Gesellschaft und Lifestyle / Meinung
Auf die Plätze, fertig, los! – Der Guide für deinen ersten Campingurlaub
Viele Erstcamper machen sich auf den Weg in den Sommerurlaub. Zeit Abhilfe zu schaffen, damit es nicht beim einmaligen Erlebnis bleibt.
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Die Pfingstferien stehen unmittelbar vor der Tür und bis zu den Semester- oder Sommerferien ist es auch nicht mehr lang. Eine optimale Gelegenheit, über den diesjährigen Sommerurlaub zu reden.
Der Camping-Boom hält an
Schaut man sich den Urlaubsmarkt der letzten Jahre an, so fällt eins ganz deutlich auf: Das Campinggeschäft boomt! Immer mehr Menschen tauschen das Flugzeug gegen das Wohnwagen-Gespann oder das Wohnmobil und das gemütliche Vier-Sterne-Hotelbett gegen das Zelt auf dem Waldboden. Wie Zahlen des ADAC belegen, haben sich die Reisemobil-Zulassungen innerhalb der letzten vier Jahre mehr als verdoppelt. Im Jahr 2021 wurden mehr als 100.000 Reisemobile oder Caravans in Deutschland zugelassen.
Diese Zahlen bestätigen meinen persönlichen Eindruck, dass das Camping in den letzten Jahren nicht nur mit enormen Zuwachsraten aufwartet, sondern auch einen wahrhaftigen Imagewechsel hingelegt hat. Besonders junge Menschen lockt es immer mehr in die Natur, viele Familien suchen Alternativen zur Pauschalreise, die sogenannten Best-Ager finden neue Urlaubsideen und zahlreiche Pensionäre starten lieber ihre eigene Busreise, als sich weiter in Truppenstärke geführten Rundtouren anzuschließen. Die Branche bewirbt ihre Freizeitfahrzeuge massiv auf allen Wegen und im Netz haben Influencer, die ihr Vagabundenleben auf Instagram teilen, ein Millionenpublikum. Sie leben anscheinend ihren Traum und präsentieren die vermeintliche, grenzenlose Freiheit und die Abenteuer, die auf sie warten.
Was bleibt vom ersten Campingurlaub
Was bleibt von der Begeisterung der neuen Hobby-Nomaden, nachdem sie die ersten Urlaubswochen hinter sich gebracht haben? Häufig ist zu beobachten, dass Erstcamper entmutigt nach Hause zurückkehren, einiges an Lehrgeld zahlen mussten und sich schwören, dass es bei einem einmaligen Erlebnis bleibt. Dafür gibt viele Gründe, markant sind die oft falschen Erwartungen und völlig falschen Sichten aufs Campen. Zeit, mal etwas Abhilfe zu schaffen.
Ich selbst bin sozusagen im Wohnwagen meiner Eltern auf die Welt gekommen. Die Nächte, die ich in Hotels geschlafen habe oder die Flugstrecken, die ich absolvierte, kann ich an einer Hand abzählen. Camping begleitet mich mein Leben lang. Oder begleite ich es viel eher? Ist ja auch egal, wichtig ist nur, dass ich von Kindesbeinen an auf Trips durch die verschiedensten Länder Europas so allerlei erlebt habe. Und so fallen mir einige Dinge auf, die typisch für einen Campingurlaub sind und die für die „schönste Zeit des Jahres“ entscheidend sein können. Daher hier meine Sicht aufs Campen, ohne Filter, aber basierend auf meinen persönlichen Erfahrungen.
Hauptsache teure Ausrüstung
Die eine richtige Campingausrüstung gibt es nicht. Reiseziel, Wetter, Schlafplatzsituation und vieles mehr bestimmen maßgeblich den Kauf der optimalen Ausrüstung. Was man jedoch sagen kann, ist, dass man als Neuling alles mit Vorsicht genießen sollte. Es ist nicht notwendig, sofort mehrere hundert Euro in Ausstattung zu investieren. Erst mal sollte man schauen, ob einem Campen generell gefällt und liegt. Um Campen einfach mal auszuprobieren, gibt es entweder die Möglichkeit gute, gebrauchte Ausrüstung auf Online-Marktplätzen wie eBay zu erwerben oder man leiht sich ganz einfach welche – bei Freunden, Familie oder im Internet. Internetseiten wie Globetrotter oder Leihzig werben mit einem breiten Spektrum an Campingausstattung. Von Zelten und Rucksäcken über Outdoor-Küchen, Kühlboxen oder Tische und Stühle: Alles ist dabei. Beste Voraussetzungen für einen ersten Test.
Mit Hightech zurück zur Natur
Wenn’s neben der persönlichen Ausrüstung auch um fahrbare Untersätze geht, verändert sich der “Back-to-basis“-Ansatz erstaunlich schnell. Ohne Mikrowelle, Backofen, Klimaanlage, Multimedia-Ausstattung, anspruchsvoller Technik und natürlich Navigation ist so manches Freizeitfahrzeug heute nicht mehr an den Mann oder die Frau zu bringen. Die Branche überschlägt sich fast mit immer neuen Gimmicks, die geschickt auf Messen und Verkaufsveranstaltungen platziert und präsentiert werden. Zurück zur Natur: aber natürlich mit vollem Komfort und smarter Steuerung. Was technisch geht, wird auch gekauft. Abenteuer und Freiheit? Oder doch lieber auf all’ die kleinen Helferlein vertrauen und es sich mal so richtig gemütlich machen (lassen)? Die Idee des Campens sieht aus meiner Sicht völlig anders aus.
