„I think it’s time to go to hell!“ – Konzertbericht „The Pretty Reckless“
The Pretty Reckless rockten Münster, ein Konzert, das mich komplett umgehauen hat: Manchmal sanft, manchmal rau und in auf jeden Fall eine Erfahrung.
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Als wir abends um halb sieben am Skaters Palace in Münster ankamen, bereuten wir sofort, nicht doch eine Stunde eher losgefahren zu sein. Vom Eingang aus wand sich die Schlange der wartenden „The-Pretty-Reckless“-Fans bereits um die halbe, von oben bis unten mit Graffiti besprühte Skatehalle. Auf dutzenden T-Shirts und Pullovern prangte der Schriftzug der Band oder blickte uns das Gesicht der jungen Sängerin entgegen, während wir um das Gebäude liefen, um uns ganz hinten anzustellen.
Pünktlich um 19 Uhr bewegte sich die Schlange nach vorne und wir wurden in das Skaters Palace eingelassen, wo ein Viertel der Besucher direkt die Bar ansteuerte, um sich mit Bier einzudecken, ein Viertel sofort zur Toilette rannte, ein Viertel zum Merchandising-Stand hetzte, um signierte CDs oder T-Shirts und Pullover zu kaufen, während das letzte Viertel sich bereits vor die Bühne drängelte, wo erstmal weiter gewartet wurde.
Nach und nach füllte sich die Halle und die Fans drängten sich immer enger aneinander, wodurch es schnell sehr warm und stickig wurde und die ersten Fans in dicken Pullis anfingen, einen sehr markanten Duft zu verströmen. Trotzdem gab es weiterhin Gruppen-Kuscheln, das sogar noch heftiger wurde, als nach weiterem Warten endlich um 20 Uhr das Licht ausging und die Vorband „The Cruel Knives“ die Bühne betrat. Der Gitarrist der Band steckte das Kabel in seine E-Gitarre und die Memmen vor uns steckten sich Ohrenstöpsel in die Ohren. Im nächsten Moment ließen auch schon der Rhythmus des Schlagzeugs und der Bass den Boden vibrieren während uns die Gitarre in die Ohren kreischte. Eine halbe Stunde lang rockten „The Cruel Knives“ die Bühne und sorgten mit Songs wie „Itch“ oder „Kill The Messenger“ schon einmal für eine ordentlich angeheizte Stimmung, bevor sie trotz lautstarken Jubels und Geklatsche die Bühne verließen und diese anschließend für die Hauptband umbauten.
„The Pretty Reckless“ ließen allerdings noch eine ganze Weile auf sich warten, sodass viele die Gelegenheit nutzten, um sich noch mit Getränken zu versorgen oder rauchen zu gehen. Wer Letzteres allerdings in der Skatehalle und nicht außerhalb tat, musste damit rechnen dass sich sofort jemand von der Security in die Menge stürzte, um demjenigen Zigarette oder Joint aus dem Mund zu reißen, was für einige empörte oder verdutzte Gesichter sorgte und zur Belustigung der Umstehenden beitrug.
Schließlich kam eine halbe Stunde später plötzlich Unruhe in die Menge der Fans, als der Gitarrist der Hauptband am Rand der Bühne auftauchte. Dort prüfte er erst noch einmal die Einstellungen seiner E-Gitarre, bevor er die Rampe neben der Bühne hinunter zu den nun jubelnden, kreischenden und drängelnden Fans lief und dort begann, einige seiner mit dem Logo und Schriftzug der Band bedruckten Plektren zu verteilen. Nach weiterem Warten gesellten sich auch Bassist und Schlagzeuger auf die Bühne, sodass nur noch Schauspielerin und Sängerin Taylor Momsen fehlte. Diese marschierte allerdings nur wenige Minuten später unter dem Gekreische ihrer Fans mit wehendem schwarzen Ledermantel auf die Bühne. Noch während sie zum Mikrofon lief, begann der Rest der Band auch schon mit dem Intro des ersten Songs „Follow Me Down“, bei dem die Menge sofort von den Gitarrenriffs mitgerissen wurde und im Takt des Schlagzeugs mitklatschte.
Wieder einmal liefen die Vibrationen des Basses und des Schlagzeugs durch den Hallenboden und unsere Körper, während man um uns herum begann lauthals mitzusingen. Die Band wusste wirklich, wie man eine Menge mitreißen kann, so wurden sowohl Songs des neuesten Albums, als auch des Vorherigen bis zum allerersten Song, den die Band je schrieb („Make Me Wanna Die“) gespielt, Pausen innerhalb der Songs in die Länge gezogen, um uns auf die Folter zu spannen und lange Soli eingebaut. Bei „Prisoner“ und „Heaven Knows“ bat Taylor Momsen „Monster“ (gemeint war Münster) direkt, sie mit kräftigem Gesang und Geklatsche zu unterstützen (anders wirken und funktionieren die Songs einfach nicht). Eine Bitte, der alle natürlich sofort mit Freude nachkamen. Der Bass wurde immer lauter und drückender, das Gedrängel um uns herum immer stärker und der ein oder andere Geruch immer penetranter, und doch genossen wir jede Sekunde des Konzerts, egal ob die Songs sehr rockig waren wie „Sweet Things“ oder „Going to Hell“ oder eher ruhig wie „Who You Selling For“.
Taylor Momsen beeindruckte wieder einmal mit ihrer erstaunlich kräftigen, manchmal sanften, manchmal rauen und rauchigen Stimme, die während einiger Songs bei ganz bestimmten Wörtern verzerrt wurde und durch den Raum hallte. Die Zugabe, der Song „Fucked Up World“ (ein Song, der laut Taylor Momsen zu jedem Ort passen würde), wurde durch ein langes Schlagzeugsolo um mehrere Minuten in die Länge gezogen, bevor das Konzert schließlich endete und die Bandmitglieder nicht nur ihre Programmzettel, sondern auch ihre verschwitzten Handtücher und letzten Plektren zwischen die Fans warfen, die sich natürlich sofort darauf stürzten und um alles balgten, was sie zu fassen bekamen. Als die Band die Bühne verlassen hatte, drängten erneut viele zu dem Merchandising-Stand, um entweder noch Fan-Artikel von „The Pretty Reckless“ oder aber von „The Cruel Knives“ zu kaufen, da letztere persönlich anwesend waren, um ihre Fan-Artikel und CDs zu verkaufen und auf Wunsch hin auch zu signieren.
Somit verließen wir das Skaters Palace zwar mit einem ordentlichen Rauschen, aber auch vielen guten Songs in den Ohren und hatten zusätzlich noch eine ziemlich gute, noch recht neue Band kennengelernt, auf die wir in der Zukunft noch gespannt sein dürfen.
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Ronja Thier
Hi, ich bin Ronja. Wenn ich nicht gerade wieder viel zu laut Musik höre und nach Konzertkarten suche, studiere ich Englisch und Geschichte an der Universität Münster. Hin und wieder schreibe ich Artikel für seitenwaelzer, bleibe dabei aber meinen Leidenschaften treu, weshalb ihr von mir vor allem Konzertberichte und Band-, Buch-, Film-, oder Serienempfehlungen lesen werdet.
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