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Faire Klamotten – Wie geht das?

Unter seinem Label Protecting Colours bietet Joshua Gebhard faire Pullis, Shirts, Zipper und mehr an. Wir haben nachgefragt, was es mit damit auf sich hat.
| Michael Cremann |

Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Michael Cremann

Unter seinem Label Protecting Colours bietet Joshua Gebhard faire Pullis, Shirts, Zipper und mehr an. Joshua hat soziale Arbeit studiert und ist jetzt Leiter eines Jugendheimes bei Münster – nebenbei verkauft er faire Kleidung über seinen neuen online Shop. Wir von seitenwaelzer wollten wissen, wie er auf die Idee gekommen ist und was es mit fairen Klamotten überhaupt auf sich hat.

seitenwaelzer: Wie bist du auf die Idee gekommen, faire Klamotten mit coolen Drucken anzubieten?

Es ist schwierig, faire Kleidung zu bezahlbaren Preisen zu finden. Es gibt mehrere Fair-Trade-Bio-Läden, aber 120 € für ’nen Pulli zu bezahlen, nur weil es fair trade oder Bio-Baumwolle ist, ist halt echt teuer. Deswegen habe ich gesagt: Dann mache ich das eben einfach selber. Es ist nicht so, dass diese Läden nicht durchaus ihre Berechtigung haben, aber viele Leute können sich das einfach nicht leisten.

Kunst zu verkaufen ist sowieso schwierig und deswegen hab‘ ich das einfach kombiniert: Ich kaufe die Rohlinge (also die unbedruckte Kleidung) ein und mache meine Ananas vorne, mein Logo hinten drauf. Das biete ich für 40 € an, alles fair trade und Bio-Baumwolle.

Das Ding ist nur, ich bin als Endverkäufer nicht zertifiziert und darf das Ganze glaube ich nur als “fair-wear” bezeichnen. Sonst kommen Lizenzgebühren und keine Ahnung was dazu, das würde das ganze Ding halt wieder teurer machen. Mir geht es vor allem darum, dass die Klamotten nicht für 2,71 € die Stunde produziert werden.

seitenwaelzer: Wo holst du die Sachen dann her?

Ich lasse das hier alles in Münster produzieren, bei Homesick.

Andere Firmen lassen ihre Sachen immer mit Paketboten verschicken und keine Ahnung wo drucken. “Wähh! Das ja irgendwie auch kacke.” Weißte, die haben quasi zwei Straßen weiter ihr Büro und ich kann es nicht abholen oder irgendwas. Jetzt bin ich bei einem anderen Label, hier direkt nebenan. Da drucken die auch. Und sie benutzen nur Fair-Trade-Rohlinge und wasserbasierte Farben.
Da kriegst du ’nen Katalog und kannst dir aussuchen, welche Schnittmuster und keine Ahnung was alles. Das ist zwar relativ teuer, wenn du wenig bestellst, aber ich kann auch nicht 8.000 Pullover bestellen…

seitenwaelzer:  Also bleibt alles in Münster. Und die Pullis beziehen die von – ?

Von diesem Hersteller, von Continental, und die lassen fair trade produzieren, aus Bio-Baumwolle und importieren die Sachen dann. Ich hatte davor erst die grauen Pullover, die noch günstiger waren. Die habe ich für 25 € verkauft und sogar noch Gewinn gemacht. Das Problem war: Das erste Mal sind die geil, dann wäschst du die zweimal und dann wird aus dem XL Pulli nur noch M. Das kann man machen – du verkaufst mehr, weil es günstiger ist – aber die Qualität ist halt scheiße.

Deswegen hab‘ ich gesagt: Lieber was teurer und hohe Qualität. 40 € finde ich geht immer noch klar, für das, was du hinterher bekommst. Wenn du zu H&M gehst oder so, zahlst du auch 40-50 €. Ich finde, lieber günstig verkaufen – ich mache nicht so viel Gewinn – dafür sollten sich viel mehr Leute überlegen, ob sie nicht lieber fair produzierte Klamotten anziehen wollen.

seitenwaelzer:  Was hast du denn im Moment im Sortiment?

