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Mit Vollgas in die 60er-Jahre – Kinoreview „Le Mans 66“

Dieses rasante Rennen sollte man gesehen haben! Le Mans 66 hat Herz, Spannung, famose Auto-Action und ist grandios inszeniert.
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

©Le Mans 66 | 2019 Twentieth Century Fox

Zwei Vollgastypen in ihrem Element: Carroll Shelby (Matt Damon) & Ken Miles (Christian Bale).

Es gibt einen Punkt ab 7.000 Umdrehungen, bei dem alles andere verschwimmt. Das Auto jagt über die Straße, doch die Umgebung wird immer langsamer. Während jede Bewegung spürbar ist, zieht die Welt an einem vorbei. Nur man selbst und das Auto bleiben übrig.

Das Renn-Biopic von Regisseur James Mangold (Walk the Line, Todeszug nach Yuma & Logan) ist ein faszinierender Einblick in die Motorsportwelt der 1960er-Jahre geworden. Mit seinen 153 Minuten Laufzeit ist das Werk (OT: Ford v Ferrari) zwar ein ganz schönes Brett, lohnt sich aber definitiv! Der Streifen überzeugt mit seiner cleveren Geschichte, begeistert mit seinen genialen Darstellern und reißt mit seiner dynamischen Inszenierung einfach voll mit.

Le Mans 66 beginnt mit einem 24-Stunden-Rennen in Le Mans und wird auch mit einem solchen enden. Dazwischen erzählt der Film eine Geschichte. Eine Geschichte, in der Henry Ford II um jeden Preis Enzo Ferrari vom Thron stoßen möchte. Und dies in besagtem, prestigeträchtigem Rennen von Le Mans, Frankreich. Deshalb engagieren seine Manager dessen Ex-Sieger und Konstrukteur Carroll Shelby. Zusammen mit seinem Freund und Rennfahrer Ken Miles wird eine unmögliche Aufgabe angegangen: Sie wollen einen Ferrari schlagen – mit einem Ford! Dabei müssen beide gegen Widerstände aus allen Lagern kämpfen. Eine turbulente Zeit beginnt.

Selten schaffen es Filme mit so einer beträchtlichen Laufzeit ohne spürbare Längen durch das Ziel zu fahren. Le Mans 66 vollbringt dieses Kunststück, denn obwohl einige Szenen natürlich ausgelassen werden könnten, erscheint keine einzige wirklich überflüssig. Dies liegt vor allem an der spannenden Geschichte, welche geschickt zwischen Action (Rennen) und Charakteren (Entwicklung) wechselt. Figuren werden dem Publikum als Menschen nahe gebracht, deren Höhe- und Tiefpunkte man nicht nur miterlebt, sondern selbst mitfühlt.

Zudem gibt es unzählige Dinge zu entdecken, welchen den Zuschauer immer weiter auffordern, noch tiefer in das Werk einzutauchen. Alleine aufgrund seiner Details wird es sich lohnen, diesen Film mehrfach anzuschauen. Allerdings kommt er trotz seines Unterhaltungswerts nicht ganz an die Kurzweiligkeit anderer Vertreter von über 2 1/2 Stunden Laufzeit heran. Das Sitzfleisch spürt man am Ende schon ein wenig. Zudem – keine Spoiler – sorgt der Schluss aufgrund seiner wahren Begebenheit für einen faden Beigeschmack. Und eben jenen letzten Eindruck behält man verstärkt im Kopf.

©Le Mans 66 | 2019 Twentieth Century Fox Kerniger Charakter, großartige Performance: Christian Bale brilliert als Ken Miles.

Viele Filme leben von ihren Figuren, Le Mans 66 lebt seine Figuren und deren Emotionen. Allen voran steht dabei Christian Bale, der als Darsteller schon so einige Charaktere grandios verkörpert hat. Seien es nun reale Personen wie zuletzt US-Vizepräsident Dick Cheney (Vice), Romanfiguren namens Patrick Bateman (American Psycho) oder Batman alias Bruce Wayne (The Dark Knight-Trilogie).

Wirft Ken Miles, wutenbrannt über einen Paragraphenreiter, seinen Schraubenschlüssel durch die Gegend, spürt man einfach das Feuer in Bales Performance. Seine Rennlegende hat stets dreckige Hände und schert sich nicht um die Gedanken irgendwelcher Anzugträger. Miles schraubt an „seinem Mädchen“ und jagt voller Siegeswillen bis ins Ziel. Jene energetische, kernige Seite, welche von anderen oft als schwierig angesehen wird, personifiziert Bale genial. Zudem schafft er es, seiner Figur auch eine feine menschliche Note einzuhauchen. Besonders die Beziehung zu seinem Sohn ist liebevoll und seine Frau ist gefühlt seine beste Freundin. Miles kennt und schätzt seine Freunde, trotz gelegentlicher Auseinandersetzungen.

