Gesellschaft und Lifestyle / Meinung

Studierende wollen nicht von 9 bis 17 Uhr im Büro sitzen

“Bloß kein nine-to-five-job? Find ich ja mega ätzend!“ singt die Band „Kraftklub“. Doch vertritt sie damit wirklich die modernen Ansichten […]
| Amelie Haupt |

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9 to 5 joby im großen OfficeFree-Photos English | Pixabay

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“Bloß kein nine-to-five-job? Find ich ja mega ätzend!“ singt die Band „Kraftklub“. Doch vertritt sie damit wirklich die modernen Ansichten der Generation Y zu 40-Stunden-Woche, Gleitzeit, Homeoffice und 9-to-5-Jobs? Wir haben ein paar Studierende gefragt!

Martin

Ich finde den guten alten Arbeitstag von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr ehrlich gesagt unpraktisch. Mit einem Uni-Alltag ist das sowieso nicht zu vereinen. Ich arbeite gerne nachts oder abends, da ich ein ausgesprochener Morgenmuffel bin und in der üblichen Frühschicht von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr zu nichts zu gebrauchen bin. Auch Hausarbeiten und Ähnliches habe ich früher oft nachts geschrieben. Mittlerweile mache ich das aber lieber, wenn es draußen hell ist, auch wenn ich oft das Rollo zu mache (kein Scherz!).

Ich finde Projektgebundene Arbeit, wie Google das zum Beispiel macht gut: Mach dein Projekt fertig, danach kannst du in unserem kreativen Bereich an deinem eigenen Projektbaby basteln bis wir dir eine neue Aufgabe übertragen. Komm und geh wann du willst, Hauptsache die Resultate stimmen, du machst 30 Stunden die Woche und bist bei mindestens zwei Teambesprechungen anwesend. Ich finde das ein super gutes Konzept und bei Google funktioniert es auch.

Allerdings klappt das natürlich nicht überall. Selbst bei so dynamischen Unternehmen wie Google nicht, denn an manchen Bildschirmen muss immer jemand sitzen. Oder schaue man sich eine 24/7-Tankstelle an, da wo ich arbeite. Ich würde wohl kaum freiwillig von Mitternacht bis 8 Uhr arbeiten, wenn ich kommen und gehen könnte, wann ich will. Außerdem würde mich niemand um 8 Uhr ablösen, weil alle noch am Pennen sind. Man denke auch an Arbeitsbereiche wie die Krankenpflege, Unfallversorgung, Polizei etc.

Tine

Ein interessanter Punkt ist auch, dass man doch heute schon sieht, dass Jobs wegfallen werden. Wer braucht noch Fließbandarbeit, wenn die Roboter-Technik immer besser wird? Jobs für ungelernte Kräfte und einfachere Tätigkeiten werden immer mehr verschwinden und die arbeitslos gewordenen Leute fallen dann durch die sozialen Netze. Deswegen meine ich, dass man die Diskussion über Arbeitszeit nicht führen kann, ohne auch über Verminderung der Wochenarbeitszeit bei gleichem Lohn nachzudenken, um wieder mehr Leute in Lohn und Brot zu bringen. Denn was bringt es sonst, dass wir immer mehr Maschinen entwickeln die uns die Arbeit abnehmen? Wird nicht auf diese Entwicklung reagiert, hat man bald eine große arbeitslose Schicht, die keine Chance hat, Arbeit zu finden und immer weniger Arbeitende mit riesiger Panik vor dem Jobverlust, die die Anderen mit durch füttern müssen. Warum also nicht einen 40 Stunden Job auf zwei Stellen mit 20 Stunden aufteilen? Ich glaube, dass würde viele Leute glücklicher machen, weil sie mehr Zeit mit Familie und Freunden verbringen können.

Amira

Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als unproduktiv im Büro zu sitzen, weil ich gerade nichts zu tun habe oder zu müde und unkonzentriert bin. Warum soll ich dann meine Zeit absitzen? Ich möchte mir die Zeit so einteilen, wie ich am effektivsten arbeiten kann. Ich finde es immer witzig, wie das im Studium von uns erwartet wird. Aber sobald wir einen Job antreten, sollen wir kommentarlos einen vorgegebenen Zeitplan hinnehmen?

Letztens hat mir eine Freundin erzählt, dass es bei ihr im Büro Gleitzeit gibt und jetzt wird es lustig: mit einer Kernarbeitszeit von 10:00 Uhr bis 17:00 Uhr. Genau mein Humor. Manche Firmen haben den Schuss wohl noch nicht gehört. Ich finde das Argument „Die Leute müssen ja zusammenarbeiten und deswegen zu ähnlichen Zeiten im Büro sein“ absoluten Blödsinn. Dank Slack, Discord und Whatsapp ist es schonmal nicht zwingend nötig, am gleichen Ort zu sein, und für Teamarbeit können auch Termine gemacht werden. Und was spricht überhaupt dagegen, die Arbeitszeiten zu entzerren? Gerade im Diensleistungsbereich wären die Kund*innen sicherlich froh, auch nach 17 Uhr noch Personal erreichen zu können.

