Bildung und Karriere / Studium
Zwischen Klausurenphase und Savoir-vivre: Mein Auslandssemester in Lyon
Ein Blick auf vier Monate in der Kulturhauptstadt Frankreichs voller aufregender Abenteuer und neuen Erfahrungen.
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Für mich war schon immer klar: Irgendwann möchte ich für eine längere Zeit ins Ausland! Nachdem meine Auslandspläne nach dem Abitur aufgrund der Coronapandemie zerplatzt sind, habe ich mich umso mehr auf mein Auslandssemester gefreut. In meinem 5. Semester sollte es also nach Lyon gehen, eine Stadt im Herzen Frankreichs.
Die Unterkunft
Dies wird wahrscheinlich der kleinste Absatz dieses Artikels sein, da ich einfach mal das Bild für sich sprechen lassen möchte. Auf 10 Quadratmetern lebte ich für vier Monate in diesem Zimmer und teilte mir das Bad mit sieben anderen Personen. Die Information der Hausverwalterin darüber, dass der Teppichboden schon 30 Jahre alt ist, hat leider auch nicht dazu beigetragen, mich dort wohler zu fühlen.
Aber wenn ich eine Sache von Franzosen gelernt habe, dann ist es, dass man lieber Geld für gutes Essen und Wein ausgeben sollte als für eine gute Wohnung. Am Ende verbringt man sowieso die wenigste Zeit zu Hause. Was ich aber auch gelernt habe ist, dass man vielleicht doch lieber die Google-Rezensionen einer Unterkunft durchlesen sollte, bevor man dort einzieht. Besonders wenn in den ersten Bewertungen Sätze wie „Wohnsitz unbedingt meiden“ und „DON’T GO TO THIS RESIDENCE!!!“ stehen… In meiner Erfahrung sind in Lyon private WGs die beste Option, da viele Wohnheime deutlich in die Jahre gekommen und sanierungsbedürftig sind.
Die Universität
Obwohl das Studieren eher im Hintergrund während meines Auslandssemesters stand, möchte ich die folgenden Dinge nicht unerwähnt lassen. Was mir noch sehr im Gedächtnis geblieben ist, ist die erste Sitzung der Vorlesung „French Civilization“, der die Auslandsstudierenden auf das Leben in Frankreich vorbereiten sollte. Um uns die französische Kultur näherzubringen, wurde uns erklärt, wie ein Wine Tasting funktioniert und was die besten Käsesorten Frankreichs sind. Das Beste daran? Unser Professor war gebürtiger Amerikaner.
Mehr über die französische Kultur lernte ich aber in Kursen über französische Künstler*innen und Philosoph*innen, die sogar mich als Kunstlaien fesselten. Die Uni begeisterte mich außerdem mit Unisex-Toiletten und kostenlosen Menstruationsartikeln.
Vor allem war die Uni aber der Ort, an dem ich wundervolle Freundschaften geschlossen habe. Entgegen meiner Erwartungen und den Berichten davon, dass man im Auslandssemester nur mit anderen Deutschen Zeit verbringt, lernte ich Menschen aus aller Welt kennen und meine Freunde kamen unter anderem aus Norwegen, Neuseeland, England und Australien.
Die Stadt und die Kultur
Wenn man in Lyon ist, fällt einem sofort auf: An jeder Ecke lauert Kunst! Sei es eine Statue, ein Wandgemälde, die Architektur der Altstadt, Straßenmusik oder das perfekt geformte Croissant. Nicht umsonst wird Lyon die Kulturhauptstadt Frankreichs genannt. Die Stadt zeichnet sich aus durch ein großes architektonisches Erbe, zahlreiche Museen und kulturelle Veranstaltungen sowie eine weltweit anerkannte Gastronomie.
Für mich war die Größe der Stadt perfekt. Groß genug, sodass immer etwas los ist und trotzdem klein genug, um sich wohlzufühlen. Einer meiner liebsten Orte in Lyon war das Flussufer der Saône. Tagsüber findet hier der Wochenmarkt statt, der mich stets mit Crêpes, Tartes und dem leckersten Obst und Gemüse versorgt hat.