Abseits Bales herausragender Leistung sollen die weiteren, ebenfalls sehr starken Schauspieler, keinesfalls vergessen werden. Matt Damon begeistert als ehemaliger Rennfahrer Carroll Shelby und entwickelt eine tolle Dynamik mit Bale. So kommt es vor, dass beide sich erst wie Kinder auf dem Boden wälzen und danach eine Limonade trinken. Shelby ist zwar eindeutig der diplomatischere Typ des Duos, hält jedoch selten mit seiner Meinung hinter dem Berg. Seine Crew steht für ihn immer an erster Stelle.

Eine tragende Rolle übernimmt zudem Ehefrau Mollie Miles (Caitriona Balfe). Sie wahrt Kens Blick zur Realität und unterstützt trotzdem stets seinen Traum. Wenn sie ihren rasanten Mann mit seinen eigenen Waffen schlägt, gehört Balfe zu den heimlichen Stars. Ihre Darstellung als besorgte Frau und gleichzeitig beste Freundin des Rennfahrers hat mich wirklich tief beeindruckt!

Gegenspieler gibt es allerdings bereits im eigenen Team, so dass Henry Ford II (Tracy Letts) einige intensive Momente erhält und teilweise für und dann wieder gegen Miles und Shelby agiert. Deutlicher wird es bei seinen Speichelleckern, von denen Jon Bernthal zeitig ausgebootet wird. Leo Bebee (Josh Lucas) hingegen ist von Beginn an kein Freund des Nicht-Ford-Manns Miles und sabotiert mit schmierigem Grinsen dessen Arbeit. Eine gelungene Besetzung sowie Zielperson für das Publikum.

©Le Mans 66 | 2019 Twentieth Century Fox Hart schuftende Sieger unter sich.

Eines schafft Le Mans 66 ganz besonders gut: Der Film fängt den Zeitgeist der 60er-Jahre in all seinen Facetten auf. Von Gebäuden und Autos über Radios bis hin zu Klammoten und Musik – der Flair trieft aus jeder Pore!

Technisch bewegt sich der Streifen auf höchstem Niveau. Während der fantastischen Rennsequenzen ist die Kamera stets Herr des Geschehens. Aufgrund ihrer Nähe vermittelt sie dem Zuschauer das Gefühl, selbst im Auto zu sitzen. Sie gönnt uns Schwenks über und durch die Wagen und zeigt uns jeden Schweißtropfen hautnah. Diese Dynamik behält das Werk auch in seinen ruhigeren Szenen bei, so dass Dialoge angenehm frisch und wenig statisch wirken. Optisch wird das Ganze von einer sehr satten Bildfarbe abgerundet. Jeder Ferrari strahlt in leuchtendem Rot und Rennwagen bei Nacht versprühen die Magie eines flitzenden Glühwürmchens.

Der Sound ist ebenso kräftig wie die Farben. Jeder Motor röhrt mit voller Kraft vor sich hin, die Vibrationen sind für das Publikum quasi schon spürbar. Beim Score setzt der Film auf eine Mischung aus zeitgemäßer Musik, welche mit ihrem Jazz-Anteil für ordentlich Swing sorgt, und simplen, energetischen Klängen während der Rennen. Dies sorgt einerseits für Momente ruhiger Besinnung und andererseits für eine treibende Wirkung der Tracks – was jeweils ideal zum Streifen passt. Abseits der Strecke eignet sich der Score übrigens fabelhaft, etwa, um einen solchen Artikel zu verfassen.

Fazit

Le Mans 66 ist ein wilder, spaßiger und verdammt unterhaltsamer Ritt geworden. Ein spannendes Script erzählt eine Geschichte von außergewöhnlichen Figuren, welche von großartigen Schauspielern zum Leben erweckt werden. Die Rennsequenzen sind unfassbar packend, überall springt einem der Flair der 60er-Jahre entgegen und optisch sowie vom Sound rockt der Streifen richtig, richtig gut. Die Laufzeit von 153 Minuten geht rasant vorbei und sollte Motorsportfans und Filmfreunden gleichermaßen ein wahres Vergnügen sein.

8,5/10 Rennen in GT-40s und Ferraris.

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Daniel Rublack

… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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