Abi - und dann? / Bildung und Karriere / Studium

Entscheidungen gefällt, angezweifelt und viel gelernt

Ich komme jetzt ins fünfte Semester und dabei studiere ich mein Fach erst seit dreien. Warum? Hier möchte ich einen Rückblick auf meine Unilaufbahn werfen
| Robin Thier |

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Robin Thier

Ich komme jetzt, laut Semesterbescheinigung, in mein fünftes Semester an der Uni und dabei studiere ich mein Fach erst seit drei Semestern. Das erste Jahr studierte ich etwas anderes und möchte hier jetzt einen kleinen Rückblick auf meine Unilaufbahn werfen.

Die Schule ist vorbei und das Abitur, das feste Ziel, auf das 12 Jahre lang hingearbeitet wurde, ist geschafft. Die große Frage des „und nun?“ steht im Raum und für mich war sie nicht besonders einfach zu beantworten. In der Schule gab es eigentlich kein Fach, was ich mit Abstand am besten gekonnt hätte. Eigentlich war ich in den meisten Bereichen ziemlich gut, was die Wahl eines Faches jedoch ungemein schwierig machte. Am liebsten, so glaube ich noch immer, hätte ich gleich in den verschiedensten Bereichen studiert – aber man muss sich nun einmal festlegen.

Biologie und Philosophie sollten es sein. Das eine Fach ging in die naturwissenschaftliche Richtung und auch die gesellschafts- und geisteswissenschaftliche Seite wurde abgedeckt. Mit meinem damaligen Berufsziel, dem Journalismus im weitesten Sinne, deckte sich diese Kombination ebenfalls noch und daher begann ich direkt im Wintersemester nach dem Abi und einem dreimonatigen Praktikum mein Studium in Münster. Die Ernüchterung ließ leider nicht lange auf sich warten. Zwar machten mir beide Fächer Spaß, diese waren auch schon zu Schulzeiten unter meinen Lieblingen, aber neben dem Inhalt gibt es noch immer die Art, WIE man lernt. Diese Art zu arbeiten, beziehungsweise die Art, wie man uns etwas beibrachte, missfiel mir an Biologie bereits nach kürzester Zeit. Unterrichtet wurden wir von Studenten des dritten Semesters, die als Teil ihrer Ausbildung einen Bereich „Pädagogik“ hatten, der eine Tätigkeit als unbezahlter Tutor mit umfasste. Zusammen mit einer nur 45-minütigen Vorlesung waren die wöchentlichen Aufgabenzettel, die wir dann mit den zwangsverpflichteten Tutoren, deren Motivation manchmal zu wünschen übrig ließ, besprachen, der einzige inhaltliche Input.

So wollte ich mich nicht mit dem Fach beschäftigen und die ganze Atmosphäre des Studiengangs hatte mich relativ schnell abgeschreckt. Ich konzentrierte mich also voll auf mein Studium der Philosophie und beschloss, bei der nächsten Gelegenheit das Zweitfach zu wechseln. Philosophie hingegen war genau das Richtige. In Teilen sehr anspruchsvoll mit einem breiten und informativen Themenspektrum, habe ich dort in nur zwei Semestern unzählige Fähigkeiten erworben, die mir bis heute helfen. Dazu gehören eine klare Ausdrucksweise, das Verstehen und Analysieren von schwierigen Texten und verqueren Gedankengängen, das logische Denken sowie das Prüfen von Argumentationsstrukturen, kurzum die gesamte Arbeit an und mit Texten.

Klausuren, Hausarbeiten, Seminare und Vorlesungen zogen vorbei, wir befinden uns ein Semester später und es stellt sich die Frage nach einem geeigneten Zweitfach. Zur Erläuterung: Philosophie kann man an meinem Studienort Münster nur im Rahmen eines Zwei-Fach-Bachelors studieren. Zur Auswahl und auf meiner Liste war erneut Vieles, darunter Fächer wie Geschichte oder Kommunikationswissenschaft, Germanistik oder Soziologie. Am Ende kam jedoch alles anders. Durch eine Freundin bekam ich Einblicke in ein Fach, das mich jetzt so von der Perspektive eines frischgebackenen Studenten aus, nicht besonders interessiert hatte: Jura. Doch mehr und mehr erfuhr ich, dass es in den Rechtswissenschaften weder um das stupide Auswendiglernen von Gesetzesbüchern, noch um „irgendwas, was Anwälte machen“ handelt. Stattdessen bietet es eine relativ breite Auswahl an verschiedenen Themen und Teilgebieten. Eigentlich logisch, denkt man einmal darüber nach, dass uns Rechtsvorschriften in fast jedem Bereich des Lebens vorkommen.

Auch der Philosophie steht das Fach näher, als es ein Philosoph oder Jurist vielleicht zugeben möchte. Zum einen ist mit dem Recht auch immer eine bestimmte Vorstellung von Moral oder Gerechtigkeit verknüpft, zum anderen bedient man sich logischer und argumentativer Strukturen um das Gesetz auf einen Fall anzuwenden. Schlussendlich bot mit Jura etwas, was ich bei der Philosophie insgeheim ein wenig vermisste: Den Realitätsbezug. Alles, was man dort lernt, kann man irgendwie direkt anwenden und schon in den ersten Semestern beschäftigt man sich mit Käufen, Totschlägern und den Grundrechten.

Das Fach ist anspruchsvoll und die Denkweise ab und zu sehr eng, außerdem gibt es kaum eine engstirnigere Art des Schreibens, als die eines juristischen Gutachtens, so meine Erfahrung, aber dennoch macht es sehr viel Spaß sich mit den Themen zu beschäftigen.

Aber was will euch dieser Artikel sagen? Ich möchte niemandem nahelegen Biologie, Philosophie oder Jura zu studieren, oder etwas anderes. Was ich hier sagen möchte: Macht etwas, was euch liegt und wo ihr gut mitkommt. Nichts ist lästiger, als ein Fach, durch das ihr euch durchquält und am Ende zwar einen Job bekommt, aber dort nicht glücklich seid. Lieber einmal, zweimal, dreimal das Studienfach wechseln (solange das BAföG-Amt das Ganze mitmacht) bis ihr etwas Richtiges gefunden habt. Oft ist der Gang zur Studienberatung Gold wert, denn dort kann man euch bei Selbstzweifeln helfen und klären, ob es Sinn macht, ein Studium weiter zu verfolgen, oder den Studiengang zu wechseln.

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Gründer von seitenwaelzer, lebt in Münster und beschäftigt sich in seiner freien Zeit mit Bildbearbeitung, Webseitengestaltung, Filmdrehs oder dem Schreiben von Artikeln. Kurz: Pixelschubser.

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