Tim

Gleitzeit FTW!

Patricia

Also ich habe unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Ich hatte sehr coole Jobs mit 40 Stunden und 9-to-5. Ich hatte aber auch schon unangenehme Jobs. Ob ich mit den Arbeitszeiten zurechtkomme hängt auch vom Spaß an der Arbeit ab. Mit Gleitzeit habe ich auch gute Erfahrungen gemacht, allerdings funktioniert das meiner Meinung nach im Dienstleistungsbereich in vielen Fällen nicht. Wie macht das ein Friseurbetrieb mit Kundenterminen? Homeoffice finde ich wiederum eine interessante Entwicklung, doch ich habe festgestellt, dass das nicht unbedingt für mich funktioniert. Ich brauche einen Ort, zu dem ich hinfahre, um dort zu arbeiten. Zu Hause bin ich nicht produktiv.

Zara

Wenn ich mir überlege, was ich später in meinem Leben gerne für Arbeitszeiten hätte, dann würde ich das Homeoffice wählen. Da bin ich flexibel und kann das mit Familie, also Kindern und Partner, koordinieren, sodass es klappt. Aber auch heute, neben Uni und Freizeit, sind flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice am Besten. In meiner nächsten Wohnung hätte ich daher gerne ein Arbeitszimmer. Das ist dann mein Ort, wo ich hingehe und arbeite und sonst nichts mache. Die Schwierigkeit ist nur, solch einen Job zu finden, der Homeoffice ermöglicht.

Christian

Ich bin ein Fan von den in den Niederlanden und Finnland aufkommenden Trends der freien Arbeitszeitgestaltung. Es ist anstrengend und kontraproduktiv, jedem Typ Mensch eine Zeit vorzuschreiben um konzentriert zu arbeiten. Mir geht es jeden Tag auf die Nerven und ich möchte nicht einmal schätzen, wie viel Arbeitszeit am Tag in den unproduktiven Phasen bei einem Wechsel zwischen Projekten, dem Checken privater Nachrichten und dergleichen draufgeht.

Gleitzeit ist hierzulande ein echtes Plus, noch besser ist es meiner Meinung nach allerdings, die traditionelle Arbeitswoche aufzubrechen. Bei der freien Arbeitszeitgestaltung kann man sich entscheiden, an welchen Tagen man arbeitet und wie viel pro Tag. Dadurch kann man ein längeres Wochenende haben, morgens/abends für die Kinder da sein oder Privattermine flexibel legen. Einzige Voraussetzung ist eine festgelegte Wochenarbeitszeit, die nicht unterschritten werden soll. Im Endeffekt arbeitet man länger am Tag, aber nach den Erfahrungen in diesen Ländern und Studien dazu sind die Arbeitnehmer glücklicher und um einiges produktiver.

Allerdings haben die meisten Unternehmen hier in Deutschland, von denen ich gehört habe, noch einen Stock im Arsch und können nicht von dem Gedanken „Alle im Büro sollen immer für alle ansprechbar sein, sonst herrscht ja Chaos“ lassen. Ich finde, wir sollten uns im digitalen Zeitalter von solchen Gedanken befreien. Dafür braucht es aufgeschlossene und experimentierfreudige Chefs.

Bloß kein 9 to 5 Job!

Der Trend geht also definitiv weg von der 40-Stunden-Woche mit 9-to-5 hin zu flexiblen Arbeitszeiten. Auch Arbeitnehmer*innen verstehen natürlich, dass bestimmte Zeiten eingehalten werden müssen, gerade im Dienstleistungssektor. Das Leben ist kein Ponyhof und wir werden uns unsere Arbeitszeiten nicht immer vollkommen selbstbestimmt legen können, aber es wäre schön, wenn wir ein Wörtchen mitzureden hätten. Ebenso ist das Homeoffice eine beliebte Möglichkeit, um das eigene Leben einfach zu organisieren, aber ganz ohne Büro und Team, würde der Job doch wohl arg langweilig werden. Ob die Unternehmen es wohl schaffen, sich auf diese Wünsche einzulassen? Nicht nur wir denken, dass sie davon profitieren werden. Auch eine Studie von Mozy zeigt, dass die Lockerung der Arbeitszeiten zu einer besseren Arbeitsatmosphäre und -leistung beiträgt. Und das ist doch schließlich das, was Unternehmen wollen, oder?!

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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