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Von Schwierigkeiten und Übernahmen – Ein Interview mit Gründer Heinz Harling (Teil 2)
Dies ist Teil zwei unseres spannenden Interviews mit Unternehmensgründer Heinz Harling rund um das Thema "Start-up" und "studentische Gründung".
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Dies ist Teil zwei unseres spannenden Interviews mit Unternehmensgründer Heinz Harling rund um das Thema „Start-up“ und „studentische Gründung“. Hier geht es zu Teil 1.
Ist die Mentalität der Gründer heute noch die gleiche wie damals?
Ich glaube nicht, dass sich die Mentalität von Gründern damals zu heute grundlegend unterscheidet. Was man definitiv weiß ist, dass es heute deutlich viel weniger Gründer gibt als früher, was ich für ein gesellschaftliches Problem halte. Es lösen sich natürlich immer mal wieder Firmen auf, es kommen aber zu wenig neue nach, woraus auf lange Sicht natürlich auch ein Arbeitsplatzproblem entsteht. Was die generelle Mentalität angeht glaube ich, dass es einfach den „Unternehmer-Typ“ gibt, der sich selbst verwirklichen möchte in dem was er tut und sich nicht von irgendwelchen Leuten sagen lassen möchte, was und wie er es zu tun hat. Das sind heute die gleichen Menschen wie damals. Was früher vielleicht ein bisschen anders war, was ich besonders heute in meinen Vorlesungen merke, ist, dass heute ein stärkerer Team-Gedanke vorliegt als damals. Sprich: heutzutage erlebt man viel öfter, dass sich eine Gruppe von Leuten zusammentut, die gemeinsam eine Firma gründet. Früher hatte man eher den Eindruck, dass es Einzelkämpfer sind, die sich dem Gründertum zuwenden. Natürlich haben diese dann nicht alleine ein Unternehmen gegründet, sondern sich Leute gesucht, aber es war eben nur EIN Unternehmer, dem am Ende die Firma gehörte. Die Gruppen, die sich heutzutage zusammenfinden, kommen meistens 3-5 Menschen aus verschiedenen Studiengängen, was auch sehr sinnvoll ist, die alles gemeinsam auf die Beine stellen.
Wie unterscheidet sich daraus folgend die Unternehmensstruktur von der herkömmlichen?
Heutzutage haben sie im Regelfall einen breiter gestreuten Gesellschafterkreis als früher, man denkt viel eher an Mitarbeiterbeteiligung, speziell bei leitenden Mitarbeitern und besonders in Start-Up-Unternehmen. Ob nun in Berlin oder anderen Städten, sie werden kaum ein Start-Up mit nur einem Eigentümer finden, sondern haben im Regelfall ebenfalls Investoren und eine irgendwie geartete Form von Mitarbeiterbeteiligung vorliegen, was ich für eine sehr gute Entwicklung halte.
Um noch einmal auf die damals-heute-Situation zurückzukommen. Heute bestehen viele große Unternehmen in den meisten Branchen, die gute Arbeitsmöglichkeiten bieten. Denken sie damals war Alternativlosigkeit ein Grund zur Gründung?
Nein, ich glaube das liegt zum Großteil daran, dass heute viel zu viele gute Jobs gibt, Stichwort „Fachkräftmangel“, in die sich ein Student hineinbegeben kann, sodass man nicht so schnell an eine eigene Gründung denkt, weil das Leben auch so schon attraktiv sein kann. Was er dabei vergisst ist, dass die Selbstständigkeit ganz andere Chancen bietet. Wenn sie wirklich erfolgreich sein wollen, kommen sie um eine Selbstständigkeit nicht drum rum, als Angestellter werden sie nie wirklich reich werden. Als DAX-Vorstand vielleicht, aber da ist die Luft stellenweise auch mal ziemlich dünn. Durch die Selbstständigkeit betreten sie eine vollkommen andere Welt, die mit großen Risiken und großen Chancen verbunden ist. Als Mitarbeiter sind sie etwas limitierter, was ihre Chancen angeht, sind aber im Gegenzug auch besser abgesichert.
Gab es Momente in ihrem Leben, ob nun in der Karriere oder als Clubgründer, wo sie lieber alles hingeschmissen hätten?
Meine letzte Erfahrung in der Hinsicht war dieser Club. Da habe ich schon öfter an der Stelle gestanden wo ich mir gesagt habe: Ich schmeiße das jetzt alles hin. Es war wirklich sehr viel Arbeit und das Bohren von ganz dicken Brettern. Vor allem das Bewältigen von kontinuierlichen Personalproblemen. Ähnlich dramatische Probleme hatte ich im Berufsleben nicht, das war zwar herausfordernd, aber das habe ich nicht als so schwierig empfunden.
Und Momente in denen sie froh waren, es nicht getan zu haben?
Die Entwicklung der technotrans, über eine GmbH zur AG, mit Börsengang usw. mitzuerleben, da wird der Erfolg schon zur Droge. Das hat mir damals sehr viel Spaß gemacht. Ein mikroskopisch kleines Unternehmen zu einem weltweit agierenden, marktführenden Unternehmen zu machen, das macht schon richtig Spaß. Dennoch hat mich auch damals manches Mal der Mut verlassen. Das war aber am nächsten Morgen dann wieder gut.
