Stimmt die Chemie für das Chemiestudium?
Hier bekommt ihr jetzt einen kleinen Einblick in den Alltag des Chemiestudiums und ein paar Antworten auf die häufigsten Fragen.
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Neben diesem schlechten Wortwitz höre ich auch andere Fragen über mein Studium immer und immer wieder. Deshalb bekommt ihr jetzt einen kleinen Einblick in den Alltag des Chemiestudiums.
Du fühlst dich beim Gedanken an Chemie wie ein Proton (also positiv) oder hast dich schon immer gefragt, was diese kitteltragenden Menschen eigentlich den ganzen Tag in ihrem Labor machen? Und warum sie auch im Hochsommer lange Hosen tragen? Du überlegst, ob du Lust hast Chemie zu studieren? Dann bist du hier richtig, denn ich verrate dir jetzt die Antworten zu den Top 5 Fragen an eine Chemiestudentin – ohne weitere Wortspiele, versprochen.
1. Der Klassiker unter den Studiumsfragen: Warum studierst du Chemie?
Klar, ich habe mich schon immer für Naturwissenschaften interessiert und in der Schule fand ich Chemie toll. Aber bei der Studienwahl war Chemie nur mein Plan B. Doch umso mehr ich darüber nachgedacht hab, umso mehr Lust hatte ich darauf. Also saß ich ein paar Monate nach meinem Abi zusammen mit 150 anderen Erstis in einem Hörsaal, an dessen Wand das Periodensystem der Elemente hing. Die Wand meiner ersten kleinen Wohnung dekorierte ich auch direkt mit einem Periodensystem-Poster. Da ahnte ich noch nicht, dass ich es kurze Zeit später auswendig können würde. Denn auch wenn die Naturwissenschaften meist die logischen Zusammenhänge beschreiben, auswendig lernen gehört zum Studium dazu. Doch mit Interesse für die Themen und der Bereitschaft, das gesamte Zimmer mit Plakaten von Formeln und Reaktionen voll zu hängen, ist das machbar. Außerdem lernt man neben der Theorie auch die praktische Arbeit und die findet im Labor statt. Und zum Thema Laborarbeit gehört direkt die nervigste Frage, die mir andere Studenten häufig stellen:
2. Hast du Lust, eine Woche nach Semesterbeginn in den Urlaub zu fahren?
Die nicht-Studenten unter euch mögen überrascht sein, aber die beste Zeit für Urlaub ist meist, wenn das Semester losgeht. Denn in den „Ferien“ – weniger utopisch „vorlesungsfreie Zeit“ genannt – werden die Klausuren geschrieben. Entsprechend könnte man zum Semesterbeginn nicht in die Vorlesungen gehen und erstmal gemütlich in Urlaub zu fahren. Allerdings geht das nicht als Chemiestudent, denn nahezu das gesamte Semester über finden Laborpratika statt. Hierbei werden Substanzen hergestellt, Messungen durchgeführt oder unbekannte Stoffe analysiert. Insbesondere im Bachelor-Studium stehen haufenweise verschiedene Versuche an. Und diese Experimente müssen immer bestanden werden, häufig gibt es hierfür auch Noten. Also ist die Laborarbeit genauso wichtig wie die Klausuren. Meist ist die Zeit allerdings knapp und dies führt schnell dazu, dass man 8 Stunden am Stück zwischen Erlenmeyerkolben, Heizplatte und Rückflusskühler verbringt. Aber damit nicht genug, schließlich muss jeder Labortag auch genauestens protokolliert werden, sodass die Abende mit dem Schreiben der Versuchsprotokolle gefüllt sind. Außerdem wird vor jedem neuen Experiment die zugehörige Theorie abgefragt. Klingt schrecklich? Ist es auch! Zwei Wochen mal freinehmen ist im Chemie-Studium nicht drin, unter der Woche feiern auch eher schwierig und Kaffee wird schnell der treuste Begleiter. Aber ich habe mein Periodensystem nicht nach dem ersten Semester mit Ethanol überschüttet und verbrannt, denn es gibt auch viele schöne Seiten an dem Studium und insbesondere an den Praktika.
