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FSJ in Kenia

Lust auf eine außergewöhnliche Zeit im Ausland? Warum nicht nach dem Abi nach Afrika? Hannah war für ein FSJ in Kenia und hat dort einiges erlebt!
| Hannah Aegerter |

Geschätzte Lesezeit: 14 Minuten

Kenia FSJHannah Aegerter

Lust auf eine außergewöhnliche Zeit im Ausland? Du hast schon genug über Work and Travel in Australien oder ein Au-Pair-Jahr in England gelesen? Vielleicht kann ich dich ja begeistern und mitreißen bei meinen Erzählungen über meine ganz besonderen Erfahrungen inmitten der ostafrikanischen Kultur!

Wer bin ich? Mein Name ist Hannah Helene Aegerter, ich bin 22 Jahre alt und habe mich nach dem Abitur, wie so viele, nach einer langen Auszeit vom deutschen Alltag gesehnt.  Die Welt steht uns heute offen – ich hatte also die freie Auswahl zwischen Ausbildung, Studium, Reisen… Unschlüssig, was ich mit meinem Leben anfangen möchte und auf der Suche nach mir selbst, wollte ich ein Abenteuer eingehen.  Ich hätte mich für so gut wie jedes Land entscheiden können, jedoch faszinierte mich seit meiner Kindheit der Kontinent Afrika. Würde ich mein vertrautes Heim verlassen und in ein Land gehen, über das ich so gut wie nichts weiß, mit dessen Kultur ich nie konfrontiert wurde und wo ich nicht einmal die Sprache beherrsche? JA! Es wurde der ostafrikanische Staat Kenia im Jahr 2014/2015.

Vorbereitung ist alles

So begannen meine Recherchen und ersten Vorbereitungen ein Jahr vor der Abreise. Ich bewarb mich für ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Organisation ICYE (International Cultural Youth Exchange). Der ICYE organisiert für junge und ältere Menschen Freiwilligendienste in aller Welt. Er arbeitet mit eigenständigen Organisationen in 34 Ländern partnerschaftlich zusammen. Gleichzeitig begleitet und betreut der ICYE Freiwillige aus allen Kontinenten, die in Deutschland in sozialen, politischen oder ökologischen Projekten mitarbeiten.

Neben den standardmäßigen Bewerbungsunterlagen interessierte sich die Organisation vor allem für die eigenen Beweggründe, bisherige Auslandserfahrungen, familiäre Situation/Unterstützung und meine generellen Interessen. Diese hatte ich zur Genüge in deutscher und englischer Sprache einzusenden (unglaublich, dass ich trotz 80% Google Translater weiterkam), außerdem wurde um Einschätzungen von Menschen in meinem Umfeld gebeten. Nachdem ICYE einen ersten schriftlichen Eindruck von mir bekommen hatte, führte ich ein Bewerbungsgespräch per Telefon, wo nochmals ähnliche Fragen gestellt wurden. Im Oktober 2013 wurde ich auf ein erstes Camp eingeladen: Neben persönlichen Kennenlern-Gesprächen stellte ICYE  hier ausführlich sich selbst und vor allem seine Werte und Ziele vor. Im Anschluss folgte weiterer Bürokram mit den Wünschen nach bestimmten Ländern und Projekten. Ich wählte Kenia, Tansania und Ghana.

Reisefieber

Drei Tage vor Weihnachten öffnete ich dann die lang ersehnte Mail: Im August 2014 sollte es für 12 Monate nach Kenia gehen. Die Freude war riesig! Noch hatte ich ein halbes Jahr Zeit, doch die Vorbereitungen liefen bereits im vollen Gange und je näher der Sommer rückte, desto mehr Panik schob sich zur Vorfreude. Wie würde es werden? Fühle ich mich alleine auf der anderen Seite der Weltkugel? Versteht mich überhaupt jemand? Komme ich in eine nette Gastfamilie? Was, wenn ich es dort einfach nicht mag?

