Kultur und Medien

Catch Me Random: Ich bin massenkompatibel

Ich habe keine Zeit. Ich bin nicht in der Stadt. Ich habe Besuch. Meine Katze ist krank... man kann sozialen Kontakten sehr kreativ auszuweichen.
| Janna Meyer |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

seitenwaelzer

Ich habe keine Zeit. Ich bin nicht in der Stadt. Ich habe Besuch. Meine Katze ist krank. Mein Hund hat Durchfall oder das Klassische: Ich habe keinen Bock. Die Fantasie kennt keine Grenzen. Der Mensch als höchst sozial ausgebildetes Endstadium der Schöpfung ist ein perfider Bastard, wenn es darum geht, den sozialen Kontakten auszuweichen.

Könnte es auch an mir liegen? Vielleicht. Ignoriere ich das? Definitiv.
Abmachungen und Pünktlichkeit sind was für Noobs. Nur der, der zu spät auf einer Party erscheint, wird auch gesehen. Das ist simple Mathematik, wenn man eine gesunde narzisstische Ader hat. Also erst um zwei Uhr in den Club, um zwölf auf die Party oder um sieben beim verabredeten Abendessen mit Freunden sein. Warum man erst in den Club geht, wenn ich normalerweise von Homeparties mit Billigwein unterm Arm die Party verlasse, ist mir ein Rätsel. Man ist müde, man hat die Phase der Motivation schon lange hinter sich und man wartet nur drauf, sich endlich mit Anderen zum großen Massenschwitzen zu treffen und dazu das frischrasierte Tanzbein zu schwingen. Da kann ich demjenigen, der die Afterhour erfunden hat, nur zu einer gottverdammten nobelpreiswürdigen Idee beglückwünschen.

Parties, die morgens um 11 beginnen, sind für knallharte Rockstars wie mich, die samstagabends um 23 Uhr im Bett liegen, das Paradies am Ende des Regenbogens. Aufgewacht, ausgeschlafen, aufgestanden, ab zum Club. Frühstück gibts unterwegs oder für die Veganer unter uns als Line auf der Clubtoilette. Das sogenannte Nuttenfrühstück ist da, der Allrounder, das in jeder gut sortierten Drogenküche zu finden ist. Vegan, glutenfrei, laktosefrei, Paleo, low carb. Während ich also noch nüchtern über das Gelände des von der Party der letzten Nacht gezeichneten Clubs laufe, überkommt mich ein Gefühl der Entspannung. Ich falle nicht auf, niemand interessiert sich für mich. Mein „All Black Everything“-Look unterstreicht meine PseudoCoolness, wirkt aber wie ein Tarnumhang. Alle sind in ihrer eigenen Welt. Was immer ich tun will, kann ich hier tun. Ein Privileg der Großstadt, ein Privileg des Durchschnitts. Das einzige, das mich zum massenkompatiblen Menschen macht, ist die obligatorische Partyzigarette.

Der blaue Dunst ähnelt dem Nebel der Dark Sauls-Reihe, der einen ein Level weiter bringt. So schädlich Rauchen auch ist, so unersetzbar ist es, um unverbindlich mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Und gerade als ich anfange mich wohl zu fühlen, mich auf Leute und Stimmung einzulassen, bin ich auch schon wieder allein. Meine Freunde sind müde, haben keine Zeit, die Katze ist krank oder haben einfach keinen Bock. Meine Massenkompatibilität verpufft. Ich fühle mich komisch, allein im Club zu sein. Mich verlässt der Mut. Noch ein letzter Zug und ich trete den Nachhauseweg an. Vorbei an den Leichen, die seit vorgestern den Weg nicht raus gefunden haben und zurück in meine Komfortzone.

Denn jetzt bin ich müde, hab keinen Bock und meine Katze ist krank.

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne CATCH ME RANDOM.

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Janna Meyer

Ich bin Janna, 23, geboren in Ostfriesland, gestrandet in Berlin. Zwischen Mate und Jute spiele ich die rasende Reporterin, die sich mit den Themen der Quarterlifecrisisjägern auseinander setzt. Auf catchmerandom.de und auch für seitenwaelzer.de veröffentliche ich regelmäßig meine Beiträge für die Allgemeinheit. Nebenbei studiere ich Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der FU Berlin.

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