Ernährung / Gesellschaft und Lifestyle / Ökokiste
Wohlfüllort
Ein Besuch im "Einzelhandel"
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Schnell, schnell, schnell. Unser Alltag ist gespickt mit Terminen, Herausforderungen, Freizeitstress. Wir kochen schnell, essen schnell, werfen abgelaufene Lebensmittel sofort weg. Wer hat da noch Zeit für einen bewussten Umgang mit Essen und seinen Hinterlassenschaften? Angesichts der Tonnen von Plastikmüll, unter denen unsere Erde zu ersticken droht, kann der Einzelne wenig ausrichten, oder? Meike Schulzik, Inhaberin des verpackungsfreien Supermarktes „Einzelhandel – Zum Wohlfüllen„, ist mit ihrem Konzept anderer Meinung.
Wie kamst du darauf, in Münster einen verpackungsfreien Laden zu eröffnen?
Kennengelernt habe ich das Prinzip des unverpackten Einkaufens als „Original Unverpackt“ in Berlin Kreuzberg 2014 eröffnet hat. Ich habe mich dann mit dem Thema auseinandergesetzt und recherchiert und ja, so hat sich das entwickelt.
Seit wann habt ihr geöffnet?
Seit dem zehnten Dezember letzten Jahres (2015) sind die Tore geöffnet.
Wie läuft ein Einkauf bei euch konkret ab? Bringt der Kunde seine eigenen Gefäße mit?
Die Möglichkeit gibt es. Wir finden es super, wenn man mit seinen eigenen Gefäßen kommt. Das können die klassischen Plastikdosen von gewissen Marken sein (schmunzelt), Gläser, Beutel, Flaschen…. Das ist uns völlig gleich. Im Eingangsbereich wird das Gefäß auf die Waage gelegt, dann kommt ein Etikett mit dem Gewicht des Behälters drauf. Nach dem regulären Einkauf wird an der Kasse das Gewicht des Behälters wieder abgezogen, so dass nur der Warenwert bezahlt wird.
Gibt es irgendwelche Standards, die die Gefäße erfüllen müssen? Muss es eine Reinlichkeitsprüfung überstehen?
Es sollte optisch rein und sauber sein. Es liegt immerhin beiden Seiten daran: auch der Kunde möchte immerhin seine frischen Lebensmittel nicht in ein dreckiges Gefäß abfüllen. Sauberkeit ergibt sich also eigentlich immer von selbst.
Mal angenommen, ich benötige 40 Liter Milch. Kann ich einfach mit einem entsprechenden Kanister ankommen?
Also, wenn du mal aus irgendwelchen Gründen einen Großeinkauf tätigen musst (lacht)… Milch ist sozusagen vorverpackt, allerdings eben in einem Pfandbehältnis. Milch können wir zum Beispiel aus hygienischen Gründen nicht abfüllen. Mit anderen Produkten, die wir anbietenm ist das aber prinzipiell kein Problem.
Wie sieht eure Produktpalette aus?
Das fängt an bei Müslis, über süße und salzige Snacks für Fernsehabend, oder auch die eine oder andere Party. Natürlich haben wir auch klassische Produkte wie Nudeln, Reis, Mehl, Kaffeebohnen oder Tee. Ebenso haben wir viele Getränke da, die bereits in Pfandflaschen abgefüllt sind, Brotaufstriche, Salatdressings und eine große Gewürzabteilung, Kräuter oder Backzutaten, Honig und Tofu. Wir haben also durchaus einige vorverpackte Sachen, aber immer im Mehrwegbehälter vorverpackt, also keine Einwegverpackungen.
Mir ist aufgefallen, dass du Fleisch nicht erwähnt hast. Wie ist das auch aus hygienischer Sicht mit fleischlichen Produkten? Kann ich mit meiner Brotdose mein sonntägliches Kalbsschnitzel bei euch abholen?
Das funktioniert bei uns nicht. Dies hat zwei Gründe: Erstens war uns das von den hygienischen Bestimmungen her zu aufwendig, wir haben nur ein paar Sachen fertig vorverpackt im Weckglas. Zweitens haben wir einen sehr guten Metzger, Büning, schräg gegenüber. Wir müssen in diesem Punkt einsehen, dass wir ein Nischensortiment führen.
Woher stammen die Produkte? Sind sie regional?