Du sitzt nicht nur im Hörsaal und eignest dir trockenes Wissen an, sondern wendest das Gelernte in der Praxis an. Dadurch ergibt sich ein abwechslungsreicher Alltag. Außerdem ist es sehr faszinierend, wenn man sieht, dass die komplizierten Theorien wirklich funktionieren. Die Praktika finden häufig als Gruppenarbeiten statt, du musst das also nie alleine schaffen. Stattdessen stehst du jeden Tag mit deinen Kommilitonen im Labor und das sorgt dafür, dass du innerhalb kürzester Zeit deine Mitmenschen sehr gut kennst. In anderen Studiengängen begegnet man den anderen Studenten erstmal nur in der Vorlesung, aber ein Chemiker-Jahrgang ist direkt ein großes Team. Protokolle schreiben und Theorie lernen könnt ihr auch super zusammen, denn selbst die stressigste Nachtschicht ist zusammen schon wieder lustiger.
Kurz gesagt: ja, das Studium ist anstrengend, das solltest du dir klar machen. Mit Begeisterung für die Chemie ist es aber jeden Tag aufs Neue spannend und immer abwechslungsreich. Außerdem gibt es viele Praxiserfahrungen. Du brauchst auch keine Angst vor giftigen oder explosiven Substanzen haben, denn der sichere Umgang hiermit wird dir genau beigebracht. Und solltest du doch mal eine Phase haben, in der das Studium nicht so gut läuft, kannst du darauf vertrauen, dass deine Kommilitonen dir beistehen werden. Nicht zuletzt fühlst du dich super cool, wenn du das erste Mal in deinem Kittel mit der Schutzbrille auf der Nase in ein richtiges Labor kommst. Sollte dich das reizen, ist Chemie sicherlich eine gute Wahl für dich. Für manche Studenten erscheint aber auch eher Frage Nummer 3 motivierend…
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3. Kannst du Drogen kochen?
Ja, klar. Könnte ich. Die meisten synthetischen Drogen sind aus der Perspektive eines Chemikers keine wahnsinnig komplizierten Substanzen. Wir lernen Jahre lang, uns Synthesen zur Herstellung riesiger Moleküle zu überlegen und diese im Labor umzusetzen. Also ja, Chemiker können Drogen kochen. Diese Fähigkeit macht es aber nicht weniger illegal. Außerdem braucht man dafür alle möglichen Geräte und natürlich die Ausgansstoffe. Allerdings sind Substanzen, deren Verwendung in der Drogensynthese bekannt ist, meist nicht frei verkäuflich. Das Ganze wäre also ziemlich aufwendig. Außerdem hat das Studium eher einen gegenteiligen Effekt, denn Chemiker wissen, wie viel bei solchen Prozessen schief gehen kann. Schon eine kleine Unreinheit oder eine falsche Temperatur können zu anderen Produkten führen. Somit können kleine Experimente der heimischen Crystal-Meth-Herstellung schnell gefährlich werden.
4. Studieren eigentlich viele Frauen Chemie?
Frauen in naturwissenschaftlichen Studiengängen sind für viele Menschen (leider) immer noch etwas Besonderes. Im Bachelorstudium Chemie an RWTH Aachen gibt es dieses Semester fast doppelt so viele Männer wie Frauen. Die genauen Zahlen variieren natürlich je nach Jahr und Uni. Das klingt nach einem großen Unterschied, der mir während des Studiums aber nie so stark aufgefallen ist. In meinem Chemiker-Freundeskreis und meinen Lerngruppen war das Verhältnis immer sehr ausgeglichen. Natürlich war ich auch mal die einzige Frau in einem Arbeitskreis, aber selbst dann fällt dies nicht besonders auf. Das Verhältnis der Menschen untereinander ist allgemein sehr entspannt und vorurteilsfrei. Frauen mit Begeisterung für Chemie kann ich nur ermutigen, denn das Geschlecht sollte kein Grund für oder gegen ein naturwissenschaftliches Studium sein. Außerdem können wir diese lästige Frage nur loswerden, wenn es endlich normal wird, dass Frauen sich für Chemie interessieren.