Doch genau an diesen Punkten hat mich die Organisation sehr gut aufgefangen. Durch das Begleiten und Unterstützen beim Vorbereiten, fühlte ich mich gut aufgehoben. Wenige Wochen vor dem Abflug ging es zu einem zweiwöchigen Seminar mit anderen Freiwilligen, wo ich auch meine Mitstreiter für Kenia das erste Mal traf. Hier wurden wir intensiv auf das vorbereitet, was uns erwarten würde – auch, wenn natürlich jedes Erzählen dem eigentlichen Kulturschock vor Ort nicht entgegenwirken kann. Aber ich fühlte mich nicht alleine, wir konnten unsere Sorgen äußern und lernten viel. Mir hat gefallen, dass nie etwas verschönert und somit ein falsches Bild eines flockig-leichten Auslandsjahres errichtet wurde.

So startete am 09. August 2014 die Reise in ein für mich völlig fremdes Land.

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Mich verschlug es in die Nähe des kleinen Dörfchens Manga, etwa 1,5 h von der Stadt Kisii entfernt (Westkenia). Mit mehreren Geschwistern und meiner Gastmutter teilte ich mir ein kleines Lehmhaus mit drei Zimmern.  In einem Extra-Häuschen befand sich die Küche, also der Lagerort für Lebensmittel und eine Feuerstelle. Neben Kühen und Ziegen schmückte unser Grundstück eine riesige Fläche an Feldern mit Bohnen, Salat und Mais. Die Umstellung auf fehlende Elektrizität und kein fließendes Wasser war sehr gewöhnungsbedürftig, aber doch einfacher als erwartet. Alle für uns selbstverständlichen Dinge kosteten Mühe und werden selbst angepackt – ob es die neue Lehmschicht des Hauses, das Zubuddeln des Toilettenloches, das Wäschewaschen per Hand oder das Holen und Erwärmen von „Duschwasser“ war.

Wasser tragen
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Wasser vom Fluss holen
Wasserstelle
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Wasser holen zum Trinken, Kochen, Waschen

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Meine Gastfamilie lebte größtenteils vom Tauschgeschäft – Reis gegen Bohnen, Arbeitsstunden gegen Lebensmittel. Ich wurde herzlich aufgenommen, wenn auch die Verständigung sehr schwer war – sie beherrschten kaum Englisch und ich wiederum nicht die zweite Landessprache bzw. die dorfeigene Kommunikation. Aber wer braucht schon Sprache, wenn man zusammen lachen kann!

Zuhause
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Mein Zuhause: links unser Lehmhaus, rechts Kuhstall, dann Küche

 

Dusche
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Die Dusche

 

Toilette
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Toilette (Loch im Boden)

Ich arbeitete in einer Grundschule für Mädchen aus den umliegenden Ortschaften. Die Kinder waren zwischen drei und 16 Jahre alt und kamen meist aus ärmeren Verhältnissen. Lehrerin – eine Arbeit, die ich mir zu Beginn so gar nicht vorstellen konnte. War ich doch so froh, gerade erst selbst die Schulbank hinter mich gelassen zu haben. Aber man wächst mit seinen Erfahrungen und Aufgaben, nicht wahr? Zu Beginn verlief alles aus meiner Sicht sehr chaotisch, aber mit wachsendem Vertrauen untereinander und Selbstbewusstsein meinerseits, bereitete mir das Unterrichten zunehmend Spaß und ich freute mich, über die verschiedensten Themen lehren zu dürfen. Struktur kam in meinen Arbeitsalltag – ich unterrichtete vor allem jene Fächer, die nicht prüfungsrelevant waren (und leider aus Zeit- und arbeitsmoralischen Gründen oft einfach weggelassen wurden). So genoss ich einen großen Freiraum und wenig Druck in dem, was ich vermittle. Mit den älteren Schülerinnen (welche bereits der englischen Sprache mächtig waren) verbrachte ich spannende Musik-, Kunst- und Englischstunden. Außerdem übernahm ich den Sportunterricht für alle Jahrgänge – Spiele oder Fußballregeln lassen sich eben auch per Hand und Fuß erklären.

