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Willkommen im Hotel Flixbus

Vier europäische Städte für 99 Euro entdecken – inklusive Übernachtung? So ein Angebot des grünen Fernbusanbieters. Unser Autor Hardy probierte es aus.
| Hardy Monse |

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Hardy Monse

Nicht ganz wie auf den Werbefotos: Beulen auf der Stoßstange, Duct Tape auf einem Gepäckfach, ein mit Gepäckaufklebern zusammengeklebter Blendschutz, eine defekte Armlehne, eine ekelhafte Toilette mit Rissen auf der Brille sowie ein Spiegel mit zerbrochenem Plastik.

Europa zum Festpreis entdecken – Interrail macht es seit 1972 möglich. Was damals die einzige Möglichkeit war, halbwegs erschwinglich durch Europa zu reisen, ist in Zeiten von 10-Euro-Flügen nur noch eine von vielen Alternativen. Aber auch heutzutage reisen immer noch junge Leute mit dem Zug durch Europa, wie Seitenwaelzer-Gründer Robin vor fünf Jahren. Dieses Jahr dürfte Interrail zudem einen neuen Aufschwung bekommen haben, da erstmals 15.000 Interrail-Pässe an 18-jährige EU-Bürger*innen kostenlos verteilt wurden. Was zunächst ein Pilotprojekt ist, soll in den nächsten Jahren stark ausgebaut werden.

Seit knapp zwei Jahren bietet auch der Fernbusanbieter Flixbus Europareisen zum Pauschalpreis an: InterFlix nennt sich das Ganze. Was nach einer 1-zu-1-Kopie klingt, funktioniert aber doch ein wenig anders. Während es bei Interrail eine bestimmte Anzahl an Reisetagen innerhalb eines Zeitraumes gibt – etwa fünf Reisetage innerhalb von fünfzehn Tagen ab 208 Euro -, bekommt man bei Flixbus fünf Fahrten zum Festpreis von 99 Euro. Der Haken: Man darf nicht auf dem gleichen Weg zurückreisen, was für eine Rundreise aber nicht weiter stört. Außerdem müssen es Direktverbindungen sein. Geht die Reise noch günstiger? Ja, denn wer vier Städte je einen Tag lang besucht und nachts weiter in die nächste fährt, bekommt für unter hundert Euro einen kleinen Europatrip und kann sich dank der nächtlichen Busfahrten die Hotels sparen.

Und genau das war mein Plan: In den Semesterferien sollte es für meinen Freund und mich von Münster nach Paris gehen, von da aus weiter nach London, dann nach Amsterdam und nach einem Tag in Berlin schließlich zurück nach Münster. Um zumindest einmal während der Reise in einem vernünftigen Bett schlafen zu können, buchten wir noch ein billiges Hotel in London für zehn Pfund dazu. Sogar den Aufpreis von fünf Pfund für ein Zimmer mit Fenster gönnten wir uns – man lebt ja nur einmal. Nach der Hotelbuchung also schnell die Flixbus-Gutscheine einlösen, das einzige Problem war da nur: Wir bekamen 10 Gutscheine für die Fahrten, die alle in einzelnen Buchungen eingelöst werden mussten. Das Ganze kann man sich in etwa so unkompliziert wie die QISPOS-Klausuranmeldung vorstellen.

Tag 1: Paris

Halb zwei an einem Samstag, ein heruntergekommener Busbahnhof ohne Sitzbänke, umgeben von Leuten, die feiern gehen wollen: Mit einer Stunde Verspätung kommt der grüne Bus endlich in Münster an. Also schnell das Gepäck verladen, einen freien Sitz finden und schlafen. Nach einer guten Stunde gelang das schließlich, wenn auch nicht lange: Denn um kurz nach drei gab es eine Passkontrolle hinter der niederländischen Grenze. Danach ging es mit dem Schlaf aber ganz gut – zumindest für vier weitere Stunden, bis es wieder hell wurde. Als kleines Trostpflaster gab es dafür aber auch schöne Landschaften zu sehen. Um viertel nach neun kamen wir dann auch pünktlich in Paris an – trotz der anfänglichen Verspätung. Die Fahrt lief also insgesamt ganz gut, bis auf eine kleine Ausnahme: Wir saßen ganz hinten in der unteren Etage, also direkt vor dem WC. Welches zwar funktionierte, aber auch entsprechend roch: Nach ein paar Stunden ist man da aber abgestumpft, vielleicht hat der starke Chemiegeruch aber auch einfach meine Nase betäubt.