5. Soll ich jetzt also Chemie studieren?
Insgesamt kann ich natürlich jedem und jeder nur empfehlen sich mit Chemie zu beschäftigen. Das Fach und die tägliche Arbeit sind sehr spannend und abwechslungsreich. Außerdem versteht man den Hintergrund von vielen Alltagsphänomenen. Die Einblicke in das Studium stammen aus meinem persönlichen Alltag an der RWTH Aachen, deine eigenen Erfahrungen können anders sein. Dennoch ist aber wichtig, sich klar zu sein, dass das Studium zeitaufwändig ist und auch sehr stressig sein kann. Hierbei helfen aber gute Laborpartner, Lerngruppen und Freunde. Wenn die Begeisterung und die Leidenschaft für Chemie vorhanden sind, lass dich also nicht aufhalten.
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Fortführende Links:
Chemie studieren: https://bit.ly/2ROUbnY
Infos der Gesellschaft Deutscher Chemiker: https://bit.ly/2tlbseV
Hinweis: Aus Gründen der Übersichtlichkeit verwende ich vorwiegend das generische Maskulinum. Natürlich sind hiermit alle Geschlechter angesprochen.
Daten: https://bit.ly/2ShfOT4
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Barbara Bong
Ich möchte den „Chemie-habe-ich-direkt-abgewählt-Menschen“ meine Liebe zur Chemie näher bringen. Weiterhin liebe ich Kaffee, Schokolade, Musik und natürlich das Schreiben, auch wenn ich im Hochdeutsch oft Wörter vermisse, denn nichts beschreibt einen Pfirsich passender als Plüschprumm („Plüsch-Pflaume“). Außerdem träume ich von einem blauen Hausboot und einem Miniatur-Elefanten als Haus(boot)tier.
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Hallo,
meine Tochter ist gerade im 2. Semester Chemie in Freiburg und ist gerade total fertig von dem Zeitaufwand und der Arbeitsmenge. An 3 Tagen mind. ist sie von 8 – 18 Uhr an der Uni, plus Protokolle, Arbeitsblätter usw. Aber das kommt dir sicher bekannt vor. Sie ist auch ganz gut, aber fix und fertig und weiß nicht, wie sie das die nächsten Jahre durchhalten soll. Hast du einen Tipp?
Liebe Constanze,
vielen lieben Dank für den Kommentar. Ich antworte mal für Barbara: Überforderung und der Umgang mit dem hohen Arbeitsaufwand in den naturwissenschaftlichen Studiengängen ist leider ein bekanntes Problem. Deine Tochter kann sich gern an ihrer Uni an die Fachschaft wenden, die studieren ebenfalls Chemie und können Tipps zu Klausuren und Praktika geben, das kann manchmal schon etwas den Druck rausnehmen. Auch gute Tipps gibt es bei der Studienberatung.
Ansonsten nur der Hinweis: Nimm selbst etwas den Druck heraus. Das Studium ist wichtig, aber es gibt noch mehr im Leben und niemand reißt einem den Kopf ab, wenn man mal ein Seminar schiebt oder ein Semester länger studiert oder sich umorientiert. Für die psychische Gesundheit kann so etwas Raum schaffen, das Studium gelassener und dennoch erfolgreich anzugehen.
Wenn du noch mehr Hinweise und Empfehlungen brauchst, kann ich gern nachfragen, ob Barbara hierzu noch etwas ergänzen möchte.
Viele Grüße und viel Erfolg an deine Tochter
Robin vom seitenwaelzer-Team
Vielen Dank.