Fußballspiel
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Fußballspiel

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Unterricht
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Unterricht in der Schule

In den letzten Monaten meines Aufenthaltes widmete ich mich vorwiegend dem Fach „Life Skills“, im Grunde genommen ein Fach zur Aufklärung. Tabu-Themen wie Sex, Verhütung und Vergewaltigung brechen, kritikreiche Diskussionen über das Schlagen der Kinder, Aufklärung über Homosexualität, Rassismus in Schranken weisen – für all dies gewährte ich mir im Unterrichtsrahmen Freiraum. Die Schülerinnen waren teils sehr aufgeschlossen, bei einigen Themen kam ich jedoch nie an die Mädchen ran. Aber einen Versuch war es mir immer wert! Das weitete sich dann so weit aus, dass ich mir Unterstützung von „Enough is Enough. Stop Homophobia.“ aus Deutschland holte und neben vielen Gesprächen zur Aufklärung und Sticker verteilen, mit einem kenianischen schwulen Freund eine kleine Vernetzung von Homosexuellen untereinander errichtete, welche sich inzwischen deutlich ausgeweitet hat. Ein wichties Netzwerk, denn homosexuelle Handlungen führen in Kenia nachwievor zur Inhaftierung!

Aufklärungsunterricht
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Aufklärungsunterricht

Ein typischer Arbeitstag

Nach etwa 45 min Weg zur Schule von meinem Zuhause begann um acht Uhr der Einklang des Tages mit Gebeten und Gesängen aller Schülerinnen sowie dem Hissen der kenianischen Flagge auf einer großen Wiese. In dem Rahmen fand auch die Bestrafung statt – all jene, die vermeintlich etwas „Böses“ getan oder zu laut im Unterricht gequatscht haben, wurden vor den Augen aller gepeinigt. Die Bestrafung äußerte sich in Schlagen mit dem Schlagstock, Halten von schweren Steinen überm Kopf oder Strafarbeiten. Der eigentlich schöne Beginn des Tages endete somit stets mit viel Schmerz und Tränen – ich habe mich zu der Zeit immer zurückgezogen, konnte ich dieses Leiden und unfaire Verhalten nicht ertragen.

Arbeitsweg
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Mein Weg zur Arbeit
Ritual
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Die Flagge, das morgendliche Ritual vor den Schulgebäuden

Anschließend startete der erste Unterrichtsblock. Geregelte Stunden- bzw. Pausenzeiten gab es eigentlich schon, jedoch wurden diese doch eher schwammig gehalten. Die Mädchen hatten leise in ihren Räumen zu warten, bis ein Lehrer kam. Ich habe mir meine Stunden selbst strukturiert und meist 45 min unterrichtet und anschließend die Schülerinnen zum Spielen geschickt. So kam ich meist auf ca. acht Einheiten am Tag. In den Zwischenzeiten spielten wir meist Fußball. Mittags kochten sich die Kinder ihr Essen selbst und haben gleichzeitig die Lehrer mitzuversorgen. Der Schultag endete meist gegen 15 Uhr, wirklich jedoch erst, wenn die Erwachsenen ihr Okay geben. So verbrachte ich viele Stunden mit dem Unterrichten beziehungsweise der Vorbereitung von verschiedenen Themen.

 

Schülerinnen auf der Wiese
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Beseitigen von Dornen auf der Wiese
Unterrichtsraum
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Ein Unterrichtsraum

Auch wenn mein Traumberuf nachwievor nicht Lehrerin ist, so bin ich doch so dankbar über diese Arbeitserfahrung. Ich habe unglaublich viele Erfahrungen sammeln können: Zu sehen, wie sich die Kinder (weiter)entwickeln, wie sie gefördert werden möchten, mit wie viel Spaß man lernen kann und Beziehungen aufzubauen, hat mich glücklich gemacht. Einmal auf der anderen Seite des Lehrerpultes zu stehen… zu spüren, wie es ist, wenn die ganze Klasse kichert, weil ich Kreide im Gesicht habe… wie nervig es ist, wenn stetig jemand dazwischen quatscht.

