Kultur und Medien / Musik

Miley Cyrus, der Sommerhit „Malibu“ und eine sehr persönliche Entwicklung

„I never would’ve believed you if three years ago you told me I’d be here writing this song.”
| Lisa Wakup |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Melanie Mauer | Unsplash

Als der erste Song von Miley Cyrus fünften Studioalbum vor ein paar Wochen veröffentlicht wurde, ließen viele Fans und Kritiker des 24-jährigen Popstars den klischeebehafteten Satz der lang ersehnten „Rückkehr zur alten Miley“ fallen. Ich muss zugeben, ihr letztes Album begeisterte mich ebenfalls nicht und ihre früheren vom Country beeinflussten Songs haben mir immer am besten gefallen. Doch etwas stört mich an dieser allgemeinen Aussage, die Miley Cyrus als eine Künstlerin darstellt, die unfähig ist sich zu entwickeln und einfach zu ihrem alten Ich zurückgekehrt ist, ohne ihrer musikalischen Entwicklung jegliche Anerkennung zu schenken. Meine Gedanken kreisen bei allen Skandalen um ihre Person der letzten Jahre und um die Frage: Warum wird eine gewisse Veränderung von Künstlern immer als etwas Schlechtes und Enttäuschendes dargestellt, und nicht als eine positive, wenn nicht sogar lobenswerte Eigenschaft?

Ja, ich sehe ihre Veränderung als eine individuelle Entwicklung und nicht als den typischen Abstieg eines abgehalfterten Disney-Stars, der sich nur durch Negativschlagzeilen in der Presse halten kann. Miley Cyrus hat bereits einen langen Weg hinter sich, der in ihrer frühen Kindheit begann. Ihr neuer Song „Malibu“ handelt von ihrer veränderten Herangehensweise an Dinge, die sie nicht versteht und ihrer neuen Offenheit gegenüber Unbekanntem. Ihre wiederentdeckte Liebe zu Schauspieler Liam Hemsworth spielt in diesem Prozess und in diesem Song ebenfalls eine große Rolle. Und genau das darf bei der Betrachtung nicht vernachlässigt werden. Jeder Künstler ist auch nur ein Mensch und kann mit der Zeit nicht immer dieselbe Person bleiben. Jeder entwickelt sich in seinem Leben in einer Art Prozess weiter und etwas so Persönliches wie selbstgeschriebene Musik verändert sich mit. Miley stand bereits mit 12 Jahren in der Öffentlichkeit und hat in der erfolgreichen Serie Hannah Montana eine allseits bekannte Figur dargestellt, die andere geschaffen haben. Doch wie kommt man später als 18-jährige aus dieser Figur wieder heraus, die alle in einem sehen, die aber nichts mit der eigenen Persönlichkeit zu tun hat? Wie schafft man es, sein eigenes Selbst zu entwickeln, wenn man jahrelang in der persönlichkeitsbildenden Phase seines Lebens eine vorgegebene Rolle spielen musste? – In dem man ausbricht und sich ausprobiert.

Mit Alben wie „Breakout“ (2008) und „Can’t be Tamed“ (2010) hat sie sich radikal dem braven Disney-Image entzogen und einen anderen, ihren eigenen Weg eingeschlagen. Dann kam „Wrecking Ball“ und alle sahen in ihr nur noch das nackte, traurige Mädchen auf einer Abrissbirne. Niemand redete wirklich über ihre schmerzvolle Trennung von Liam Hemsworth, die in diesem Song sehr eindrucksvoll und ehrlich verarbeitet wird. Spätestens nach ihrem viel diskutierten Auftritt mit Robin Thicke bei den MTV Video Music Awards 2013 wurde Miley Cyrus in der breiten Öffentlichkeit künstlerisch nicht mehr ernst genommen, sondern nur noch wie ein verzweifelt nach Aufmerksamkeit suchendes Popsternchen behandelt. Ihr Album „Bangerz“ (2013) und die darin enthaltenen Hits wie „Wrecking Ball“ und „We can’t Stop“ waren ihr letzter großer Erfolg. Ihr jüngstes Album aus 2015 – „Miley Cyrus and her Dead Petz“ – floppte und brachte ihr keine Chartplatzierung. Bei einer der Singles aus diesem Album „BB Talk“ inszenierte sie sich als kleines Baby um veraltete Rollenstandards einer unterwürfigen Frau in Beziehungen anzusprechen. Doch ihre Botschaft wird nicht verstanden und das Video bekam kaum Aufmerksamkeit. Ähnlich wie ihre aufreizenden, auffälligen Bühnenoutfits lediglich öffentliche Kritik eines durchgedrehten Mädchens mit schlechtem Einfluss auf die Jugend hervorbrachten. Ihre eigentliche Intention, auf das Problem aufmerksam zu machen, dass Frauen und weibliche Popstars oft nur als Objekt angesehen werden, wurde ebenfalls von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.

