Einfache Porträtstudien Teil 2: Blickwinkel – Licht und Form
Das hier ist der zweite Teil zum Thema Porträtstudien, einfach und schnell dahinrotzen. Wie geht das und worauf muss man […]
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Das hier ist der zweite Teil zum Thema Porträtstudien, einfach und schnell dahinrotzen. Wie geht das und worauf muss man achten? Im ersten Teil ging es um die Materialwahl. Das Fazit vorweg: Es ist zunächst egal, nehmt, womit ihr euch wohl fühlt, niemand muss irgendwelche überteuerten Materialien kaufen. Arbeitet am Anfang am besten mit dem, was da ist. Was das zum Beispiel sein könnte, das lest ihr hier.
Ihr habt euch also den Stift oder Pinsel eurer Wahl geschnappt. Und jetzt? Eine Porträtstudie besteht aus zwei einfachen Säulen: dem Porträt und der Studie. Also sucht euch einen Kopf und habt Bock zu studieren (lernen, wollen, lieben, bemühen – der ganze Bums kommt ja aus dem Lateinischen studere). Das geht natürlich mit kognitiven Prozessen einher und Betrachtungsweisen. Wie kann man also das, was man sieht aufs Papier bringen?
Dazu müssen wir erst einmal unseren Blick schulen und lernen, Dinge bewusst räumlich zu erfassen. Nimm dir in einem ruhigen Moment mal ein Objekt zur Hand; sei es nun ein Apfel oder ein Shirt oder wenn’s sein muss die Zahnprothesen deiner Großmutter. Schau dir das Objekt an.
Du wirst sehen, dass es, je nach Lichteinfall, hellere und dunklere Stellen gibt. Die Verteilung von Licht und Schatten hängt effektiv von vier Faktoren ab: Licht, Form, Textur und Farbe.
Licht
Zunächst einmal: Von was und wie ist dein Objekt beleuchtet? Hast Du ein Fenster, eine Schreibtischlampe, eine Neonröhre, ein Feuer oder eine Diskokugel im Raum? Dein Objekt sieht in jedem Kontext dieser Lichtwelten anders aus. Denn Licht kann ganz unterschiedlich sein:
Farbtemperatur
Es kann genau wie Badewasser warm (wärmere Farben wie rot, orange und gelb) oder kalt (kältere Farben wie blau, grün und violett) sein. Dementsprechend wird dies die Farbtemperatur genannt.
Lichteinfall
Licht kann natürlich auch unterschiedlich stark oder schwach, direkt oder indirekt sein. Ist es bewölkt, spricht man auch von diffusem Tageslicht. Nicht nur beim Zeichnen und Malen spielt der Lichteinfall eine Rolle; auch in Film und Fotografie ist die Frage, woher und wie stark Licht auf das Dargestellte fällt, maßgeblich. Veranschaulichen lässt sich dies einfach, indem du dein Objekt in unterschiedlichen Lichtsituationen anschaust. Wie sieht es nachts aus? Okay, zugegeben, dann sieht es gar nicht aus. Aber eine einheitliche, schwarze Fläche ist wenigstens einfach zu zeichnen.
Denkt also bevor ihr anfangt zu zeichnen darüber nach, aus welcher Richtung das Licht kommt, welche Farbtemperatur es hat und wie gebündelt oder gestreut das Licht ist.
Form
Ohne eine Form, an der sich die Lichtwellen brechen, kann auch kein Licht wahrgenommen werden. Die vier beschriebenen Säulen Licht, Form, Textur und Farbe hängen dementsprechend eng miteinander zusammen. Schau dir im nächsten Schritt an, wie dein Objekt aufgebaut ist, also wie sich die Form beschreiben lässt.
Zusammensetzung von Körpern
Bei einem Tischtennisball ist das eine runde Sache, wortwörtlich. Ziehen wir aber Körper in Betrachtung, die komplexer aufgebaut sind, wie beispielsweise eine Teekanne, so müssen wir plötzlich mehr Datenpunkte auf ihre Form hin analysieren als bei einer Kugel. Teekannen können beispielsweise aus verschiedenen Zylindern, Kegeln, Kugeln, Kuppeln und verzerrten Abwandlungen von Zylindern bestehen.
Menschliche Gesichter
Aber Du bist ja nicht hier, um Teekannen zu zeichnen. Menschen lassen sich nach dem gleichen Prinzip betrachten. Wie sind ihre Gesichtszüge aufgebaut? Wie lassen sich geometrische Körper ableiten und das Volumen der jeweiligen Gesichtspartie im Verhältnis zum Ganzen darstellen?
Übung: Geometrische Grundgerüste
Hierbei kann es helfen, einfach ein paar Mal diese Betrachtungsweise einzuüben. Als praktische Übung kannst Du Leute betrachten und dann versuchen, sie in Form von geometrischen Körpern aufs Blatt zu bringen, ganz grob. Das hilft dabei, ein Gefühl für Volumen zu entwickeln. Wenn Du noch einen Schritt einfacher anfangen möchtest, nimm dir eine alte Zeitung oder ein Magazin zur Hand. Schnapp dir einen Stift und such dir ein paar Fotografien von Menschen aus. Dann kannst Du einfach die geometrischen Körper, auf denen ihre Gesichter fußen, in die Bilder direkt einzeichnen.