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Nach einer kleinen Stärkung ging es zum Louvre. Der ist sogar kostenlos für EU-Bürger*innen unter 26. Ein einzigartiges Museum, auch wenn die Selfiesticks vor der Mona Lisa natürlich nervten. Nach einem Besuch im botanischen Garten und einem Mittagessen fiel uns aber auf, dass wir noch gar nicht geduscht hatten. Also suchten wir ein Schwimmbad bei Google Maps raus, fuhren hin – und mussten erstmal eine halbe Stunde lang nach dem Eingang suchen. Eigentlich wollten wir nach dem Duschen auch noch ein, zwei Bahnen schwimmen, doch die Bademeisterin machte uns einen Strich durch die Rechnung: Mit langen Badehosen dürfe man nicht schwimmen, ohne Badekappen erst recht nicht – andere Länder, andere Sitten. Als letzten Stopp wollten wir eigentlich auch noch zum Eiffelturm fahren, der unübersichtliche Nahverkehr in Paris hatte aber andere Pläne für uns. Mit viel Rennerei waren wir dann gerade rechtzeitig am Busbahnhof, um von dort weiter in Richtung London zu fahren.

Meine Meinung zu der Stadt: etwas überschätzt. Für Kulturinteressierte sicher interessant, an sich reicht ein Tag dann aber auch. Die Stadt ist leider alles andere als sauber und ohne Französischkenntnisse ist die Kommunikation recht schwer.

Tag 2/3: London

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Hardy Monse

Der Bus nach London war von außen pfui – und von innen auch. Anscheinend hat dieser schon ein paar Zusammenstöße erlebt, aber dafür gibt es ja Duct Tape. Auch waren mehrere Sitzgurte defekt. Noch schlimmer war aber, dass der Fahrer nach zwei Stunden die Klimaanlage abschaltete. Es wurde stickig; mein Freund, der Asthmatiker ist, konnte nur noch schlecht atmen. Der Fahrer sprach leider kein Englisch, sodass ein anderer Fahrgast übersetzen musste. Danach war die Klimaanlage zwar wieder an, aber nur bis zum Eurotunnel. Während der gesamten Fahrt durch den Tunnel blieb die Klimaanlage aus; irgendwann wurde es so stickig, dass ich kaum noch wach bleiben konnte. Später wurden wir sogar orientierungslos und bekamen Halluzinationen, offenbar durch den Sauerstoffmangel. Als wäre das alles nicht genug, kam der Bus auch noch zwei Stunden zu früh in London an, sodass wir nicht erst um sechs, sondern schon um vier Uhr morgens ankamen. Möchte man während der Fahrt schlafen, ist das natürlich weniger gut, vor allem, wenn der Check-In des Hotels erst ab 15 Uhr beginnt. Also buchten wir einen früheren Check-In ab 12 Uhr dazu, trotzdem mussten wir irgendwie noch acht Stunden in London verbringen, im ständigen Kampf mit der Müdigkeit. Und um vier Uhr morgens ist auch in London nicht gerade viel los.

Mit der Bahn durch Europa – Ähnlich wie Interflix funktioniert Interrail. Lies Robins Bericht.

Mit viel Kaffee und Powernaps gingen aber auch die acht Stunden rum und wir konnten endlich ins Hotelzimmer. Das war auch das erste Mal auf der Reise, wo wir gut schlafen konnten – eigentlich fing London für uns erst nach dem Schlaf wirklich an. Wir standen zwar erst um 19 Uhr wieder auf, konnten dafür aber das Londoner Nachtleben kennenlernen, welches sich wirklich zu entdecken lohnt. Am zweiten Tag ging es nach Kew, zum wohl schönsten botanischen Garten Europas.

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Was übrigens in London echt toll ist, ist die Mobilität: Wer die U-Bahnen oder Busse nutzt, braucht keine Tickets mehr, denn eine NFC-Kreditkarte reicht aus. Einfach beim Ein- und Aussteigen in den Bus bzw. an den U-Bahn-Schranken vorhalten und durchgehen. Das ist nicht nur extrem einfach, sondern auch circa 50% günstiger als die normalen Tickets, die es an den Automaten gibt. Zudem gibt es ein wirklich günstiges Leihradsystem: Für nur zwei Pfund pro Tag können die Santander Cycles beliebig oft ausgeliehen werden, dafür aber nur maximal eine halbe Stunde lang; jede weitere halbe Stunde würde ebenfalls zwei Pfund kosten. Da es aber quasi überall in der Stadt Fahrradstationen gibt, kann das Fahrrad auch einfach innerhalb der 30 Minuten zurückgegeben und kurz darauf neu ausgeliehen werden. Das klappte auch recht gut, auch wenn der Linksverkehr natürlich etwas gewöhnungsbedürftig ist.