Zum einen Zipper und Hoodies. Eigentlich wollte ich nur zwei, also schwarz und grau, machen – jetzt habe ich auch noch rot und dunkelblau mit drin, mit weißem und mit schwarzem Druck. Und weiße, schwarze und rote Shirts. Und seit Kurzem noch die Beanies. Und die Schlüsselanhänger aus alten Skateboarddecks, die ich irgendwann mal selbst gemacht hab‘.

seitenwaelzer: Wie hast du die Sachen vertrieben, bevor du den Shop aufgemacht hast?

Mundpropaganda, dazu Facebook, Instagram – irgendwie Photos hochgeladen. Es sind mittlerweile über 160 Textilien, die ich verkauft habe und die um die ganze Welt gegangen sind. Von Neuseeland bis Edinburgh und keine Ahnung was. Das ist schon geil, wenn die Leute dir Photos schicken und du die auch noch hochladen kannst!

seitenwaelzer: Wie bist du auf die Ananas gekommen?

Die ist tatsächlich aus 2013, da habe ich die das erste Mal so gemalt. Und dann immer wieder am Motiv gefeilt. Vielleicht ist das ein bisschen die Hommage an die Zeit, die ich im Ausland verbracht hab – zweieinhalb Jahre auf Sri Lanka.

Ich fand es ’nen bisschen schade, dass genau dann dieser Ananas- und Gemüse- oder Obst-Hype kam, von H&M so, als ich gerade das Motiv fertig hatte. Ich dachte mir so: Ja geil – jetzt denken alle, du hast es da abgeguckt. Aber eigentlich gab es das Motiv schon viel früher. Aber joa, ist halt so, hätte vielleicht auch was Anderes sein können.

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Was halt auch krass ist: ich war jetzt nochmal 4 Wochen in Indonesien. Dieses Thema Nachhaltigkeit ist: Als Mitteleuropäer kann man sich das leisten, faire Klamotten zu beziehen und Nachhaltigkeit nicht nach ganz hinten zu schieben. Es ist schon krass ist, wie die Leute da leben. Man denkt, das ist mega das Paradies – dann bist du da am Strand und alles ist voll mit Müll und Plastikscheiß und so. Und da tragen wir auch ’nen wesentlichen Teil bei, dass das da so kacke ist. Die nähen ja die ganzen günstigen Shirts. Ich hab‘ die Fabriken gesehen – das ist halt wirklich echt scheiße da.

seitenwaelzer: Also bewegt dich das Thema Nachhaltigkeit dazu, diese Kleidung zu verkaufen?

Wenn du hier in den Supermarkt gehst und geschälte Ananas in Plastiktüten kaufst, ja komm – das muss echt nicht sein. Es war die ganze Zeit die Überlegung, irgendwie muss es doch auch ’nen Weg geben, dass du das auch bei deinen Klamotten umsetzen kannst. Du willst ja nicht immer so ’ne Chemie- und Kinderarbeitsscheiße anziehen.

Irgendwann verdrängt man das, aber du hast ja trotzdem Geld dafür ausgegeben und irgendwer leidet ja darunter, weil er halt seinen Teil vom Kuchen nicht abbekommt. Mein Shop ist ja schon ’nen Beispiel dafür, dass es auch geht, dass man faire Klamotten günstig anbieten kann. Du darfst dir halt nicht das größte Stück vom Kuchen nehmen!

seitenwaelzer: Siehst du denn jetzt in Zukunft noch mehr Klamotten von dir kommen? Hosen, Socken, Unterhosen?

Ich denke, ich werde es erstmal auf Zipper und Hoodies und Shirts und Beanies beschränken. Denn das ist schon noch immens viel mehr Arbeit mit Hosen. Und wenn, dann müssten’s Jogginghosen sein, da hast du so ’nen unisex Schnitt, das ist einfacher. Dann stellt sich die Frage: Bietest du auch Übergrößen? Und so weiter.