Höhen und Tiefen
Meist lernen wir in der Schule oder in einfachen Anleitungen im Internet nur, Objekte zweidimensional zu interpretieren: Zeichne die Umrisse, mit diesen Linien zeichnet man ein Auge, „male einen Kreis“. All diese Tutorials und Ansätze vernachlässigen allerdings die dritte Dimension. Dabei ist es unabhängig von der Stilwahl, egal ob es eher abstrakt in Richtung Comic geht, oder ihr euch an Hyperrealismus versuchen wollt, essentiell zu verstehen, dass alles ein Volumen hat.
Dementsprechend betrachte eine Nase nicht nur als eine Annäherung an Kreis, Dreieck oder Rechteck, sondern als Annäherungen an Kugeln, Pyramiden, Kegel, Quader und Co. Stell dir vor, du blickst auf eine Berglandschaft mit Bergen und Tälern. In Höhen und Tiefen zu denken schult deinen Blick für Masse, Volumen und Gewicht und erleichtert dir die Abstraktion, die fürs Zeichnen benötigt ist.
Wie unterschiedliche Linsen
Hast Du nun das Funktionsprinzip von grundlegenden Formen erschlossen, kannst Du Dir einen neuen Betrachtungswinkel zur Brust nehmen. Stell Dir vor, Du hast eine Kamera oder ein Teleskop und je nach Linse, die Du dort einsetzt, kannst Du Deine Umwelt anders betrachten. Wenn wir nun also die Geometrische-Körper-Linse kurz abschrauben, können wir eine Betrachtungsebene „tiefer“ gehen. Denn meist lässt sich ein Objekt, was sich auf eine einfache Form runterbrechen lässt, auch detaillierter betrachten.
Vom Groben zum Feinen
Ein Finger ist zum Beispiel grob gesagt ein schmaler, langer Zylinder. Gleichzeitig besteht er allerdings aus vielen Unterelementen, beispielsweise kugelige Knorpel oder abgerundete Fingerkuppen und unterschiedlichste Formen von Fingernägeln. Wir arbeiten uns also vom Groben zum Feinen vor und ergänzen in zweiter Linie diese etwas gröberen Einzelheiten, die wir erkennen.
Doch was ist mit den ganz feinen Formen, die wir kaum noch als einzelne Form wahrnehmen? Da kommen wir dann schnell zur dritten Säule, der Textur. Im nächsten Teil stelle ich euch vor, welche Rolle Textur und Farbe in Bezug auf das Zeichnen spielen. Damit sind dann alle „Vorkehrungen“ abgeschlossen und danach kanns ans Zeichnen gehen.
Unterstützen
Wenn dir der Beitrag gefallen hat, würden wir uns über eine kleine Spende freuen.
Noch mehr Stories? Folge seitenwaelzer:
Alex Schmiedel
Seit 2019 unterstütze ich das Team mit Illustrationen, Gestaltung, Artikeln und einer stets schwingenden intersektionaler Feminismus-Keule. Ursprünglich bin ich jedoch als Fan des Heldenpicknicks auf Seitenwaelzer gestoßen. Meinen Bachelor habe ich in Mediendesign in Münster absolviert und nun studiere ich Medienwissenschaft im Master in Bochum und arbeite im Bereich Mediendesign. Für Interactive Fiction, Podcasts, Animation und Musik schlägt mein Herz, ebenso wie für Aufklärung über diverse politische Themen, insbesondere Geschlechterdiversität und medizinische sowie antiableistische Gleichberechtigung.
,,Dieser Krieg macht keinen Sinn“
Podcast Empfehlung: Inn Between
Buchempfehlung: Wie man mit Fundamentalisten diskutiert ohne den Verstand zu verlieren – eine Anleitung zum subversiven Denken (Hubert Schleichert)
Menschik/Poe/Dostojewski: Unheimliche Geschichten
Tags: AnleitungBeleuchtungBetrachtungBetrachtungsebeneBetrachtungsebenenBlickBlick schuleneinfachEinsteigenEinstiegFarbeFarbtemperaturFormFormenFormgebungGesichterGesichtspartiehow toIllustrationIlusutrationenIsabel SchmiedelKegelKörperkörperlich ZeichnenkugelnlernenLeuteLichtLichteinfallLichtquelleLichtquellenLichttemperaturLichtwellenLichtweltLichtweltenMenschenMenschliche GesichterObjektpinselportraitPorträtPorträtstudiePorträtstudienPyramidenQuaderRichtungSäulenskizzeskizzenStiftSubjektTemperaturTexturTo DoÜbenÜbungenzeichenelsterZeichnenZeichnen lernenZeichnungZeichnungen