Kultur und Medien

Als digitale Nomadin in Mexiko: La Vida Buena!

Einblicke in die fabelhafte Welt der Amelie
| Amelie Haupt |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Bacalar in MexikoAmelie Haupt

Eigentlich war es mein Plan, durch Zentralamerika zu reisen. Aber da ich schon nach vier Wochen genervt davon war, alle drei Nächte in einer anderen Stadt zu schlafen und immer die ewig gleichen Small-Talk-Fragen zu beantworten, hatte ich schon mit dem Gedanken gespielt, den Flieger zurück nach Deutschland zu buchen… bis ich in das wunderschöne Örtchen Bacalar kam! Nach einigen Tagen in dem 12.000 Seelendorf habe ich beschlossen, für ein paar Wochen zu verweilen. Hier also ein Einblick in mein momentanes Leben als digitale Nomadin in Mexiko.

11.11, Samstag

Ich sitze mit meinen aktuellen Mitbewohnern Andre und Chris in einem Café im Zentrum Bacalars. „Willst du probieren?“, fragt mich Andre und deutet auf seinen Teller. Dort liegt eine Teigtasche, die in bräunlicher Sauce schwimmt, verziert mit ein paar Streifen einer hellen Crème. „Das ist so etwas wie eine Crêpe mit Schokoladensauce und Vanille.“ Ich schaue skeptisch auf die braune Sauce, aber nehme die Gabel trotzdem an. „Üääähhh“, entfährt es mir. Andre und Chris halten sich den Bauch vor Lachen. Ich habe den Geschmack von so etwas wie Gulaschsauce im Mund. Nicht gerade angenehm, wenn man Schokolade erwartet hat. Schmollend bestelle ich mir eine richtige Crêpe mit Nutella und anschließend noch mein Lieblingseis: Pfefferminz mit Schokoladenstückchen. Währenddessen befriedige ich mein Social-Media-Bedürfnis: In meiner aktuellen Unterkunft gibt es kein Wi-Fi, ich lebe also den Rest der Zeit ohne Verbindung zur Außenwelt. In meinem Facebook-Feed tauchen Fotos von kostümierten Menschen in Köln auf. „Ahja, es ist der 11.11. Gott, bin ich froh, dass ich gerade nicht in Köln bin!“ Ich erkläre meinen mexikanischen Freunden das Konzept der fünften Jahreszeit. „Und überall riecht es nach Pipi, weil du in den Bars ewig an den Toiletten warten musst“, schließe ich meinen Kulturbericht.

Blumen in Bacalar
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Buntes Bacalar

12.11, Sonntag

Ich chille bis 11 Uhr im Bett, das ich mir mit Andre teile. Andre ist mein Couchsurfing-Host und Besitzer der Bar Galeón Pirata, über der sein Zimmer liegt. Dass wir uns das Bett teilen, stört mich nicht. Genauso wenig, dass Andre gerne mal nackig rumläuft. Ist ja alles easy und hippie hier.

Mein Magen meldet sich und ich gehe runter in die Bar, die noch dreckig von letzter Nacht ist. Ich halte Messer und Schneidebrett unter das Rinnsal, das aus dem Wasserhahn kommt und bezweifle, dass das splittrige Holzbrett auch nur annähernd hygienisch sauber wird. „Dreck reinigt den Magen“, sage ich mir und schneide eine butterweiche Papaya auf. Zusammen mit Hafergranola und etwas Milch ist mein Frühstück fertig.

Die Mittagshitze setzt ein und wir sind alle ziemlich träge. Also beschließen wir, in die Lagune zu hüpfen, die praktischerweise auf der anderen Seite der Straße liegt. Ich laufe in das flache Wasser und genieße die Abkühlung. Obwohl das Wasser nur wenige Grad kälter ist als die Luft, ist die Sonne gleich viel erträglicher. Wir albern etwas herum, schnorcheln abwechselnd, versuchen den Handstand Unterwasser, an dem ich kläglich scheitere. Chris holt eine kleine Dose aus seinem Rucksack und dreht sich einen Joint. Gras ist hier unfassbar günstig. Eine Unze, also ca. 30 Gramm, kosten zwei bis drei Euro. Bei so günstigen Preisen kann man die Joints auch aus purem Gras drehen und muss sie nicht mit Tabak strecken.

„I have Monchis“, verkündet Chris im mexikanischen Slang und meint damit den Heißhunger nach dem Kiffen. Wir gehen zurück, um bei Dueña Berta zu essen. Die gute Frau lebt direkt neben der Galeón und bereitet uns täglich frisches, vegetarisches Essen zu für einen unschlagbaren Preis von 1,50 €. Während des Essens rede ich mit Chris über die Neidkultur in Mexiko und er erklärt mir den Begriff Cangrejismo. Er findet, dass viele Mexikaner ihren Mitmenschen keinen Erfolg gönnen. Wie Krebse in einem Glas, die sich gegenseitig davon abhalten, aus dem Behältnis zu krabbeln, halten sich Mexikaner gegenseitig vom Erfolg ab, sagt er.

13.11, Montag

Genug gechillt! Heute ist Montag, eine neue Woche beginnt und ich gehe mit viel Energie zum Yoga. Maestra Lola bringt mir den Sonnengruß bis zur Perfektion bei und nach einer Stunde Yoga bei 25 Grad bin ich völlig verschwitzt, aber happy. Anschließend setze ich mich in ein Hipster-Café, das man von der modernen Einrichtung her auch in Berlin Friedrichshain finden könnte. Ich klappe den Laptop auf und beginne mit meinen Recherchen über Monsanto und Mennoniten in Mexiko. Dazu könnt ihr bald eine Reportage lesen!

