Abi - und dann? / Studium

Die Leiden der jungen Lehramtsstudentin – Deutsch und Biologie in Münster

Gedichte aufsagen und Blümchen pressen für Fortgeschrittene
| Timea Wanko |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Deutsch und Biologie auf LehramtPixabay | Pexels

Seit über drei Jahren studiere ich Deutsch und Biologie auf Lehramt für Gymnasien und Gesamtschulen an der Universität Münster. Und ich muss dich enttäuschen, gebastelt haben wir noch nicht. Das Kreativste war ein kleines Experiment zur Butterherstellung: Sahne, Zitrone, Schütteln, Butter – fertig.
Wer also denkt, Lehramt, ein easy Studiengang – leider nein!

An der Aufteilung der Leistungspunkte sieht man, dass der Fokus nicht auf Bildungswissenschaften und Pädagogik (20 LP) liegt, sondern auf den Fachwissenschaften (150 LP).
Wie sieht das Studium nun genau aus?

Deutsch

Generell ist das Germanistik-Studium fachlich in drei Teile gegliedert: neuere Literatur, ältere Literatur (Mittelalter-Literatur) und Sprache. Im ersten Studienjahr werden viele Basics in diesen Bereichen vermittelt, die zu Beginn vielleicht abschrecken. Es geht um Literaturepochen, Literaturtheorien, Sprachtheorien und um die Wissenschaft von Laut, Wort, Satz und Text.

Ab dem dritten Semester kommt die Vertiefung und du kannst aus einer mittelgroßen Auswahl von Seminaren einige aussuchen. Trotzdem musst du meist Seminare in allen drei Kernthemen belegen. Diese könnten wie folgt heißen: Heinrich von Kleists Erzählungen, Expressionismus, das Nibelungenlied, Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Dialekte in modernen Filmen, etc. Ab dem dritten Semester liegt der Fokus also auf den Seminaren. Vorlesungen gibt es zwar noch, aber es werden keine Klausuren mehr geschrieben, sondern nur Hausarbeiten. Diese schreibst du dann aber in Überzahl, wobei einige Disziplin in den Semesterferien durchaus gefragt ist.

Wo bleibt aber die Didaktik, die Lehre des Unterrichts, der eigentliche Sinn meines Studiums? Die wurde in das allerletzte Bachelor-Semester gepackt. Im Modul Deutschdidaktik lernst du, wie man Deutsch im Unterricht umsetzt. In meinen Seminaren ging um sehr spezifische Themen, zum Beispiel wie der Deutschunterricht einer heterogenen, mehrsprachigen Klasse mit unterschiedlichsten Deutschkenntnissen aussehen kann. Außerdem habe ich gelernt, wie ich phantastische Literatur mit Schüler*innen durchnehmen kann. Insgesamt interessant, jedoch nur ein ganz kleiner Bereich der Deutschdidakik.

Biologie

Du denkst jetzt vielleicht an Waldtag oder Zwiebelzellen mikroskopieren? Oder doch an abgefahrene Neuronen, Synapsen sowie Transmitter-Ausschüttungen?
Das Biologie-Studium ist meiner Meinung einfach nur crazy und viel mehr als nur Pflänzchentheorie – sehr interessant, vielfältig, aber auch anstrengend. Wohingegen du in Deutsch aus fast zehn, thematisch unterschiedlichen Seminare auswählen kannst, ist das Studium in Bio schon komplett durchgetaktet. Jedes Semester ist fest geplant.

In den ersten zwei Semestern bekommst du einen Überblick über Biologie, Physik, Chemie und Naturwissenschaften im Zusammenhang. Im Bereich Biologie wird vieles aus der Oberstufe bekannt sein. Einige weitere interessante Themen kommen dazu, beispielsweise Entstehung der Erde, Entstehung des Lebens, Erdzeitalter und vieles mehr. Physik und Chemie übersteigen kaum das Abiturniveau – doch für Menschen wie mich, die kein Physik und Chemie seit der zehnten Klasse mehr hatten, war es Fleißarbeit.

Durch viele Labor-Einheiten, fast in jedem Semester, bekommst du immer wieder praktische Einblicke. Labor heißt aber meistens hochkonzentrierte vier Stunden im stickigen Raum, komplexe Themen, Vor- und Nacharbeitung, benotete Antestate und Protokolle schreiben. Manchmal in den Semesterferien, manchmal im Semester.