Stifte
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Die Kinder haben mich glücklich gemacht und mir einen großen Schatz an Liebe mit auf den Weg gegeben. Auch wenn ich mir das Vertrauen und vor allem den Respekt ziemlich mühsam erkämpfen musste, so wurde den Schülerinnen doch auch ein Weg gezeigt, wie es ohne Gewalt gehen kann. Ich war für sie nicht nur die Lehrerin aus dem Ausland, sondern vor allem eine Vertrauensperson und auch Spielkameradin. Damit funktionierte ich auch als sich wieder langsam öffnende Tür zu den eigentlichen Erziehern, die längst verschlossen war.  Die meisten Kinder hatten weder Schuhe und haben sich mit dem Banknachbar sogar einen Stift teilen müssen – und trotzdem habe ich noch nie in so fröhliche und glückliche Gesichter geblickt. Es braucht kein Spielzeug, keine teuren Markenklamotten – sie wissen zu schätzen, dass es nicht normal ist, Schulbildung bekommen zu können. Daher sind sie unglaublich fleißig und freuen sich wirklich aufs Lernen. Genau diesen Punkt abzugreifen, musste ich verstehen. Und Belohnungen mögen einfach alle Kinder ;)

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Wie haben wir uns scheckig gelacht, als sie mir ein Lied auf Kiswahili beibringen wollten und ich die korrekte Aussprache einfach völlig verfehlte… Oder ich für einen Tag in ihre Schuluniform schlüpfte… Als wir bei über 30 Grad durch Hagel tanzten!…

Schuluniform
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Schuluniform
Hagel in Kenia
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Hagel in Kenia

Ich bin nun bereits seit zwei Jahren zurück in Deutschland und trotz Tagebuch und Blog schwinden auch meine Erinnerungen an Details langsam. Doch einige Situationen sind mir eingebrannt und ich grinse oder auch weine immer wieder bei den Gedanken daran. Etwas zum Schmunzeln: Der Fußballplatz bestand aus der Wiese mit Pfosten als Tore. Der Ball war schon etwas platt von Dornen, der Boden mit Steinen übersät, die Kühe laufen frei herum. Klasse 5, wir sind mitten in einem spannenden Spiel. Ich renne dem Ball hinterher, die Schülerinnen wie ein riesiger Kreis um mich herum, versuchen ihn mir wegzuschnappen. Ich sehe die Kuhkacke zu spät, trete rein, rutsche aus, erwische den Ball noch mit den Zehen – der Fairness halber wurde barfuß gespielt. Ich liege am Boden, im Kuhfladen. Wir lachen! Nur eine weint. Die Torhüterin hat den Ball zwar gehalten, jedoch ist er ihr durch die Hände geflutscht und sie hat einen sauberen Kopfball als Abwehr hingelegt. Sauber ist übertrieben – ihr ganzes Gesicht bedeckte brauner Stuhlgang. Doch nachdem der erste Schock überwunden war und die Wangen grobgereinigt, konnten sich alle nicht mehr halten. Selten war etwas länger Gesprächsthema und selbst bei meinem Besuch fast zwei Jahre nach dem FSJ konnte sich diese Schülerin noch erinnern.

Schülerinnen
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Schülerinnen in Uniform

