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„Warum in die Ferne schweifen …?“ – Eine Art Blog übers Fernstudium #3

Statistik - Kugeln aus Urnen oder Asse aus Kartendecks ziehen, Stichproben interpretieren... Alles nur reine Schikane?
| Dominik Schiffer |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Gery Wibowo | Unsplash

Teil 3: Wie man einen Dino besiegt…

Jedes Studienfach hat es. Dieses eine Modul. Das Modul, wo die Spreu vom Weizen getrennt wird, wo ausgesiebt wird, das Angst und Schrecken verbreitet und schlaflose Nächte garantiert. Bei den Landschaftsökologen ist es Chemie, bei den Informatikern Elektrotechnik, bei mehreren anderen das Graecum oder das Hebraicum. In der Psychologie ist es Statistik.

Das wusste ich natürlich vorher, hatte es aber im ersten Semester erfolgreich verdrängt. Ich war nie besonders gut in Mathematik. Gerade die Bereiche, die sehr abstrakt waren (Matrizen oder Integrale zum Beispiel), waren eine mühselige Angelegenheit. Noch dazu hatte ich seit der Schulzeit absolut nichts mehr mit Mathematik am Hut gehabt, in Geschichte und Skandinavistik kommt man sehr gut daran vorbei. So war ich nicht besonders erpicht darauf, die Studienbriefe zu beginnen, aber es half ja nichts.

Statistik in der Psychologie

Statistik ist in der Psychologie klassischerweise in zwei Bereiche unterteilt: die deskriptive Statistik, in der erhobene Daten aussagekräftig aufgearbeitet werden und die Inferenzstatistik, die sich mit der Modellierung von mathematischen Modellen und dem Schlussfolgern aus Stichproben beschäftigt. Die deskriptive Statistik könnte beispielsweise zum Einsatz kommen, wenn man darstellen möchte, welche der zwanzig Filialen eines Unternehmens jeweils wie viel Anteil am Jahresumsatz der gesamten Kette hatte. Mit der Inferenzstatistik kann man hingegen prüfen, welchen prozentualen Einfluss das Geschlecht oder die Bildung auf den Jahreslohn einer Person haben. Da diese Daten für alle Deutschen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu beschaffen wären, bedient man sich einer repräsentativen Stichprobe. Auch ihre optimale Größe zu berechnen lernt man in der Inferenzstatistik, denn umso größer ist nicht gleichbedeutend mit umso besser. Manche Hochschulen prüfen diese beiden Statistikbereiche gleich in einer Klausur ab, manche in zweien, wie bei mir.

Vom Beschreiben

Deskriptive Statistik hat den Vorteil, einen sehr deutlichen Anwendungsbezug zu haben. Selbst in der Wahrscheinlichkeitsrechnung (ja, mal wieder verschiedenfarbige Kugeln aus Urnen ziehen) sind die Fragen und Beispiele sehr greifbar. Das bedeutet aber nicht, dass der Stoff sich ohne Weiteres lernt. Ich hatte schon befürchtet, dass es mir nicht leichtfallen würde; darum habe ich begonnen, sobald meine Studienbriefe da waren. Das war circa drei Monate vor Semesterbeginn. Dann habe ich jede Woche gelernt, wieder und wieder. Ich habe über Übungsaufgaben gebrütet und war mehrfach versucht, die Materialien an die Wand zu schleudern. Dann habe ich mich wieder hingesetzt und gelernt. Ich habe es so lange wiederholt, bis es sich eingebrannt hatte. Darum würde ich nicht sagen, dass ich ein tiefes Verständnis für die Materie entwickelt habe, aber zumindest genug, um die erste Klausur zu bestehen.

Vom Schlussfolgern

Von diesem Erfolg beflügelt, habe ich mich dann an die Inferenzstatistik begeben… Und wäre erneut fast verzweifelt. Zwar hat auch diese einen deutlichen Anwendungsbezug (schließlich werden mit ihrer Hilfe wissenschaftliche Studien erstellt), aber alles in allem ist sie viel abstrakter. Es geht um Theorien; um Annahmen; um Korrekturen von Werten, die man in der deskriptiven Statistik als absolut wahrgenommen hatte; um verschiedene Verteilungsformen und ihre Auswirkungen und das alles mit Formeln und Sätzen, die ich anfangs dachte, nie verstehen zu können. Zudem wird in der Inferenzstatistik nicht mehr so viel gerechnet, dafür sehr viel interpretiert. Gab es in der deskriptiven Statistik noch Formeln, bei denen mir schlecht werden wollte, waren es hier die mathematisch exakt zu formulierenden Antwortsätze. Auch hierfür habe ich lange und teilweise bis zur Erschöpfung gelernt, auch hier lief die Klausur dann erfreulicherweise gut.

Und was hat es gebracht?

Die Frage ist natürlich, was von so einem Modul am Ende bleibt. Einmal sicher die Erkenntnis, dass man sogar das lernen kann, was einem nicht so sehr liegt wie andere Themen. Auch die Erfahrung, sich trotz großer Schwierigkeiten und Rückschläge durchgebissen zu haben, gibt dem Selbstbewusstsein einen positiven Schub für das weitere Studium. Ich empfehle jeder und jedem: Fangt möglichst früh an und lernt kontinuierlich, es ist zu schaffen!

Dennoch: So richtig erwärmen kann ich mich für die Materie immer noch nicht. Aber zumindest bin ich ein wenig fasziniert davon, wie man Teile unserer Welt in Zahlen fassen kann. Nun ist das Nadelöhr also passiert, mit einem großen Stein weniger auf dem Herzen geht mein Studium (und dieser Blog) weiter.

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Dominik Schiffer

Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.

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