Einfach einsteigen und los? Teil 1
“Mensch, ihr habt’s ja gut. Einfach einsteigen und ab geht’s.” So klingen oft die fast schon sehnsüchtigen Bemerkungen von Bekannten und Freunden, die bisher eher dem Pauschalurlaub per Flieger gefrönt haben und damit eigentlich nur beweisen, dass sie keine Vorstellung einer Campingreise haben. Nach solchen Aussagen weiß ich sofort, dass die Person dringend Hilfe braucht. Ich erinnere mich an die umfangreichen Vorbereitungen und die schier endlose Packliste meiner Eltern: Hausrat, Teller, Töpfe, Geschirr, Textilien, Grundnahrungsmittel und Gewürze, Hausapotheke, Wäsche und Schlafsäcke, Spiel- und Sportgeräte und natürlich spezifische Ausrüstung wie Häringe (ja: Häringe), Gurte, Stützböcke, Vorzelt, Campingmöbel, Spanngurte, Wasserkanister, ein wenig Werkzeug für den Notfall, die Fahrräder (mit Kindersitz) und und und… Einsteigen und los? Sieht anders aus.
Einfach einsteigen und los? – Teil 2
Viele Menschen stellen Camping mit Freiheit und Unabhängigkeit gleich. Daher kann der Plan auch schon mal lauten, gar keinen Plan zu haben. Insbesondere, was die Reiseroute angeht. Man möchte sich von der Schönheit der Landschaft leiten lassen und heute nicht wissen, wo man morgen schon wieder ist. Hier ist aber Vorsicht geboten, denn das kann redensartlich schnell in die Hose gehen. Eine ungefähre Route zu haben, sollte Voraussetzung für einen Urlaub auf vier Rädern sein. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. Egal ob Mautgebühren oder Spritpreise, das Geld kann man sicher besser anlegen. Und ganz wichtig: Wer sehr positiv gestimmt „einfach mal losfährt“ sieht sich oft eben nicht geplanten Zwischenfällen gegenüber. Entweder gar kein Campingplatz, oder nur direkt neben einer Großbaustelle, der nächste noch geschlossen, 25 Kilometer Stau, am Ziel Schlechtwetterzone und völlige Überfüllung. Keine Lust mehr zu fahren, müde, hungrig. Ich will sagen: Wer ohne Plan fährt, sollte trotzdem mindestens einen Plan B haben oder sich eben auf dieses ziellose Umherirren einlassen und bereit sein, immer gut gelaunt noch etwas daraus zu machen. Was gerade noch wie eine Katastrophe aussieht, wandelt sich oft zum absoluten Glücksfall.
Grenzenlose Freiheit
Gerade bei den Reisemobilisten reizt die Aussicht auf die große Freiheit. Solange Treibstoff vorhanden ist, kann man sich ohne jegliche Restriktion bewegen, nur sich selbst verantwortlich, keine Einschränkungen – fly like an eagle. Was sich auf Fernreisen und in dünn besiedelten exotischen Gebieten des Erdballs sicherlich verwirklichen lässt, wird für den Großteil der mitteleuropäischen Wohnmobilfahrer wohl eher Wunschtraum bleiben. Der beste Platz direkt am Strand besetzt, die Stellplätze eng, der direkte Nachbar mit Grillrauchschwaden nervig, der zwölfköpfige Camper-Club gegenüber laut und die Sanitäranlage unzureichend. Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Und das gilt auch für das Camperleben, grenzenlos ist die Ausnahme. Auch die Camperszene zeichnet sich durch Regeln aus, geschriebene („Platzordnung“) und ungeschriebene („Das geht doch nicht!“). Bitte nicht falsch verstehen: Zusammenleben kann nur mit Regeln funktionieren und man kommt auch gut damit zurecht, kann sich darauf einlassen und herrliche Urlaube verleben. Zu glauben, Reisemobil oder Wohnwagen befreien von allen Konventionen und garantieren wie selbstverständlich die völlige individuelle Freiheit, ist aber ein großer Irrtum.
Dieser Artikel soll keineswegs Personen entmutigen, nicht unter die Camper zu gehen, geschweige denn soll er das Image des Campings herunterziehen. Camping ist toll! Ich würde den Urlaub im Wohnwagen jederzeit der Pauschalreise oder Ähnlichem vorziehen, das ist sicher. Die genannten Punkte sollen nur eine hilfreiche Orientierung bieten und negativen, nicht erwartbaren Erlebnissen vorbeugen. Eben genau aus dem Grund, weil ich Camping liebe, möchte ich nicht, dass Erstcamper frustriert und genervt zuhause ankommen, die gesamte „Camping-Experience“ schlecht reden und so vielleicht andere Personen, die mit dem Gedanken spielen, davon abhalten. Wie bei allem im Leben gilt: Probieren geht über Studieren. Deshalb schnappt euch euren Caravan, das Wohnmobil oder das Zelt und auf die Plätze, fertig, los! Viel Spaß!
Quelle:
https://www.adac.de/reise-freizeit/camping-trends/
Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.
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Lotte Jäger
Kindheitsheldin Karla Kolumna und tonnenweise Kassetten auf dem Kinderzimmerboden ebneten den Weg in das Studium der Kommunikationswissenschaft. Wenn es mal nicht um Medien geht, ist sie Fan von Städtetrips, Sonnenuntergängen am Strand und allen Hunden dieser Welt - am liebsten hat sie Elo Emil. Außerdem die größte Italien-Liebhaberin links des Niederrheins!
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