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Einen bleibenden Eindruck hat die Entwicklung eines Mädchens, damals 13 Jahre, hinterlassen – sie war gehandicapt aufgrund von Hinken und der fast bewegungsunfähigen linken Hand. Sie verhielt sich sehr zurückgezogen. Ihr Name war Elisabeth und ich kam an sie auf keinste Weise ran. Wenn ich sie ansprach, ging sie weg. Wenn ich sie berührte, weinte sie. Ich habe sie monatelang nicht reden hören und dachte, sie wäre vielleicht auch kognitiv eingeschränkt. Für den Kunstunterricht bekamen die Schülerinnen dann Stifte. In einer Einheit durften die Mädchen malen, worauf auch immer sie Lust hatten und sollten anschließend etwas dazu in Englisch erzählen. Elisabeth blühte beim Zeichnen auf und kreierte ein wunderschönes Haus. Bei der Vorstellung der Bilder blieb sie sitzen, doch ihre Banknachbarin stand auf und zeigte allen die tolle Zeichnung. Nun machten mehrere Schülerinnen Vorschläge, was hinter diesem Bild stecken könnte und die Interpretationen wurden immer absurder und witziger. Elisabeth huschte ein Lächeln über die Lippen. Das Malen hatte etwas in ihr losgebrochen – die Klassenkameraden waren begeistert von ihren Gemälden und sie bekam viel Lob von ihnen. Die Mädchen begannen ohne fremdes Zutun, Elisabeth überall zu integrieren. Zum Fußballspielen setzten sich die Auswechsler neben sie, sie wurde an die Hand genommen, um mit am Wettrennen teilnehmen zu können. Elisabeth öffnete sich, fing an lauthals mitzulachen und nachdem sie alle mit ihren ersten Wörtern verwunderte, sprudelte es nur noch aus ihr heraus. Elisabeth überraschte nicht nur die Mitschüler, sondern vor allem mich. Ich möchte nicht wissen, welche Erfahrungen sie zu dem zurückgezogenen und verängstigten Kind gemacht haben. Aber ich bin ihren Klassenkameraden so dankbar, sie integriert und zurückerobert zu haben!

Betreuung vor Ort

Ich hatte vor Ort die Partnerorganisation ICYE Kenya als Ansprechpartner. An jene konnte ich mich immer wenden, wenn es Probleme in meiner Stelle, mit der Gastfamilie oder Ähnlichem gab. Diese waren jedoch nicht immer so zuverlässig und kompetent; hier habe ich mich nicht so gut aufgehoben gefühlt. Vor allem als ich schwer krank wurde, war ich doch sehr auf mich gestellt. Aber die deutsche Organisation war per Mail und Telefon stets präsent. So fühlte ich mich meist doch ganz gut aufgehoben und habe vor allem in akuten Notfällen schnelle Hilfe bekommen. Abgesehen vom Vorbereitungscamp in Deutschland und dem Anfangsseminar in Nairobi gab es noch ein weiteres mehrtägiges Treffen nach der Hälfte der Zeit. Dort hatten wir Gelegenheit, alle Probleme, Sorgen, Wünsche und Freuden mitzuteilen. Die anderen Freiwilligen und ich reflektierten die vergangenen Monate und tauschten uns aus. Obwohl wir alle im selben Land beherbergt waren, machte doch jeder seine ganz eigenen Erfahrungen in verschiedener Umgebung, Lebensverhältnissen und Arbeitsplatz. Mir hat vor allem der Austausch mit den Gleichgesinnten sehr gut getan. Zwar habe ich zuhause tolle Freunde und eine unterstützende Familie, aber verstehen und nachvollziehen konnte es natürlich niemand, der nicht Ähnliches erlebt hat. Zu wissen, es ist für alle hart und schön zugleich, hat mich gestärkt. Man war nie allein! Kurz vor der Abreise trafen sich noch einmal alle Freiwilligen zusammen mit der Organisation zu einem Abschluss-Camp. Aufgrund meiner Heimkehr wegen persönlicher Gründe einige Wochen zuvor kann ich darüber nichts aus eigener Erfahrung erzählen. Zurück in Deutschland wurde dem Kulturschock etwas Zeit gegeben und ein weiteres Camp veranstaltet. Hierbei handelte es sich vor allem noch mal um eine Reflektion der vergangenen 12 Monate und die Frage: wie würde es für mich nun weitergehen und was habe ich daraus mitgenommen? Im Großen und Ganzen also eine gute Betreuung vom ersten bis zum letzten Tag!