Im Interview mit Billboard über ihr neues Album in diesem Jahr offenbart Miley ihre Enttäuschung über diese Missverständnisse und erklärt eine Veränderung ihrer Sicht auf die Menschen und den Umgang mit ihnen. Sie habe gesehen, dass ihre Sprache und ihre Botschaft bisher nicht verstanden wurden. In Zeiten wie diesen, von politischen und gesellschaftlichen Krisen geprägt, sei es jedoch nicht richtig, sich von Menschen abzuwenden. Man müsse offen auf sie zugehen und zuhören. Nur so kann echter Wandel entstehen. Sie hat Lebenserfahrung gesammelt, wird politisch, macht sich Gedanken über ihre Stimme in der Gesellschaft. Sie will präsent und klar im Kopf sein und beendet dafür auch ihren jahrelang zelebrierten Marihuana-Konsum.

Ihr Song „Malibu“ ist auf eine ehrliche und unverstellte Form sehr persönlich geworden. Er erzählt von ihren Emotionen der letzten Jahre und ihrer neu entdeckten Liebe zu Liam Hemsworth, die die beiden erst wieder zusammen erarbeiten mussten. Zeilen wie

„[…] and sometimes I get so scared of what I can’t understand. But here I am next to you, the sky’s more blue in Malibu”,

machen deutlich, wie ein geliebter Mensch sie beeinflusst und verändert hat, sie wachsen lässt und ihr eine neue Sichtweise aufzeigt. Diese Botschaft ist universell und macht mich beim Hören ihres Liedes immer wieder nachdenklich über meine eigenen Einflüsse und Bereicherungen durch andere Menschen. Musikalisch besinnt Miley sich in diesem sehr sommerlichen Hit auf musikalischen Wurzeln des Folk und Country aus ihrer Kindheit und Einflüssen ihres Vaters, Country-Star Billy Ray Cyrus. Doch sie nutzt diese Wurzeln auf ihre eigene Weise und modernisiert den Song zu einem trendigen kalifornischen Beach-Vibe, zu dem man sich gerne bewegt. Im zugehörigen Musikvideo spielen etwa auch die Natur und der Strand als ein Symbol der Freiheit und Selbstfindung eine wichtige Rolle. In ihrer Kindheit kam sie durch die Lage ihres Heimatortes in Tennesee nie ans Meer. Miley und Liams gemeinsames Haus in Malibu stellt ihren Neuanfang dar, den sie auch textlich in ihrem Song besingt.

„Malibu“ ist also weder eine Rückkehr eines jungen Popstarts zu einer braven und kommerziellen Art Musik zu machen, noch ein komplett berechnender Neuanfang, um wieder Erfolg zu haben und Alben zu verkaufen. Miley Cyrus zeigt in diesem Song eine sichtbare musikalische und persönliche Entwicklung eines Menschen auf, der versucht sich nicht davor zu verschließen, wer er in diesem Moment ist und wie er sich fühlt, egal wie beängstigend das auch sein mag.


Quellen:
Billboard Interview: http://www.billboard.com/articles/news/magazine-feature/7783997/miley-cyrus-cover-story-new-music-malibu
Radio Interview Zach Sang: https://www.youtube.com/watch?v=CV1YDqQn1WQ
Malibu Song: https://www.youtube.com/watch?v=8j9zMok6two

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Lisa Wakup

Gebürtig aus dem schönen Wuppertal, studiere ich nun, meiner Leidenschaft nachgehend, „Populäre Musik und Medien“ in meinem 6. Semester in Paderborn. Ich lebe für Gesang und Musik, interessiere mich unter anderem für unterschiedliche Kulturen, Sprachen, reise sehr gerne und will dem Feminismus sein angestaubtes Image nehmen! Über all das schreibe ich hier ab und zu und hoffe ihr habt Freude dran.

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