Mittagessen gibt es wieder bei Dueña Berta. Heute: Blumenkohl in Panade, Reis (gibt es immer) und Guacamole. Zu jedem Gericht gibt es noch einen Teller Bohnen.

Mexikanisches Essen
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Amelie Haupt | seitenwaelzer.de
Als ich mich auf den Weg ins Zentrum begebe, beginnt es in Strömen zu regnen. Ein junger Mann hält mit seinem Auto an und fragt, ob ich eine Mitfahrgelegenheit bräuchte. Ich denke an die vielen Warnungen, die ich zum Thema Sicherheit in Mexiko bekommen habe. Der Regen fließt in breiten Bächen unter meinen Turnschuhen hindurch. Ich zucke mit den Schultern und steige ins Auto. Emanuel und ich haben eine angenehme Konversation, die aus normalen Small Talk besteht. Dabei flirtet er etwas mit mir und beteuert, wie schön ich sei und bewundert meine weiße Haut. Ich versuche ihn davon zu überzeugen, dass ich tatsächlich gerade sehr gebräunt bin für meine Verhältnisse und wir lachen. Ich finde die Art des Flirtens und der Komplimente hier sehr angenehm und aufrichtig. Ganz ehrlich: Ich kann an einer Hand abzählen, wie oft mir ein Deutscher gesagt hat, dass ich wunderschön sei. Hier bekomme ich das fast täglich zu hören und nutze es, um mein Selbstwertgefühl zu verwöhnen.

Ich steige im Zentrum aus und flitze schnell zu einer überdachten Restaurantterrasse. Dort gönne ich mir den schokoladigsten Brownie der Welt und einen super leckeren Piña Colada. Einige Zeit später hält ein Motorrad am Straßenrand und ein athletischer, junger Mann steigt ab. Als er den Helm absetzt, zeigt er mit charismatischen Lächeln seine perfekt geraden Zähne. Er kommt auf mich zu und wir geben uns einen Besito, einen Kuss auf die Wange. Ich habe Marco einige Tage zuvor kennengelernt. Er arbeitet für Agua Clara, eine gemeinnützige Organisation, die sich mit der natürlichen Erhaltung der Lagune beschäftigt. Während wir über Zusammenhänge von Pestiziden, Saatgut von Monsanto und die Umweltschäden in Bacalar sprechen, flirtet er gelegentlich mit mir, weil auch er ganz begeistert von meiner weißen Haut und meinen blauen Augen ist. Huerrita werde ich genannt: Eine Weiße. Und dann noch eine, die kleiner ist als der durchschnittliche Mexikaner. Ich bin hier quasi der Jackpot. Weil er ein ziemlich hübscher Latino ist, flirte ich mit. Ich kann mir schlimmere Formen der Zusammenarbeit vorstellen.

Fernweh bekommen? Dann schau mal nach Reisezielen vor der Haustür. Zum Beispiel: „Paris – Reiseziel für den kleinen Geldbeutel“

14.11, Dienstag

Ich wache auf und bin irgendwie schlecht gelaunt. Einen wirklichen Grund gibt es nicht. Aber einen kleinen Beitrag hat der hübsche Mexikaner: Wir wollten uns nochmal treffen, damit wir einen Motorradausflug zu einer der Cenotes (natürliche Wasserbecken) machen, aber er will sich nicht so recht auf einen Termin festlegen. Mein Kulturgut sträubt sich gegen die Planlosigkeit und hätte gerne eine klare Zusage. Ich setze mich an den Laptop, um wenigstens ein bisschen produktiv zu sein, aber auch das will mir nicht gelingen. Meine Unzufriedenheit schlägt in Aktionismus um: Ich laufe in die Stadt und gehe zu dem Fahrradladen, in dem ich mich gestern schon über Preise informiert hatte. Ich kaufe für 1500 Pesos, umgerechnet 72 € ein Fahrrad. Schnapper! Mein Bewegungsradius ist gerade um einiges größer geworden und ich freue mich, dass ich nicht mehr zu Fuß in der Hitze unterwegs sein muss. Wenn ich will, kann ich nun alleine zu den Cenotes fahren. Püh!

Meine Energie hält an und ich kaufe mir noch eine SIM-Karte, um mobiles Internet zu haben. Gleich strömen unzählige Whatsapp-Nachrichten ein. Eine ist von Alisa. Sie ist zu Hause und ich kann meine Sachen vorbeibringen. Sie wohnt zwei Häuser neben Andre und wird ab heute meine neue Mitbewohnerin sein. Der Umzug ist schnell erledigt bei den wenigen Gegenständen, die ich mit auf die Reise genommen habe. Nach so viel Tatendrang bin ich verschwitzt und erschöpft und ziehe mir fix den Bikini an, um in der Abenddämmerung noch schnell in die Lagune zu hüpfen. Das habe ich mir verdient!

15.11, Mittwoch

Ich wache gegen 7:30 Uhr auf und beginne den Tag mit einer Runde Yoga. Nach dem Frühstück (wieder Granola mit Obst) und einem Plausch mit meiner neuen Mitbewohnerin Alisa, schwinge ich mich auf das Rad und bin nach zwei Minuten im Zentrum. Dort setze ich mich in ein ruhiges Café und bestelle einen Chai Tee. Im Hintergrund läuft Musik von Mozart, ansonsten ist es ruhig. Perfekte Arbeitsbedingungen! Ich klappe meinen Laptop auf und schreibe: „Eigentlich war es mein Plan, durch Zentralamerika zu reisen…“

Das ist natürlich längst noch nicht alles, was ich hier so erlebe, aber das Internet muss ja nicht alles wissen und meine Mama liest schließlich mit! Aber wenn euch diese Art von Einblick in mein Leben als digitale Nomadin in Mexiko gefällt, dann schreibt mir das und ich veröffentliche noch weitere Tagebucheinträge!

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