Gab es einen Punkt, an dem sie erkannt haben, dass das Unternehmen wächst und wozu es fähig sein könnte?
Es gibt so eine Schwelle in einem Unternehmen, die mir heute auch noch sehr stark bewusst ist und die liegt so ca. bei 50 Mitarbeitern. Bei einem Unternehmen mit ca. 50 Mitarbeitern kann davon ausgegangen werden, dass alle Positionen in dem Unternehmen ordentlich besetzt sind. Es gibt alle Abteilungen, Krankheitsfälle sind in der Regel unproblematisch, es besteht eine gefestigte Struktur. Diese Struktur weiterzuentwickeln ist meiner Meinung nach deutlich leichter, als eine Basisstruktur zu entwickeln. Deswegen berate ich auch am liebsten Unternehmen, die eben eine solche gefestigte Grundstruktur haben.
Was ich übrigens auch Gründern dazu ins Stammbuch schreiben würde: Denkt nicht nur alleine darüber nach, Geschäfte zu gründen, sondern denkt auch darüber nach, Firmen zu übernehmen. Es gibt so viele Firmen in Deutschland, die Nachfolge-Probleme haben, beispielsweise, weil der Gründer keine Kinder hat, oder weil die Kinder sich nicht eignen. Steigt in Unternehmen ein, beteiligt euch an den Unternehmen! Das ist als Unternehmer vermutlich die risikolosere Investition als selber ein Unternehmen zu gründen.
Und wie läuft eine solche Übernahme ab?
Man sollte sich natürlich genau überlegen, ob dass, was das Unternehmen macht, auch das ist, was einen selbst interessiert, wo man selbst Kompetenzen hat, wo man dem Unternehmen einen Mehrwert liefern kann. Man muss außerdem eine Idee haben, was man aus dem, das man gerade kaufen will, auch machen kann. Ein Unternehmen zu kaufen und genau so laufen zu lassen, wie es bisher lief, ist nicht gerade der ideale unternehmerische Gedanke.
Dann müssen sie natürlich sehen, woher das Kapital für eine solche Übernahme herkommen soll. Im Regelfall ist das aber weniger das Problem, da bei einem bestehenden Unternehmen Bilanzen und Bewertungen vorliegen, sodass sich in der Regel auch ein Geldgeber findet.
Letzte Frage: Was für weitere Tipps würden sie Gründern heute mit auf den Weg geben?
Mit Rückblick auf meine eigene Karriere kann ich sagen, dass es extrem wichtig ist, sich genaustens damit zu beschäftigen, in welchen Markt man expandieren möchte. Ich stelle immer wieder fest, dass die mangelnde Marktkenntnis bei der Gründung einer der Hauptfaktoren für das Scheitern junger Unternehmen ist. Wenn ich heute beispielsweise einen Rasenmäher auf den Markt bringen will, aber meine Wettbewerber nicht kenne oder nicht weiß, wie deren Vertriebswege funktionieren, geschweige denn warum ein Rasenmäher heute so ist wie es, dann ist das wahrscheinlich eine sehr blöde Idee.
Was ich sonst noch oft sehe ist, dass sich Buddies aus dem gleichen Studiengang zusammentun und eine Firma gründen. Mangelnde Vielfalt unter den Gründern ist in den meisten Fällen unangebracht. Optimal hingegen wäre beispielsweise eine Kombination aus technischem, vertrieblichem und betriebswirtschaftlichem Know-How.
Allerletzte Frage: Zum Thema Buddies in Unternehmen. Denken sie, dass bei einer erhöhten Mitarbeiterbeteiligung im Unternehmen heutzutage Freundschaften auch hinderlich sein können?
Ja, definitiv. Ich habe schon hier in Hamm Start-Ups und Freundschaften daran kaputt gehen sehen, dass die Leute sich nicht mehr miteinander verstanden haben. Deswegen wäre ich auch dafür, dass man vernünftige Verträge macht, wenn man so etwas macht. Beispielsweise der berühmte Gesellschaftsvertrag, der festlegt, wie die Anteile verteilt sind und wie sich diese im Laufe der Zeit verändern können. Eine Gründung heißt nicht nur, in den sagenhaften Erfolg hereinzulaufen, sondern auch sich mit vielen Schwierigkeiten auseinanderzusetzten und an eben diesen Schwierigkeiten können leider auch Freundschaften zerbrechen. Der Respekt füreinander darf dabei nicht auf der Strecke bleiben. Nicht das am Ende der Techniker immer Recht hat, sondern dass auch durchaus der Betriebswirt mal eingreift und sagen kann, dass eine Idee rechnerisch Blödsinn ist. Dann lässt man es lieber sein.
Wir bedanken und herzlich für das Interview und die vielen interessanten Einblicke.
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Patrick Schuster
Schönen guten Abend meine Damen und Herren, ich bin Patrick und mittlerweile seit ein paar Jahren im seitenwaelzer.de-Team. Ich bin aktives Mitglied unseres Spontan-Spontan-Podcasts und schreibe sonst viel im Bereich Technik und Innovation.
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