Gesellschaft und Lifestyle / Meinung / Reportage
Meine mallorquinischen Mitbewohnerin und ich
Letztes Jahr bin ich nach Mallorca geflogen, um dort ein Praktikum zu absolvieren. Wie anders man dort denkt, habe ich in Gesprächen mit meiner Mitbewohnerin erfahren.
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Am 8. Oktober letzten Jahres bin ich nach Mallorca geflogen, um dort für 2 ½ Monate ein Praktikum zu absolvieren. Die Wohnungssuche über die Website idealista.com gestaltete sich erfolgreicher als zuerst gedacht. So zog ich eine Woche nach meiner Ankunft in Palma in eine WG mit der Mallorquinerin Nagore im Stadtviertel Pere Garau. Unsere Konversationen verlaufen, abgesehen von ein paar spanischen Floskeln meinerseits, auf Englisch.
Nagore und mir fallen bereits in den wenigen Tagen unseres Zusammenlebens die kulturellen Unterschiede zwischen uns auf. Unser Zeitverständnis beispielsweise ist grundverschieden. Kurz nach meinem Einzug wollen wir zusammen einkaufen gehen und Nagore schlägt den Nachmittag vor. Ich sage ihr, dass ich eine Verabredung um 15 Uhr habe. „Mit nachmittags meine ich 18 Uhr“, meint Nagore grinsend. Schwierig gestalten sich außerdem die Abende, an denen wir gemeinsam Essen gehen möchten. Ich will um 19 Uhr los, sie um 21 Uhr. Doch ein Kompromiss ist schnell geschlossen und wir gehen um 20 Uhr Tapas essen. An einem Samstagabend begegnen wir uns, beide bereits in Schlafanzügen, im Flur. „Buenas Noches“, wünsche ich Nagore. „Oh, ich geh noch nicht schlafen“, erklärt die Mallorquinerin mir. „Ich schminke mich jetzt und gehe dann mit Freunden gegen 2 Uhr in einen Club.“
Unsere Gespräche werden häufig auch politisch. Spanien hat ebenfalls Probleme mit einer rechten Partei in der Regierung, die immer mehr an Zuspruch gewinnt. Im Zuge dessen hat Nagore eine Frage an mich und ich merke, dass sie mit sich ringt. Die sonst so selbstsichere Spanierin druckst herum und betont mehrmals, dass ich nicht antworten müsse, wenn ich nicht wollte. Schließlich wird mir klar, worauf sie hinaus will. „Geht es um den Zweiten Weltkrieg?“, frage ich und nehme ihr die Frage ab. Nagore nickt und hört gespannt zu, als ich ihr erkläre, wie offen in deutschen Schulen über den Nationalsozialismus aufgeklärt wird.
Ende Oktober fahren wir gemeinsam im Auto am Badeort „S’Arenal“ vorbei. „That’s the place where germans get crazy“, sagt Nagore zu mir. Also erzähle ich ihr vom Ballermann und dem Bierkönig. Die Mallorquinerin hat noch nie davon gehört. „You don’t know Calle del Jamón?“, probiere ich die Schinkenstraße zu übersetzen. Nagore weiß zwar, dass auf Mallorca viele Deutsche Urlaub machen, doch von der Bedeutung „Malles“ für viele deutsche Staatsbürger*innen hat sie keine Ahnung. Ich versuche, die Zuneigung, die zahlreiche Deutsche für das „17. Bundesland“ verspüren, zu erklären. „Denen ist aber schon klar, dass Mallorca eine spanische Insel ist?“, fragt Nagore verwirrt. Ja, diese Frage stelle ich mir auch häufig. Der Einfluss der vielen deutschen Urlauber*innen ist auf der ganzen Insel zu spüren. Beispielsweise sind die Schilder auf dem gesamten Flughafen in Palma auf Spanisch, Katalanisch und Deutsch. Deutsch steht auf Mallorca in der Prioritätenliste, also noch vor Englisch. So sprechen auch die meisten Verkäufer*innen hier eher Deutsch. Vor ein paar Tagen wollte ich mit Freundinnen aus Kroatien einen Weihnachtsmarkt besuchen. Die Kroatinnen waren total überrascht, als die Band auf der Bühne ihre Lieder auf Deutsch ansagten und fragten mich, was „Sauerkraut“, „Bratwurst“ und „Reibeplätzchen“ seien.
Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, mit einer Mallorquinerin zusammenzuwohnen. Nagore zeigt mir die andere Seite Mallorcas, fernab vom Ballermann, Schlager und Bierkönig. Mallorca hat eine wunderschöne Natur und eine interessante Kultur, die von den Einwohner*innen stark ausgelebt wird. Ich kann nur jedem empfehlen, diese zu erkunden und sich von dem Massentourismus loszulösen.
Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.
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Felicia Holtkamp
Angehende Journalistin im Online-Studium mit vielseitigen Interessen von der griechischen Mythologie und Sternzeichen über Reisen und Kulturen bis zu Game of Thrones und True-Crime-Fällen. Mein Patronus wäre ein Löwe.
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