Der Unterrichtsbezug kommt hier früher als bei Deutsch. Schon im dritten Semester wurden wir über verschiedenste Vorstellungen von Schüler*innen (zum Beispiel, dass Pflanzen Erde essen) aufgeklärt. Fokus liegt hier zuerst auf das Sich-Bewusst-Machen dieser Vorstellungen und nicht auf der expliziten Umsetzung im Unterricht – theoretisch, aber spannend und ein Schritt in die richtige Richtung.

Nach den ersten, thematisch einleitenden Semestern lernst du Konkreteres über Stammbäume der Tiere und wie du Säugetierschädel, Insekten, Muscheln und Pflanzen mit literarischer Hilfe bestimmst, du fertigst dein eigenes Herbarium in Partnerarbeit an und erfährst mehr über Evolution, Ökologie, Ökozonen, Verhalten von Tieren, Bioethik, Mikrobiologie, Neurologie und ganz viel über Organe, ihre Funktionen und die kleinsten Vorgänge in ihnen.
Viel lernen, viel abfragen ist Standard. Aber alles ist doch immer wieder schaffbar.

Bildungswissenschaften

Dann gibt es noch dieses kleine Fach Bildungswissenschaften. Hierfür besuchst du nur eine Vorlesung, ein Seminar und zwei weitere Seminare, die Auskünfte über die Pflicht-Praktika im Studium geben. In der Vorlesung geht es theoretisch um Bildung, die PISA-Studie, Schulgeschichte & Co. Im Seminar haben wir die „zehn Merkmale guten Unterrichts“ kennengelernt. Wie man sie praktisch umsetzt, wurde uns leider verschwiegen. Die zwei Praktika, die wir absolvieren mussten, waren aber sehr hilfreich. Das Orientierungspraktikum, das an einer Schule für einen Monat absolviert werden soll, gibt einen guten Einblick in die Praxis. Und das ebenfalls vierwöchige Berufsfeldpraktikum soll dir einen Einblick in einen anderen Beruf geben, der etwas mit deiner Fächerkombi zu tun hat. Man kann hierfür, wenn man beispielsweise Deutsch studiert, ein Praktikum bei einem Verlag oder einer Zeitung machen.

Insgesamt studiere ich also drei Fächer und meine Semesterferien waren oft mit Labor, Praktikum und Hausarbeiten überladen. Das klingt nicht nur nach viel, das ist auch viel.
Dass Einige hier an ihre Grenzen stoßen, besonders bei noch lernintensiveren Fächerkombinationen wie Mathematik und Biologie, ist nur verständlich.

Du möchtest mehr über Burnout in Schule und Studium erfahren? Amelie erklärt dir in ihrem Artikel, was das ist und was man dagegen tun kann.

Aber! Deutsch und Biologie auf Lehramt ist auch ein Studium voller neuer Erkenntnisse. Wir lernen viel Schönes: wie das Gehirn funktioniert, warum Wale und Robben als Säugetiere so lange unter Wasser tauchen können, wie die Augenfarbe vererbt wird und sich Pilze vermehren. Außerdem haben gelernt, dass das Herz eines Blauwals bis zu eine Tonne wiegen kann und wie man Blutgruppen praktisch bestimmt. Wir haben die Jugendsprache in „Fack ju Göhte“ zerpflückt und über die Energie der Dichter im Expressionismus diskutiert.

Kein Basteln und auch keine Unterrichtsentwürfe, dafür aber ein gut organisiertes, aufeinander aufbauendes Studium mit viel Fachwissen. In Deutsch hast du zahlreiche Wahlmöglichenkeiten und kannst deine eigenen Interessen vertiefen. In Biologie bekommst du einen weiten Überblick, der trotzdem ins Detail geht und mithilfe von Labor, Bestimmungsübungen und weiteren Kursen einen praktischen Einblick gewährt. Trotz allen Auf und Abs und der ganzen Anstrengung kann ich das Studium empfehlen, wenn dich der Lehrer*innenberuf interessiert.

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Timea Wanko

… studiert im schönen Münster und liebt Bücher, Musik, Reisen, Kaffee & Kultur. Hauptsächlich lektoriert sie für seitenwaelzer, aber ab und zu kitzelt es ihr in den Fingerspitzen, dann schreibt sie auch mal selbst einen Artikel über Kommas & Konzerte.

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2 Antworten zu “Die Leiden der jungen Lehramtsstudentin – Deutsch und Biologie in Münster”

  1. Ein gut geschriebener und informativer Beitrag, der einerseits nichts beschönigt, andererseits aber auch Mut zum Lehramtsstudium macht. :)

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