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Von Thor bis Pippi Langstrumpf – Das Studienfach Skandinavistik

„Lassen Sie mich durch, ich bin Skandinavist“ – wird wohl kaum jemand, der*die Skandinavistik studiert, jemals sagen dürfen. Hierfür müsste […]
| Lukas Röhr |

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Lukas Röhr

„Lassen Sie mich durch, ich bin Skandinavist“ – wird wohl kaum jemand, der*die Skandinavistik studiert, jemals sagen dürfen. Hierfür müsste man wohl doch eher Arzt oder ähnliches werden. 
Aber mal im Ernst: Skandinavistik studieren – was macht man da und was wird man damit? 
Letzteres wurde und werde ich auch von Freunden und Bekannten regelmäßig gefragt. Eins kann ich schon mal verraten: Stellenanzeigen, in denen speziell Skandinavisten gesucht werden, gibt es eher weniger.


Nun zunächst aber zu den Inhalten und Rahmenbedingungen im Skandinavistik Studium. Den Studiengang Skandinavistik kann man an 13 deutschen Universitäten belegen. Unter anderem an der WWU in Münster, wo man ihn zunächst ausschließlich im Zweifach-Bachelor studieren kann. Einen Master kann man natürlich anschließen. Ich studiere aktuell im Bachelor und habe Geschichte als zweites Fach. Diese Kombination kommt häufiger vor und ist meiner Meinung nach auch sehr passend, da beide Fächer des öfteren thematische Ähnlichkeiten aufweisen.


Das Studium in Münster ist grob gesagt in zwei Teile gegliedert. Zum einen in einen sprachlichen Teil und zum anderen in einen literarisch-kulturellen Teil. 
Im ersten Semester muss man sich für eine Hauptsprache entscheiden, zur Wahl stehen Schwedisch und Norwegisch. Dänisch kann man auch teilweise wählen, in Münster allerdings nicht mehr. Das dänische Lektorat in Münster wurde vor einigen Jahren geschlossen, wohl um Kosten zu sparen und/oder wegen zu geringer Nachfrage.
Ich persönlich habe mich für Norwegisch entschieden, schlicht und einfach, weil ich das Jahr zuvor in Norwegen einen Freiwilligendienst absolviert hatte. Die jeweilige Sprache wir dann vier Semester lang erlernt. Die Kenntnisse müssen danach in einer (kurzen) mündlichen Abschlussprüfung aufgezeigt werden. Sowohl Schwedisch als auch Norwegisch sind übrigens ziemlich einfach zu lernen (zumindest für deutsche Muttersprachler).
In den Semestern fünf und sechs werden dann die Kenntnisse in den anderen skandinavischen Sprachen, die nicht die eigene Hauptsprache sind, vertieft. Hier hat man Übungen mit spannend klingenden Namen wie „Interskandinavisches Hörverständnis“. 
Da sie sich, vor allem schriftlich, recht ähnlich sind, ist das mit den mehreren Sprachen im Großen und Ganzen eigentlich nicht so schwierig. Problematisch kann es höchstens bei der dänischen Aussprache werden. Von deren mangelnder Deutlichkeit kann eigentlich jeder, der nicht gebürtiger Däne ist, ein Lied singen. 


Eine Sprache habe noch gar nicht erwähnt: Isländisch. Modernes Isländisch ist nicht Bestandteil des eigentlichen Studiums, derweil ist
Alt-Isländisch bzw. Altwestnordisch für alle verpflichtend. Diese Sprache ist – wie soll ich sagen – etwas unhandlich. Während die heutigen skandinavischen Sprachen kaum schwierige Grammatik haben, bietet Altwestnordisch davon mehr als genug. Es gibt viele tolle Formen und grammatische Fälle, die im Laufe der Sprachentwicklung (zum Glück) weggefallen sind. Unter anderem werden sämtliche Eigennamen dekliniert, natürlich auch in den Fällen, die es mittlerweile nicht mehr gibt. Trotz Schwierigkeiten, die ich persönlich hatte, ist das alles auf keinen Fall uninteressant und kann ziemlich nützlich sein. So kann z.B. der ein oder andere Kommilitone mittelalterliche Dichtung im Original lesen.


Der zweite Teil des Studiums ist wie erwähnt literarisch-kulturell geprägt. Zunächst besucht man hier auf Deutsch gehaltene Einführungsveranstaltungen theoretischer Natur, in denen allgemein wissenschaftliches Arbeiten und der Umgang mit Literatur gelehrt wird. Darüber hinaus wird ab dem dritten Semester auch in den Sprachkursen vermehrt auf Kultur und Literatur eingegangen. So lernt man auch viel Historisches über Norwegen bzw. Schweden. Zusätzlich gibt es Literaturseminare, die quasi auf den gelernten theoretischen Grundlagen basieren und alles in allem ein echt breites Spektrum abdecken. Ich hatte zum Beispiel zuletzt ein Seminar zu skandinavischen Autoren im 19. und 20. Jahrhundert. Weitere Themen in meinem Studium waren Kinderbuchliteratur, Märchen, nordische Mythologie und mittelalterliche Götter- und Heldendichtung (hier ist übrigens das Alvíssmál eines meiner absoluten Lieblingsgedichte – Thor führt dort ein Streitgespräch mit dem Zwerg Alvis, der gerne Thors Tochter heiraten möchte)*. Auch besonders gut hat mir das Thema Kinderbuchliteratur, und hier besonders Astrid Lindgren gefallen. Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga gehörten zu den absoluten Helden meiner Kindheit und der wissenschaftliche Umgang mit ihnen im Studium hatte schon seinen besonderen Charme.


Einen Nachteil des Studiums muss ich noch ansprechen, der gleichzeitig auch ein Vorteil ist – Das Institut ist sehr klein. Um nicht zu sagen sehr sehr klein. Nach geschätzten drei Tagen kennt man eigentlich jeden, weil es einfach gar nicht so viele Leute gibt, die man kennen kann. Dies sorgt zwar für eine angenehme und persönliche Atmosphäre, hat aber den Nebeneffekt, dass man wenig Wahlmöglichkeiten bei den Kursen hat. Teilweise werden leider Module nur durch eine Veranstaltung im Semester abgedeckt und man muss mit dem jeweiligen Termin und Thema leben. 

Das Studium ist also spannend und macht auch durchaus Laune, aber was ist denn nun mit den Berufschancen? Gewissermaßen sitzt man nach dem Abschluss in einem großen Boot mit allen anderen Geisteswissenschaftlern. Es gibt auf jeden Fall unzählige mögliche Berufsfelder, aber eben nichts, was wirklich exakt auf dich zugeschnitten ist. Es kommt dann nicht zuletzt auch etwas auf Zusatzqualifikationen und geleistete Praktika an.
Ich hoffe, der Artikel hat euch den Studiengang Skandinavistik etwas näher gebracht. Mir persönlich gefällt er nach wie vor sehr und ich kann ihn auch guten Gewissens weiterempfehlen.

*besagtes Alvíssmál ist online (zwar in einer etwas alten Übersetzung) frei verfügbar unter: https://de.wikisource.org/wiki/Die_Edda_(Simrock_1876)/%C3%84ltere_Edda/Alv%C3%AEssm%C3%A2l

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Lukas Röhr

studiert schon seit geraumer Zeit in Münster und ist nicht erst seit seinem Auslandsjahr großer Skandinavien Fan. Weitere Interessensgebiete sind Geschichte, Politik und Literatur. Darüber hinaus Liebhaber von Rap (Musik) und Wraps (Essen).

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