Interview / Studium / Wissenschaft und Technik
Ein eigenes Start-Up? – Ein Interview mit Gründer Heinz Harling (Teil 1)
Heinz Harling, Gründer des Stuniken-Clubs Hamm, ist langjähriger Vorstands-Vorsitzender der technotrans AG. Wir haben ihm unsere Fragen rund um die Themen "Gründung" und "StartUps" gestellt.
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Heinz Harling, Gründer des Stuniken-Clubs Hamm, ist langjähriger Vorstands-Vorsitzender der technotrans AG. Wir haben ihm unsere Fragen rund um die Themen „Gründung“ und „StartUps“ gestellt.
Sie haben bereits als Student gegründet, das Projekt aber ziemlich früh wieder abgebrochen, woran lag das?
Ich war schon damals sehr technikverliebt. Wir haben ein absolut tolles Produkt auf den Markt gebracht, bei dem es um 3D-Fotografie ging. Dazu entwickelten wir eine spezielle Kamera, mit der man hoch-plastisch wirkende Aufnahmen machen konnte, wobei sich unser Produkt mit der Aufnahme von Stadtansichten beschäftigte. Das in Auflage gedruckte Produkt hieß „Stadtprofile“war technisch im Bereich der 3D-Fotografie vor 35-40 Jahren schon ziemlich klasse. Das erste Profil haben wir von Hamburg gemacht. Was aber nicht funktionierte waren die Bereiche Marketing und Vertrieb. Unser Produkt war gut, aber diese Bereiche damals schlecht geplant, was dann hinterher zur Folge hatte, dass wir auf einem Haufen von dem Zeug sitzengeblieben sind. 6 Monate später haben wir uns dazu entschieden, die Firma geordnet zu schließen. Was habe ich unter vielem anderen daraus gelernt? Von Grund auf ein Unternehmen zu gründen ist eine schwere, risikoreiche, aber auch sehr reizvolle Aufgabe. Ich habe mich damals dann dazu entschieden, mir lieber ein kleines Unternehmen mit vorhandenen Grundstrukturen zu suchen und habe das Unternehmen „fb-apparatebau“ gefunden, damals mit nur 14 Mitarbeitern und habe aus diesem Unternehmen ein Größeres entwickelt, heute mit über 800 Mitarbeitern. Dort habe ich zunächst fast 10 Jahre den Vertrieb und die Produktlinien des Unternehmens aufgebaut,war dann 10 Jahre lang Geschäftsführer und danach 10 weitere Jahre Vorstandsorsitzender mit Börsengang und allem Drum und Dran. Aber irgendwann war es dann auch mal gut. Das war im Jahre 2008. Seitdem bin ich Vorsitzender des Aufsichtsrates diees Unternehmens und beschäftige mich heute nebenbei unter vielem anderem mit Start-Up-Unternehmen. Ich begleite, berate und investiere dabei in Unternehmen, was mir sehr viel Spaß macht.
Wie denken sie unterscheidet sich die Gründungssituation damals von der heutigen?
Ich glaube, dass es heute bei einigen Gründungen einfacher ist als damals, gerade im Bereich der App-Industrie. Da sind die Einstiegshürden, um ein Produkt auf den Markt zu bringen verhältnismäßig gering. Dies ist mit einem physikalischen bzw. technologischen Produkt, nach Kosten und Aufwand betrachtet mit einer App-Entwicklung nicht vergleichbar. Eine neue App zu entwickeln kostet unter glücklichen Umständen vielleicht etwas mehr als 5.000€, was für ein technologisches Produkt nicht einmal ansatzweise ausreichen würde. Selbst ein funktionierendes Dienstleistungsunternehmen aufzubauen halte ich für aufwändiger als eine App-Entwicklung, wenngleich man auch nicht unterschätzen darf, dass das Marketing für eine App auch noch eine ganz andere Geschichte ist. Aber eben aufgrund der Einfachheit der App-Gestaltung denke ich, dass sich dieser Bereich aktuell etwas inflationär verhält. Ich veranstalte nebenbei hier in Hamm den Geschäftsideen-Wettbewerb an den Hochschulen, wo ich regelmäßig sehe, dass von den Einsendungen stellenweise mehr als ein Drittel der Ideen Apps sind. Die Wenigsten davon werden hinterher erfolgreich sein.