Da musst du schon mit ’nem Vollzeitjob rechnen. Gerade bin ich ja wieder Sozialarbeiter und mache das alles nebenher. Das ist auch ’nen Grund, warum es so günstig sein kann, weil ich nicht davon leben muss.

seitenwaelzer: Du organisierst das komplett in deiner Freizeit?

Lagere das selber, verschicke das selber, hab‘ die Website und den Shop alles selber gemacht.

seitenwaelzer: Also eine One-Man-Show, auch um Kosten zu sparen?

Genau, das ist auch bewusst so. Dazu die Abholfunktion aus dem Shop, dass man sich die 4-7 € Versandkosten spart. Dieses: “Ich bestell‘ mal kurz online,  probier’ 25 Sachen an und schick‘ alle wieder zurück, weil es doch nicht gepasst hat.” Da denke ich mir auch: “Ey, dann geh halt in die Stadt und probier’s an!” Die Abholfunktion bietet einfach die Möglichkeit, diesem Bestellwahn entgegenzuwirken.

seitenwaelzer: Das heißt man kann zu dir ins Atelier kommen und anprobieren?

Ja, prinzipiell ist es am einfachsten. Bevor ich den Onlineshop hatte, musste ich mir immer so Zettelchen schreiben, was ich wie viel in welcher Größe da hab‘ und dann konnte man das anprobieren. Aber jetzt ist das halt alles mit Größen und Produktanzahl in diesem Onlineshop. Deswegen ist es am einfachsten, wenn man quasi da bestellt und das dann abholen kommt. Wenn du dann sagst: “Ich will’s doch lieber ne Nummer größer”, dann kann ich das halt einfacher ändern, als wenn man mir schreibt: “Ich möchte gerne das und das haben.” – Zettelchen und Onlineshop, beides funktioniert nicht. Dafür habe ich nicht so viel Zeit und Geld investiert, um diesen Shop fertig zu haben.

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seitenwaelzer: Wie bist du an den Shop gekommen?

Das ist so nen Baukasten-Ding. Die Website bauen ist das eine, aber dich damit auseinanderzusetzen, wie du du deine Produkte kennzeichnen musst, das ist was anderes. Und deine Rechtstexte: Wer haftet nachher dafür? Bist du dir wirklich sicher, ob du das machen möchtest?

Ich bezahle nicht für mein Marketing, ich mache lieber ’ne Verlosung, statt mir likes aus sonstwo zu kaufen. Nen Beitrag mit 20 € pro Tag zu bewerben, damit überhaupt erstmal die Leute, die deine Seite geliked haben, das sehen, finde ich halt auch uncool.

Lies auch: Warum Nachhaltigkeit manchmal schwierig ist, aber trotzdem in den Alltag eingebaut werden kann

Dann kommt noch die Suchmaschinenoptimierung, da kannst du so viel Kohle verbrennen. Da bekommst du likes aus Indonesien, das bringt dir halt nichts. Ich muss kein Influencer oder keine Ahnung was sein, dann sind’s halt nur 300 Follower, aber das sind halt auch die, die es interessiert.

seitenwaelzer: Willst du denn auch ins Ausland verschicken?

Tatsächlich will ich mich erstmal auf den deutschen Markt oder den kleinen europäischen Markt beschränken.

seitenwaelzer: Das heißt die Deutschen nehmen deine Sachen mit in die weite Welt?

Ja, das waren Leute, die es bestellt haben und es dann mit auf ihre Reise genommen haben. Ich habe diese Bilder in meiner Around the World Galerie gesammelt, auf der Website. Das ist das Ding: Das liegt halt am Rohling an sich, an dem Textil, das geil verarbeitet und robust ist und du es überall mit hinnehmen kannst.

seitenwaelzer: Wohin verschickst du deine Ware jetzt also?