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„Und wie war es in Kenia?“ – die typische Frage nach der Heimkehr

Wie fasst man ein ganzes Jahr voller Sorgen, Angst, Heimweh, Trennung, Freude, Spannung, Erfahrung, Tränen, Glücklichkeit… zusammen? Es war ein durchwachsenes Jahr! Es war definitiv das größte Abenteuer, das ich je eingegangen bin und ich bereue es kein bisschen. Den Schatz an Erfahrungen, Freundschaften und Liebe werde ich immer in meinem Herzen bewahren. Ich bin erwachsener und reifer geworden, ich bin an dem Fremden und meinen Aufgaben und Reisen in Ostafrika gewachsen.

Frauen beim Bohnentausch
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Ja, du gehst an deine Grenzen. Ja, du willst oft aufgeben, weil dir alles zu viel wird und du deine Heimat vermisst! Ja, es ist oft hart! ABER es ist die Erfahrung tausendfach wert und ich würde es niemals missen wollen. Es ist dein Jahr, deine Erlebnisse – die kann dir nie jemand nehmen.

Und nein, du wirst nicht die Welt verändern. Viele glauben, „Großes bewirken zu können“, indem sie in Länder reisen, die materiell nicht so sehr gesegnet sind, wie wir es sind, und dort arbeiten. Wer sind wir eigentlich, zu glauben, als Jugendlicher – gerade aus der Schule raus und ohne erlernten Beruf – woanders eine große Hilfe zu sein? Nein, ich war keine „Heldin Afrikas“ und habe auch nicht die Armut in Ostafrika bekämpfen können! Ich bin nach Kenia gereist, um mich intensiver kennenzulernen, um Erfahrungen zu sammeln, um in eine so andere Kultur einzutauschen, um zu lernen … ich tat es für mich und meinen Lebensschatz!!!

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Mach es! Trau dich!

Wem würde ich so ein FSJ empfehlen, beziehungsweise davon abraten? Eine sehr schwierige Frage, wie ich finde. Generell kann ich jedem empfehlen, sich auf ein Abenteuer einzulassen und Fremdes zu erkunden. Wann, wenn nicht jetzt?! Es gibt immer Umstände, die nicht hundertprozentig passen. Doch steht man erst mal fest im Berufsleben und springen die ersten Kinder zu Hause rum, fällt es den Meisten immer schwerer, sich für längere Zeit abzunabeln. Doch was definiert sich als Abenteuer und was nicht? Muss es gleich ein anderer Kontinent und die spärlichste Umgebung ein? Definitiv nicht. In jedem FSJ steckt ein Stück Abenteuer, egal ob es in der Kita in der Nebenstadt ist oder als Schafhirte in Island ist. Nicht jeder hat die Möglichkeit oder den Mut, in ein anderes oder sehr weit entferntes Land zu gehen. Aber ich ermutige jeden, der es sich vorstellen kann, es einfach zu tun! Angst ist ein ständiger Begleiter beim Erkunden von Fremdem. Doch man kann sich dieser stellen und aus Angst Freude und Spannung drehen.

Wenn ich mich zurückerinnere, muss ich schmunzeln, lachen oder verdrücke auch die eine oder andere Träne. Auch wenn natürlich nicht alles schön im FSJ war, so sind jetzt (zwei Jahre nach Rückkehr) beinahe ausschließlich die positiven Erfahrungen im Kopf verankert. Im Februar diesen Jahres besuchte ich wieder Kenia und es war unbeschreiblich „nach Hause zu kommen“.

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Dorfmarkt Manga
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Dorfmarkt von Manga bei meiner Arbeitsstelle

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Und auch wenn ich nachwievor nicht so recht weiß, was ich mit meinem zukünftigen Leben anfangen will, wie ich es erhofft hatte … eines ist sicher: Das Reisen hat mich gepackt und ich bin seitdem in jeder freien Minute auf Achse.

Ich danke seitenwaelzer für die Anfrage. Es hat mir sehr viel Freude bereitet, diesen Artikel zu schreiben. Vor allem war es für mich mal wieder ein sehr intensives Erinnern. Danke.

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Ein Gastbeitrag von Hannah Aegerter

Mehr Informationen zu den Möglichkeiten nach dem Abitur gibt es in unserem E-Book „Abi – und dann?„.

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