Was gibt es sonst noch zu London zu sagen? Eigentlich nicht viel. Diese Stadt hat eigentlich für alle Interessen etwas zu bieten, ist aber relativ teuer. Zumindest beim ersten Besuch fasziniert die Stadt auf jeden Fall.

Tag 4: Amsterdam

Hardy Monse

Die Fahrt nach Amsterdam war deutlich besser als die vorherige (was allerdings auch nicht allzu schwierig ist); auch der motivierte Fahrer konnte punkten: „I’ve brought some Reggae music, but no Ganja – haha. I hope you enjoy your ride“. Die Musik machte er dann wirklich an, aber leise genug, um gut schlafen zu können. Der einzige negative Punkt ist allerdings, dass Flixbus kurz vorher Sitzplatzreservierungen für diese Fahrt einführte und ein paar Fahrgäste so schon ihre Plätze reservieren konnten, während die meisten diese Möglichkeit nicht hatten und dann von ihren Plätzen vertrieben wurden. Dieses Mal ging es auch nicht durch den Tunnel, sondern mit der Fähre zum Festland. Das dauerte zwar länger, war aber deutlich entspannter, auch, weil man sich auf der Fähre die Beine vertreten kann und es auch ein – allerdings überteuertes – „Restaurant“ an Bord gibt. Halbwegs ausgeschlafen kamen wir dann in Amsterdam an. Als einzige Stadt kannten wir beide schon Amsterdam und fanden uns dementsprechend schnell zurecht. Das Duschen war in Amsterdam allerdings ein wenig kompliziert; das erste Bad, zu dem uns Google Maps navigiert hat, war nur für Kleinkinder, somit mussten wir zu einem anderen Bad fahren und verloren fast eine Stunde. Sonst haben wir an diesem Tag allerdings nicht mehr viel unternommen – nicht zuletzt wegen des Schlafmangels, der sich langsam bemerkbar machte.

Mein Urteil: Amsterdam ist einfach immer einen Besuch wert und hat auch mehr als nur Coffeeshops zu bieten. Wer diese Stadt noch nicht kennt, sollte ihr einfach mal eine Chance geben.

Tag 5: Berlin

Hardy Monse

Die Fahrt nach Berlin fiel weder negativ noch positiv auf. Obwohl wir vergleichsweise gut schlafen konnten, waren wir am letzten Tag der Reise einfach nur noch fertig. Vier Nächte im Bus machen dem Körper einfach zu schaffen, etwas Anstrengendes sollte man am letzten Tag nicht mehr einplanen. Also bummelten wir einfach durch die Stadt und den botanischen Garten, entschieden uns mittags dann aber doch spontan, schon nachmittags zurückzufahren. Es war einfach genug. Da wir so aber nur sieben Stunden in der Bundeshauptstadt hatten, hätte man sich diesen Tag, rückwirkend betrachtet, auch sparen können. Für ein Urteil waren wir zu kurz dort. Immerhin dauerte die letzte Fahrt nach Münster nur noch sechs Stunden, sodass das langersehnte Bett nicht mehr lange auf sich warten ließ.

Ist InterFlix also empfehlenswert?

Eher nicht – zumindest in der von uns genutzten Weise. Fünf Nächte im Bus sind einfach zu viel; um die Städte wirklich erleben zu können, reicht der Schlaf nicht aus. In London haben wir aber gesehen, dass es schon einen großen Unterschied machen kann, zwischendurch einmal im Hotel zu übernachten. Wer also in jeder Stadt mindestens zwei Tage verbringt, kann nicht nur deutlich mehr von den Städten sehen, sondern ist auch weniger müde. Wer allerdings gut im Bus schlafen kann oder einfach möglichst günstig reisen möchte, wird dieses Angebot vielleicht zu schätzen wissen.

Könnt ihr euch vorstellen, fünfmal im Bus zu übernachten? Schreibt es gerne in die Kommentare.

Lies auch: Wie man als Student günstig reisen kann? Zum Beispiel mit Couchsurfing. Amelie stellt euch das Konzept vor.

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Hardy Monse

...studiert Kommunikationswissenschaft und interessiert sich für Medien, nicht aber für Vorlesungen. Liebt elektronische Musik, Kichererbsenburger, Lamas und Couponing. Sollte niemals zu ernst genommen werden, da er zu Zynismus tendiert und ernst meint, was er sagt. Versucht aber, ein ganz Lieber zu sein.

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