Von dort aus hat man außerdem den perfekten Blick auf die Basilika Notre-Dame de Fourvière Lyon, welche zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
Unbedingt sollte man sich diese auch von innen anschauen, da das Innere der Kirche einem den Atem raubt!
Abends kommt an der Saône die halbe Stadt zusammen und es wird getrunken, getanzt und Musik gespielt. Alles ist in Bewegung, die Stimmung ist ausgelassen und im nächsten Moment findet man sich in einem Gespräch mit fremden Menschen wieder.
Lyon habe ich als einen Ort kennengelernt, an dem es für jeden Platz gibt und jeder so sein darf, wie er ist. So viele unterschiedliche Menschen kommen hier zusammen und es fühlte sich fantastisch an, ein Teil davon zu sein. Die Stadt ist so international und divers und hat zudem eine sehr große LGBTQIA+-Szene, was sich an zahlreichen queeren Bars und Clubs widerspiegelt.
Die Vielfältigkeit der Stadt lässt sich auch an dem riesigen kulinarischen Angebot erkennen. Von traditionell französischen Bouchons, einer Art Restaurant, das traditionelle Lyoner Küche serviert, bis hin zu äthiopischer Küche ist für jeden etwas dabei. Zudem ist Lyon die Heimat des weltberühmten Spitzenkochs Paul Bocuse, nach dem auch die zentrale Markthalle in Lyon benannt ist (Halles de Lyon-Paul Bocuse). Neben erstklassiger Patisserie und Confiserie findet man dort alles, was das Feinkost-Herz begehrt. Unser kulinarisches Highlight war jedoch ein Kebab mit Sauce Algérienne, welcher uns einige Male nach einer ausgiebigen Clubnacht rettete.
Lyon hat außerdem die perfekte Lage, um andere Orte in Frankreich zu besuchen. In zwei Stunden ist man mit dem Zug in Paris oder Marseille und mit dem FlixBus ist es möglich, viele kleinere schöne Orte in Frankreich zu erreichen. Mein liebstes Reiseziel war die Alpenstadt Annecy, die aussah, als wäre sie einem Märchenbuch entsprungen.
Wenn man über die Besonderheiten Lyons berichtet, darf man auch die jährlich stattfindende Fête des Lumières nicht vergessen. Vier Abende im Dezember wird die ganze Stadt mit Lichtilluminationen erleuchtet. Plätze und Fassaden symbolträchtiger Gebäude werden zum Schauplatz künstlerischer Installationen von lokalen und internationalen Lichtkünstlern. Die Geschichte besagt, dass die Bewohner Lyons mit dem Lichterfest der Jungfrau Maria dafür danken, dass sie 1643 vor der Pest bewahrt wurde.
Mein persönlicher Höhepunkt des Auslandssemesters war aber die Musikszene Lyons! Jeden Donnerstagabend traf man meine Freunde und mich bei der Jam-Session in der „Grooverie“ an. Während wir Wein tranken, tanzten wir zu den Klängen der Liveband, die mal Jazz, R&B oder Rap spielte. Darüber hinaus findet man in Lyon eine Reihe von Technoclubs, in denen internationale Acts wie Skin On Skin, Live from Earth oder DJ Heartstring auftreten.
Mein Fazit
Was nach dem Auslandssemester bleibt? Unglaublich wertvolle Freundschaften und Erlebnisse, an die ich mich immer wieder gern zurückerinnern werde. Das Auslandssemester hat mein Studium und mein Leben so bereichert, dass ich es jedem nur ans Herz legen kann, diese Chance zu ergreifen. Auch wenn sich mein Französisch leider kaum verbessert hat, schaue ich zurück auf vier Monate, die ich nie vergessen werde.
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Inga Nelges
…kommt aus dem schönen Baden-Württemberg und studiert seit 2021 Kommunikationswissenschaft in Münster. Sie begeistert sich für alle Bereiche der Popkultur: Sei es Musik, Filme, Serien oder Internet-Trends. Was ihr aber besonders am Herzen liegt, sind feministische Themen und soziale Gerechtigkeit.
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