Kino & Serie / Kultur und Medien

Warum wir mehr britische Serien schauen sollten

Rule Britannia - und seine Serien!
| Amelie Haupt |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

derwiki | Pixabay

Ich habe die Nase voll von langweiligen Gutmensch-versus-Bösewicht-Hollywood-Klischee-Stories. Die Welt ist nicht schwarz und weiß, sondern ein verwirrendes Muster aus Grautönen, das zu moralischen Dilemmata und inneren Konflikten führt. Eine Filmkultur, die diese zereißenden Ambiguitäten perfekt aufgreift, ist die Kultur der Briten.
Trockener Humor, realistische Charaktere und packende Geschichten: Das ist die Quintessenz von britischen Serien.
Nichts finde ich schlimmer, als Helden, die alles können, schaffen, jede Wunde wegstecken und nur Schwäche zeigen, wenn es gerade mal erzählerisch wichtig ist. In der Serie Pretty Little Liars werden jugendliche Mädchen von einer unbekannten Person permanent via Smartphone bedroht und auch tatsächlich angegriffen. Alle 5 Staffeln hindurch, sind die Mädchen perfekt geschminkt und modisch gekleidet. Schon nach der ersten Staffel hätten sie, meiner Meinung, nach wie absolute Wracks aussehen müssen, um die Folgen des psychologischen Terrors realistisch darzustellen.
Weil meine Nächsten schon genervt davon sind, dass ich mich immer über diese unrealistischen TV-Darstellungen aufrege und das Sich-Aufregen nicht gut für den Blutdruck ist, habe ich seitdem vorhersehbare, Stereotypen-belastete und unrealistische Serien und Filme aus meinem Alltag verbannt.

Briten gegen Rassismus und Geschlechterrollen (trotz Brexit…)

Dabei ist mir ein Muster aufgefallen: Amerikanische Serien müssen weichen – Britische Serien sind willkommen! Natürlich gilt das nicht pauschal, doch die britischen Serien enttäuschen mich fast nie, wohingegen ich bei amerikanischen Sendungen häufiger die Augen verdrehe, wenn sich in den ersten 10 Minuten mal wieder eine weißer-Mann-kann-alles-Klischee-Rolle erkennen lässt.
An den britischen Serien schätze ich sehr den natürlichen Umgang mit Diversität. Großbritannien ist historisch zu einem kulturellen Meltingpot gewachsen. Doch statt der scheinbar zwanghaften Quotenerfüllung der amerikanischen Filmkultur, finden britische Serien einen ganz natürlichen Umgang mit ihrer ethnischen Vielfalt. Rollen werden von SchauspielerInnen unterschiedlicher Herkunft besetzt – nicht, weil es stupide Stereotype wie den asiatischen Mathematiker erfüllt, sondern einfach, um eine Rolle zu besetzen.

Gleiches gilt für die Geschlechter: Männliche Krankenpfleger und weibliche Ingeneurinnen, etwa in Doctor Who, kehren alte Geschlechterrollen, manchmal auch mit einem Augenzwinkern, um.
Mein persönliches Highlight wäre ein weiblicher Doctor! Der Doctor ist schließlich nur ein Alien, dass eine menschliche Körperform annimmt. Aus welchem Grund sollte es kein weiblicher Körper sein? Das würde auch die Liebschaften, die der Doktor dann und wann mal zu haben pflegt auf eine ganz neue Art und Weise interessant machen.
Wo wir bei dem Punkt Liebe sind: Besonders in Doctor Who, aber auch wieder generell bei britischen Serien ist mir aufgefallen, dass es nicht diesen permanenten Fokus auf Sex und Liebe gibt. Sex wird nicht gänzlich außen vor gelassen, aber er ist nicht der Mittelpunkt des Universums, wie es uns in so manchen Hollywoodschnulzen weißgemacht wird.
Vielmehr noch geht es um die Liebe, die wiederum realistisch in all ihren Facetten und Höhen und Tiefen dargestellt wird. Kein Schwarz und Weiß, kein richtig oder falsch, kein gut oder böse, sondern die bunte Vielfalt, die unser Leben so komplex und schwierig, aber auch herausfordernd und lebenswert macht.

Meine Serienempfehlungen – Mit guten Stories und viel Tee

Hier meine persönliche, erlesene Auswahl britischer Produktionen mit komplexen Charakteren, packenden Geschichten, trockenem Humor und, nicht zu vergessen, allen Facetten britischen Akzents:

Broadchurch – Ein Kriminalfall zerreißt eine Familie und eine ganze Gemeinde. Olivia Colman und David Tennant spielen die Rollen der Kriminalentwicklung und werden auch emotional in den Fall verwickelt.

Happy Valley – Catherine Cawood ist Sergeant von West Yorkshire und musste vor 9 Jahren den Selbstmord ihrer eigenen Tochter verarbeiten. Als Anlass dieser tragischen Tat, sieht sie einen jungen Mann, der gerade erst wieder aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Doctor Who – Muss ich nicht viel zu sagen oder? Zeitreise, Wibbly-Wobbly-Timey-Wimey. Abgespaceter Kram mit philosophischen Fragestellungen.

Misfits – Eine Gruppe Jugendlicher, die aus unterschiedlichen Gründen zum Sozialdienst verdonnert wurden, kommt durch Zufall an Superkräfte.

Downtown Abbey – Das Leben des Adels und seiner Dienerschaft Anfang des 20. Jahrhunderts befindet sich im Wandel der Zeit und könnte nicht realistischer und schöner dargestellt werden.

Black Mirror – Abgeschlossene Einzelfolgen in denen technologische Dystopien gezeigt werden. Auch wenn es philosophischen Gedankenspielereien sind, gehen die Geschichten unter die Haut, denn der Schritt von unserer Realität zu der fiktiven Welt ist nicht sehr groß.

The IT-Crowd – Trockener, britischer Humor über die Kluft zwischen Nerds und den Rest der Welt. So gar nicht jedermanns Geschmack, wie ich feststellen musste, aber einen Versuch wert!

Penny Dreadful – Sämtliche Groschenroman-Figuren und Phantasiewesen der viktorianischen Zeit haben ihren Platz in dieser Serie gefunden. Wem die alten Geschichten von Hexen, Werwölfen und Frankensteins Monster gefallen, wird die düstere Welt von Penny Dreadful lieben!

Welche Serien könnt ihr mir noch empfehlen? Ich schaue natürlich auch nicht-britische Serien, aber sie müssen gut sein! ;)

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1 Antworten zu “Warum wir mehr britische Serien schauen sollten”

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