Käse, die Figuren total überzeichnet und stereotypisch, das Handwerk lässt zu wünschen übrig und der Film trieft nur so vor Patriotismus. Aber: Das Vehikel macht Spaß! Nimmt man all die Dinge nicht zu ernst und lässt sich von dem teilweise Unglaublichen auf der Leinwand mitreißen, hat man jede Menge an Lachern garantiert. Bei dem Gedanken an driftende Panzer muss ich jetzt schon wieder grinsen. Diese chinesische Maschine ist genauso dumm und platt wie viele amerikanische Klopper auch, dies tut dem Entertainmentfakor allerdings keinen Abbruch. Wer mindere Qualität, aber hohe Unterhaltung sucht, sollte sich diese Granate nicht entgehen lassen!
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Daniel Rublack
… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.
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