Bildung und Karriere / Studium
Biologiestudium in Münster IV – Studenten zweiter Klasse
Bisher habe ich so viel Gutes über das Leben als Student und die Universität berichtet, da muss irgendwann der Punkt […]
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Bisher habe ich so viel Gutes über das Leben als Student und die Universität berichtet, da muss irgendwann der Punkt kommen, an dem auch Kritik nötig ist. In Biologie habe ich diesen Punkt erreicht und bemerkt, dass Klassengesellschaften wohl noch nicht der Vergangenheit angehören.
Ich hatte ja bereits in früheren Artikeln angemerkt, dass das Lernsystem in Biologie zunächst etwas gewöhnungsbedürftig ist. Hier noch einmal ein paar Erinnerungshilfen:
- – Jede Woche gibt es jeweils einen Arbeitszettel in Physik, Biologie und Chemie.
- – Die Arbeitszettel werden mithilfe der Lehrbücher bearbeitet.
- – Es gibt für jedes der Fächer Lerngruppen.
- – Einmal die Woche werden die Zettel in den Lerngruppen besprochen.
- – Die Lerngruppen werden von Studenten des dritten Semesters im Fachbereich Biowissenschaften geleitet.
- – Dies tun sie nicht freiwillig, es ist Teil ihres Lehrplans.
- – Die Lerngruppenleiter werden immer wieder bewertet und überprüft. Teilweise werden sie auch gefilmt.
- – Pro Semester werden drei Klausuren geschrieben (etwa alle vier Wochen eine).
- – Jeden Freitag gibt es eine allgemeine Vorlesung zum Thema „Naturwissenschaften“.
- – Diese Vorlesung ist der einzige Zeitpunkt, während dessen wir Kontakt zu einem Dozenten haben.
- – Die Vorlesung dauert nur 45, anstelle der normalen 90 Minuten.
Das klingt zunächst einmal nicht sonderlich kompliziert, aber es ist zugleich auch komplett anders, als das, worunter man sich ein Studium vorstellt. Zunächst einmal ist alles sehr verschult. Im Grunde muss man sich im Biologiestudium um kaum etwas selbstständig kümmern. Alle besuchen dieselben Vorlesungen und Veranstaltungen und behandeln denselben Stoff. Man kann hier überhaupt nicht vergessen irgendetwas zu wählen oder zu tun, vor allem, da man in den Veranstaltungen mehrfach darauf hingewiesen wird.
Sicherlich fühlen sich hier viele wie zu Hause, einfach, weil man sich komplett auf sein Studium konzentrieren kann und sich nicht mit der Organisation herumschlagen muss. Aber wer mit dem Gedanken spielt Biologie in Münster im Zwei-Fach-Bachelor zu studieren sollte sich dessen bewusst sein, dass er sich dann wirklich auf das Studium konzentrieren MUSS. Das Zweitfach hat gegen die wöchentlichen Aufgaben und den Lernaufwand in Biologie kaum eine Chance. Wer sich also auf Biologie konzentrieren möchte und nebenbei noch irgendetwas anderes „nur so“-machen möchte (um Lehrer zu werden benötigt man ja mindestens zwei Fächer) für den ist dieses Konzept vielleicht akzeptabel. Wenn man jedoch versucht beiden Fächern gerecht zu werden, so wie ich es vorhatte, der sollte sich vielleicht nach einer Alternative umsehen. Genau das werde ich nun auch machen.
Die Gründe für den Sinneswandel? Es ist nicht der Aufwand – damit kann man ja rechnen. Es ist vielmehr die Tatsache, dass man sich komplett alleine und unter minimaler Anleitung den Stoff „ins Hirn prügelt“ um mich mal dieses starken Vergleiches zu bedienen. Die Idee mit den Lerngruppenleitern mag zwar in Teilen ganz intelligent sein, schließlich hat man weniger Hemmungen einen anderen Studenten zu fragen, als vielleicht einen Professor, aber wieso muss man diese Tutorenleistung erzwingen? Wenn man Biologiestudenten des dritten Semesters, nebenbei denen, die überhaupt nicht Lehrer werden möchten, schon vorschreibt, sie müssen eine solche Lerngruppe leiten, dann kann man davon ausgehen, dass deren Motivation nicht gerade Höhenflüge veranstaltet. Um das ganze einmal mit Philosophie zu vergleichen: Dort gibt es ebenfalls Tutoren, die sich jedoch freiwillig gemeldet haben, durch den Professor ausgewählt wurden und ihre Arbeit bezahlt bekommen. Dann sieht das mit der Motivation schon ganz anders aus. Ich möchte meinen (ex-)Lerngruppenleitern nichts vorwerfen, sie haben ihre Sache sehr gut gemacht, wenn man bedenkt, dass sie das nicht freiwillig gewählt haben.
Natürlich kann man es auch positiv sehen, dass alle 4 Wochen die Klausuren geschrieben werden, anstatt, wie in anderen Studiengängen am Ende des Semesters, aber dadurch herrscht ein durchgehender Druck. Eine Woche Biologie schleifen lassen, weil man im Zweitfach gerade ein Referat vorbereiten muss, oder weil man dort ebenfalls lernt? Das sieht das System nicht vor.
Weiterhin weiß ich nicht, ob der Fachbereich Biologie nicht genug Professoren hat, oder ob man in die Erstsemester des Zweifach-Bachelors einfach keinerlei Ressourcen steckt, sondern lieber kräftig aussiebt. Man fühlt sich zuminest wie ein Student zweiter Klasse. Eine mickrige Vorlesung von 45 Minuten, die Inhalte vermittelt, die man eigentlich bereits mit dem Abitur beherrschen sollte? Naja, wenn das reicht…
Ich kann keine Auskunft darüber geben, wie es als Zweifach-Bachelor-Student an anderen Universitäten aussieht, aber ich weiß wie es in Münster gehandhabt wird und bin kein sonderlich großer Fan davon – Uni habe ich mir anders vorgestellt. Von daher ist dies mein letzter Biologie-Artikel – aber wer weiß, was noch kommt.
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Robin Thier
Gründer von seitenwaelzer, lebt in Münster und beschäftigt sich in seiner freien Zeit mit Bildbearbeitung, Webseitengestaltung, Filmdrehs oder dem Schreiben von Artikeln. Kurz: Pixelschubser.
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