Naja, zum Beispiel Kaffeebohnen und Tee funktionieren regional einfach nicht (lacht). Teils beziehen wir Produkte vom klassischen Großhändler für Naturkostläden, aber auch von kleineren Manufakturen, beispielsweise aus Warendorf. Einige Chutneys kommen aus Düsseldorf, das ist wohl nicht mehr hundertprozentig regional, aber im weiteren Sinne und das ist auch eine ganz tolle Elterninitiative, die mit ihren geistig und körperlich behinderten Kindern arbeitet. Und sonst: Klassisch Großhändler. Aber wir achten eben darauf, wo die Produkte herkommen und wie sie verpackt sind.
Gibt es eine Regelung für das Mindesthaltbarkeitsdatum? Normalerweise muss es ja auf den Produkten draufstehen…
Bei uns ist es so, dass auf den Behältern das Mindesthaltbarkeitsdatum dessen steht, was wir eingefüllt haben. Das kann der Kunde sich auf seine Verpackung selbst übertragen, dafür liegen überall Stifte aus. Dasselbe ist mit Zutatenlisten möglich.
Ist es ein Luxus, bei euch einzukaufen oder kann sich das theoretisch jeder leisten?
Das kann sich theoretisch und praktisch jeder leisten, das sieht man auch daran, dass wir hier ganz bunt gemischtes Publikum haben. Es fängt hier bei den Bewohnern aus dem Viertel an. Manche kommen mit Kleinstkindern, die riesigen Spaß haben. Aber auch Schüler, Studenten und Senioren kaufen bei uns ein. Es kann sich auch darum jeder leisten, weil man nur das kauft, was man wirklich braucht.
Bekommst du hinsichtlich des Sortiments viele Anregungen deiner Kunden? Gibt es hin und wieder Wünsche?
Ja, wir kriegen sehr viel Feedback. Wir haben auch Produkte, die Kunden sich gewünscht haben, ins Programm aufgenommen. Wir hatten zum Beispiel am Anfang keinen Deostick, haben im Gewürzbereich reagiert und verschiedene Brotaufstriche dazu genommen. Da sind wir ganz bewusst flexibel. Natürlich lässt sich nicht alles realisieren, aber das allermeiste schon.
Habt ihr besondere Aktionen oder Angebote?
Ja, es gibt Dienstags immer einen Studi-Deal, der natürlich auch für Azubis und Schüler gilt. Da gibt es gegen Vorlage des Ausweises fünf Prozent auf das Sortiment. Manchmal haben wir auch Verkostungen, bisher einmal, da gab es Kaffee zu verkosten oder die Aufstriche. Man soll auch einfach mal probieren können. Wir haben den Kunden jetzt bei zwei neuen Produkten mitentscheiden lassen, ob diese ins Sortiment aufgenommen werden sollen, oder nicht. Helfen soll hierbei auch unsere Feedbackbox. Es ist gerade auch noch ein Mittagstisch in Planung. Und Aktionen wird es zeitlich begrenzt immer mal wieder geben.
Du sagtest vorhin, dass du das Konzept aus Berlin kennst. Wie verbreitet ist die Idee in Deutschland? Herrscht eine große Akzeptanz?
Das kommt gerade immer mehr. 2016 wird das Jahr der Eröffnungen der „unverpackt“-Läden. Man ist da durchaus in verschiedenen Communities engagiert, allein in den letzten drei Wochen haben wieder zwei Läden aufgemacht. Es verteilt sich gerade über ganz Deutschland.
Wie ist deine Zwischenbilanz nach den ersten Wochen? Hast du das Gefühl, dass die Münsteraner deinen Laden annehmen?
Ja, das glaube ich schon. Vor allem, weil ihnen der auf den ersten Blick komplizierter erscheinende Einkauf leicht gemacht wird. Die Schwelle ist doch nicht so groß. Uns geht es vor allem um das überflüssige Plastik, wir möchten keinen generellen Kampf gegen Plastik führen. Dieser Ansatz kommt sehr gut an. Auch die Kombination mit dem Bistro ist offenbar gelungen, dass man die Ruhe hat, sich mal einen Augenblick zu setzen, auf die Hammer Straße rauszugucken… Das Feedback ist bis jetzt sehr positiv.
Diese Bestätigung ist auch für euch gut, oder?
Ja, total, das motiviert extrem.
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Nelly Langelüddecke
Studiert in Münster, liebt ihre Ehrenämter, turnt nebenbei in der Weltgeschichte herum und hat stets mit hochphilosophischen Gedanken zu kämpfen. Mal sehen, was sich davon in ihren Artikeln niederschlägt.
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