Wie viele von den Zusendungen die sie bekommen halten sie tatsächlich für sinnvoll?
Ich denke, ca. ein Viertel der Einsendungen die wir für den Wettbewerb bekommen, sind tatsächlich brauchbar, der Rest sind manchmal auch nur intellektuelle Übungen. Ich mache an der Hochschule Hamm-Lippstadt selbst eine Vorlesungsreihe zum Thema „Businessplan“. Ein guter Businessplan ist auch immer der, der zeigt, dass die Idee nicht funktioniert, dass erspart auf jeden Fall Fehlinvestitionen. Den Businessplan eher als Werkzeug anzusehen ist hierbei meiner Meinung nach der richtige Ansatz. Man sollte in der Lage sein sich substanziell und strukturiert mit einer Idee zu beschäftigen, ggf. auch nur um zu erkennen, dass sie nicht funktioniert.
Haben sie ein konkretes Beispiel beobachten können, dass gezeigt hat, was heute funktioniert?
Im App-Bereich gibt es trotz der Überflutung des Marktes viele interessante Geschichten. Ich habe vor kurzem erst den Entwickler der „iLiga“-App getroffen, eine App, die den meisten Fussball-Interessierten ein Begriff ist. Quasi die zentrale App, um Bundesliga-Ergebnisse abzurufen, was, wie es sich gezeigt hat, bei vielen Leuten großen Anklang findet.
Ich selber bin unter anderem in einem Spin-Off der Fraunhofer-Gesellschaft im Bereich der Medizintechnik engagiert, welches sich mit der Ortung verschiedener Regionen im Körper beschäftigt, speziell im Gehirn. Das ist sowohl aus medizinischer, technischer, wie auch aus wirtschaftlicher Sicht sehr interessant.
Was halten sie für die größten Anfangsschwierigkeiten für Gründer heutzutage?
Am Anfang jeder Idee zur Gründung steht eigentlich ein Businessplan und der, meines Erachtens nach am häufigsten gemachte Fehler, ist, dass die Leute sich nicht durchdringend genug mit ihrer Idee beschäftigen, also die Idee wirklich von allen Seiten betrachten. Dabei ist, wie ich damals selbst feststellen durfte, die nicht ausreichende Marktkenntnis das A und O. Man muss sich ausführlich mit dem Marktsegment beschäftigen, in welches man eindringen will. Wenn ich also nicht weiß, welche Player in dem Marktfeld unterwegs sind, wie mein Kunde tickt, dann wird mein Konzept vermutlich scheitern.
Das nächste Thema, dass ich auch nicht für unwichtig halte, ist die Einzigartigkeit der Idee, denn es macht keinen Sinn etwas zu gründen, was so ist wie andere Konzepte auch. Man sollte sich mehrere Fragen stellen wie z.B.: Was zeichnet das Unternehmen aus? Was ist neu? Warum soll der Kunde mein Produkt kaufen? Diese Fragen kann man sich als Gründer gar nicht oft genug stellen.
Auf der positiven Seite denke ich aber, dass es früher zu meiner Zeit wesentlicher schwieriger war an Kapital zu kommen. Heutzutage gibt es relativ viel Kapital von verschiedenen Seiten, ob nun „Business-Angels“, Fond-Gesellschaften oder Privatinvestoren. Es gibt relativ viel Geld, aber relativ wenig Ideen und Geschäftsgründungen. Das war damals eher umgekehrt.
Passend zum Thema: Ihre Meinung zu Crowd-Funding?