Joa, es ginge schon überall hin. Also mich hat jemand gefragt, ob ich auch nach Neuseeland verschicke. Aber das sprengt halt den Rahmen. Du zahlst 40€ für den Pulli und 30€ Versand. Das ist nicht der Sinn der Sache. Du solltest fair produzierte Sachen, mit einem so kleinen grünen Fußabdruck eher abholen kommen, anstatt das nochmal zwei Wochen in ein Schiff zu packen, damit das auf die andere Seite der Welt kommt.

Ich werde da jetzt mit Sicherheit nicht reich von, außer ich mache so riesige Werbe-Propaganda-Dinger. Aber dafür, dass ich wirklich bei Null angefangen  und niemanden dafür bezahlt hab‘, irgendwie meine Seite zu liken oder so, bin ich schon recht weit. Ich frag’ lieber irgendjemanden:  “Ey, kannst du vielleicht mal deine Facebookfreunde einladen?” Das geht ja alles, dass die dann meine Seite liken. Mundpropaganda sozusagen.

Ich hatte auch den Vorteil, dass ich angefangen habe, als ich noch in der Fachschaft war und in der Fachhochschule. Sodass das mit den Erstis – Ey wo hast du das Ding her? – so ’nen Selbstläufer war. Es wird auch so bleiben, dass ich keinen Bock drauf habe, da hunderte von Euros rein zu stecken. Ich will auch gar nicht so ’ne riesen Firma draus machen. Dann kannst du das nicht mehr steuern. Je größer du wirst, desto mehr musst du auch für die Klamotten nehmen, damit es sich selbst finanziert.

seitenwaelzer: Also im Moment trägt es sich im Endeffekt selbst und das war es?

Genau. Und das war ja auch der Gedanke dahinter. Ich hätte die Klamotten bestimmt auch für 60€ oder 70€ verkaufen können. Dann brauchst‘ halt länger, um mehr zu verkaufen, aber hast dann auch 60% mehr Gewinn. Aber das will ich ja gar nicht. Mir reicht das, wenn ich 5-6€ Gewinn mache. So dass es meinen Lohn, dass ich das selbst lagere, abhole, das Design entwickelt, mich mit diesem ganzen Onlineshop-Scheiß rumgeärgert hab‘, deckt.

Dieses Verschicken mit der Post ist auch noch so ’ne Sache. Du brauchst Versandmaterial. Man denkt so, man macht das mal kurz… aber irgendwas ist halt immer. Du denkst, Selbstständigkeit ist geil – aber du musst halt immer irgendwas machen.

seitenwaelzer: Es ist also doch immer etwas zu tun?

Onlineshop ist fertig. Dann kommen vor Weihnachten nochmal Bestellungen rein. Und wenn du im Urlaub bist, was machst du dann? Du musst da irgendwie gucken. Die Leute haben ja dafür bezahlt. Die wollen ja was haben. Man muss sich das schon gut überlegen. Bis jetzt bereue ich es noch nicht: Das ist so mein Beitrag für die Nachhaltigkeit.

Jeder kann selber entscheiden, ob er irgendwie Bio-Sachen kauft oder nicht oder wie er sich ernährt. Aber das war so mein Test, wie das mit Nachhaltigkeit und fair produzierten Klamotten laufen kann. Und es funktioniert ja offensichtlich. Und jetzt gucke ich mal, wie lange das geht. Und wann ich das nächste Motiv raus bringe. Ich würde gerne mehr machen, aber es ist halt gerade zeitlich schwierig.


Wenn du dich für Protecting-Colours interessierst oder nur die „Arround the World“-Galerie sichten willst, schau doch einfach mal im Shop vorbei:

www.protecting-colours.com

Oder besuche Josh auf Instragram und Facebook:

https://www.instagram.com/protecting_colours/

https://www.facebook.com/protectingcolours.1/

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Ist meist dort zu finden wo die laute Musik für andere klingt wie ein Autounfall. Wirbt Geld für den Guten Zweck ein oder gibt Führungen durch Münsters Ruine Nummer eins. Dazu wird noch getanzt und wenn dann noch Zeit ist, Geschichte und Archäologie studiert.

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