Kultur und Medien / Musik

Ghost BC live – Ein etwas anderes Konzert

Der Kulturtipp für April
| Michael Cremann |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Michael Cremann

Wenn man den Begriff „satanische Musik“ hört, denkt man gleich an Heavy Metal, an fies bemahlte Männer mit langen Haaren und einem Klang, „als hätte man einen wütenden Russen, der in deinem Einkaufswagen sitzt, in einen Industrieventilator geschubst“ (Dank an Michael Goehre). Vielleicht kommt einem auch ein lallender Opa, der sonnenbebrillt Fledermausköpfe abbeißt, in den Sinn.

Ghost BC aber sind zwar satanisch und auch Metal, doch sie haben wenig mit Einkaufswagen und Ventilatoren gemein. Ein, besonders klanglicher, Einfluss des lallenden Opas ist aber nicht zu leugnen. Groovig, rockig und melodisch kommen die schwedischen Musiker daher. Eingängige Melodien und zum mitsingen zwingende Refrains lassen fröhliche, unbeschwerte Texte vermuten. Doch genau hier schlägt der Metal voll zu. Allein die Zeile „This Chapel of Ritual smells of dead human sacrifices from the altar Bed“ zeigt, dass gerade in den Texten eine – wenn auch ironische – satanische Botschaft inne wohnt.

Wie exzentrisch diese Band ist, zeigt sich besonders in dem Konzert, das ich am 05.04.2017 im E-Werk in Köln erleben durfte. Nachdem die Vorband abgefrühstückt war, lies man einen katholischen Choral aus dem Off erklingen, während drei Rowdies mit den respektvollen Bewegungen von Messdienern die Bühne umbauten. Erst nach Ablauf des vollständigen – gefühlt halbstündigen – Chorals betrat die Band die Bühne.

Schlagzeuger, Keyboarder, Bassist und beide Gitarristen tragen immer vollends schwarze Anzüge und goldene, exakt gleiche Teufelsmasken ohne Mund; dies macht sie zu den sogenannten „nameless ghuls“. Der Sänger aber kleidet sich mit einer schwarzen Robe, die an katholische Priester, Bischöfe, sogar den Papst erinnert. Passend dazu nennt er sich auch Papa Emeritus III (Emeretierter Papst), schmückt aber seine Mitra und seine Robe, statt mit Kreuzen mit den Zeichen der Band. Sein Gesicht ist gemschinkt wie ein Totenkopf und die Augen sind mit einer weißen und einer schwarzen Kontaktlinse ausgestattet, was ihm ein wirklich gruseliges Aussehen verleiht.

Das Konzert beginnt mit dem recht neuen, beinahe poppigen Lied „Square Hammer“. Dadurch wird man direkt vom Groove der Musik gepackt und kann nicht anders, als schon den zweiten Refrain mitzusingen. Papa Emeritus III hat das Publikum sofort in seiner Hand: Er animiert mit tänzerischem, beinahe femininem Gebaren, das Publikum nach jedem Solo, dem jeweiligen Musiker zu ablaudieren.

Nach einer ausgewogenen, gut abgestimmten Folge von Songs aus allen vier Alben der Band, wechselt der Sänger in einen geradezu legeren Frack, um das Konzert seinem Höhepunkt, den Liedern „Year Zero“ und „Ritual“ zuzuführen. Spätestens hier grölt das Publikum so laut es kann jedes Wort mit. Nur beim Kehrvers „Hail Satan“ reicht das Selbstbewusstsein mancher nicht mehr aus, ihre ganze Stimmgewalt einzusetzen.

Ein kleines Intermezzo in Richtung des wirklichen „heavy“ Metal in Form des Liedes „Mummy Dust“ regt den Kutte tragenden Anteil des Publikums an zu „tanzen“. Um schwerere Verwerfungen zu vermeiden, bremst die Band das Publikum dann aber mit „Ghuleh/Zombie Queen“ in wunderbar tragender Weise.

Nach dem vermeintlich letzten Lied spricht der Sänger, keck auf die Monitorbox drapiert, mit dem Publikum über die Angewohnheit der Band ihre Konzerte immer mit „Monstrance Clock“ zu beschließen. Er lässt nicht gelten das dies langweilig sei, sondern beschreibt ein Ghost Konzert als einen Orgasmus, der sich zwar auch immer mit dem gleichen, aber eben in keinster Weise langweiligen Höhepunkt beschließt. Daraufhin stimmt das Publikum Monstrance Clock an und beschließt damit den Abend würdig.

Trotz, oder gerade wegen der merklichen Routine der Band, brachte sie den Spaß, den ihnen ihre Musik bereitet ungebremst auf das Publikum nieder. Die Professionalität, ja Perfektion des Abens führte zu einem großartigen Konzerterlebnis.

Ghost BC live ist ein Konzert, dass dich, besonders wenn du die Texte kennst, in sich aufnimmt und am Ende des Abends ohne Stimme aber mit einer recht unchristlichen Begeisterung und einem seeligen Lächeln wieder entlässt. Eine echte Empfehlung auch für jene, die der metallischen Musik sonst weniger zugetan sind!

Titelbild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ghost_Getaway_Rock_Festival.jpg

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Michael Cremann

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