Tolle Geschichte! Etwas was es zu meiner Zeit überhaupt nicht gab. So ist übrigens dieser Stuniken-Club entstanden, damals über einen Aufruf an die Hammer Bürgerschaft.Wir haben damals gesagt, dass, sollten sich 150 Hammer Bürger finden, von denen jeder 1.000 € auf ein Sperrkonto einzahlt, werden wir hier in Hamm eine historische Immobilie zu einem stilvollen Clubhaus ausbauen. Das war im April 2011. Schon am 1. Dezember des gleichen Jahres konnten wir das Clubhaus eröffnen. Historisch übrigens ein absolut bemerkenswertes Haus, in dem damals der wohl bedeutenste Vertreter der Aufklärung in der Stadt Hamm gelebt hat, Johann Bernhard Stuniken. Ich bin auch ein historisch sehr interessierter Mensch, was mich dazu bewegte, damals dieses Haus privat zu kaufen und große Teile der Grundrenovierung zu finanzieren. Ich denke, dieser Stuniken war ein toller Typ und die Erinnerung an ihn sollte man wach halten. Unser Stuniken-Club hat sehr viel mit dessen bürgerschaftlichem Engagement und Unternehmertum zu tun. Der größte Club innerhalb unseres Clubs ist unser Hammer Wirtschaftsclub, seit Januar diesen Jahres gibt es sogar einen regelmäßigen Start-Up-Evening.
Als Gründer des Stuniken-Clubs, wie denken sie unterscheidet sich die Gründung eines Vereins von der Gründung eines Unternehmens?
Ich sage spaßeshalber öfters, dass ich so eine Vereins-Gründung, zumindest mit Trägerschaft einer anspruchsvollen Gastronomie, nie wieder machen würde. Das habe ich wirklich aus Idealismus und aus Liebe zu diesem Haus und seiner Geschichte getan. Heute weiß ich, dass die Gastronomie ein furchtbar schwieriges Geschäft ist in dem Regeln gelten, die man in keinem Industriebetrieb findet.
Wenn sie heute noch einmal Gründer werden wollten, mit dem sich bisher angeeigneten Kenntnissen, wo würden sie hingehen und welche Leute würden sie ansprechen, um Informationen zu sammeln?
Ich glaube, dass das viel mit der einen umgebenden Community zu tun hat. Man sollte sich in einem kreativen Umfeld befinden. Aus eben diesem Grund ist beispielsweise die Berliner Gründerszene so erfolgreich, da es dort sehr viele Unternehmen gibt, die relativ gut miteinander netzwerken und sich über die Thematik „Gründung“ austauschen. Dort siedeln sich dann entsprechende Investoren an und es bilden sich Gründerzentren. Das Umfeld ist also nicht unwichtig und gehört zu den Dingen, die viele Städte, darunter auch Hamm, noch lernen müssen. Die Errichtung einer Hochschule alleine sehe ich nicht als entscheidenden Wirtschaftfaktor. Echte wirtschaftliche Impulse entstehen erst durch Technologiezentren und entsprechende Firmen, die sich im Umfeld dieser Hochschulen ansiedeln. Um aber eine solche Gründerinfrastruktur zu kultivieren, müssen wir Gründer zusammenbringen, worum wir uns mit unseren Start-Up-Evening bemühen. Wir müssen die aber auch wiederum mit Finanziers und bestehenden Unternehmen vernetzen. Eben genau dieses Netzwerken haben wir uns mit unserem Club groß auf die Fahne geschrieben.
Neugierig geworden? In Teil 2 des Interviews geht es um Anfangsprobleme, schwierige Phasen und einige Tipps zur Unternehmensgründung.
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Patrick Schuster
Schönen guten Abend meine Damen und Herren, ich bin Patrick und mittlerweile seit ein paar Jahren im seitenwaelzer.de-Team. Ich bin aktives Mitglied unseres Spontan-Spontan-Podcasts und schreibe sonst viel im Bereich Technik und Innovation.
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