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Me, Hightech and I – CRISPR

Seit einigen Monaten rauscht ein neues Akronym durch die Medien: CRISPR. Was ist das und was können Auswirkungen auf die Zukunft der Menschheit sein?
| Patrick Schuster |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Bearbeitet nach PublicDomainPictures | Pixabay

Seit einigen Monaten rauscht ein neues Akronym durch die Medien: CRISPR. Das steht für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Gut, da sind wir jetzt nicht schlauer als vorher. Was CRISPR eigentlich ist, und was es für Folgen für unsere Zukunft haben könnte, erfahrt ihr in diesem Artikel unserer “Me, Hightech and I”-Serie.

Was ist eigentlich CRISPR?

CRISPR wird oft als Synonym für die sogenannte CRISPR/Cas-Methode verwendet. Das ist eine Methode aus der Gentechnik, welche vor ein paar Jahren im Viren-Abwehr-System von Bakterien entdeckt wurde. Wie das im Detail funktioniert, könnt ihr euch beispielsweise hier angucken. So viel wollen wir kurz festhalten: CRISPR ist so eine Art organische Datenbank, die Genmaterial speichern kann. Ein sogenanntes CAS-Protein kann dieses Material dann im Organismus suchen und mit chirurgischer Präzision zerschneiden. Durch diese neue Entdeckung lassen sich die Kosten von vielen Experimenten im Bereich der Genforschung massiv reduzieren, bei einem deutlichen Gewinn an Präzision und Geschwindigkeit.

Gentechnik im Alltag

Aber bevor wir uns den Chancen und Risiken von CRISPR widmen wollen, lasst uns für einen Moment zurückrudern und mal in unseren heutigen Alltag gucken, zu dem genetische Manipulation schon längst gehört. Schauen wir beispielsweise auf den besten Freund des Menschen, so stellen wir fest, dass die Hunderassen, die wir heute täglich um uns haben, das Produkt selektiver Zucht sind. Ganz simpel betrachtet haben wir so lange Hunde miteinander gekreuzt, die unsere Wunsch-Merkmale in ihrer DNA tragen, bis wir beim Golden Retriever angekommen sind.

Das gleiche gilt für viele Pflanzen: Ohne das Kreuzen und Selektieren von Pflanzen hätten wir heute keine Bananen oder Gurken, wie wir sie kennen und unser Getreide wäre deutlich weniger ertragreich. Auch, wenn es bei “genetisch modifiziertem Mais” Vielen sauer aufstößt, ohne genetische Manipulation würden wir beispielsweise Insulin, das Diabetiker nicht selbstständig herstellen können, immer noch aus tierischen Bauchspeicheldrüsen gewinnen müssen, statt wie heute in großen Mengen aus Bakterien.

CRISPR in unserer Zukunft

CRISPR öffnet viele neue Türen, die uns lange verschlossen schienen. So wäre es beispielsweise denkbar, viele Erbkrankheiten, die oft auf kleine Veränderungen in unserem Genmaterial, also unserem “Erbgut”, zurückzuführen sind, von vornherein zu beheben. Somit könnten in ein paar Jahrzehnten Alzheimer, Trisomie 21 (Down-Syndrom), Multiple Sklerose, Adipositas und Osteoporose, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen, der Vergangenheit angehören.

Aber auch viele Infektionskrankheiten ließen sich ausmerzen, wie der wohl prominenteste Vertreter dieser Gattung: Malaria. Mithilfe von CRISPR und einem Prinzip namens “Gene Drive”, Englisch für Genantrieb, lassen sich die Mendel’schen Regeln, die der eine oder andere vielleicht noch aus dem Biologieunterricht kennt, umgehen (eine Erklärung auf Englisch findet ihr hier). So muss man sich nicht mehr auf die 50%ige Wahrscheinlichkeit verlassen, dass ein bestimmtes Gen von einem Elternteil auf den Nachwuchs übertragen wird. Am konkreten Beispiel des Malaria-übertragenden Moskitos konnte in Laborversuchen bereits eine Übertragungswahrscheinlichkeit von 99,5% erzielt werden.

Erbkrankheiten und Malaria zu heilen klingt schon einmal gut. Andere Anwendungsgebiete werfen aber gravierende ethische Fragen auf.

Menschliche Modifikationen

“Designer Babies” und dadurch “Designed Humans” ist ein Konzept, dass den Menschen schon seit vielen Jahren durch den Kopf geht. Das geht von Sätzen wie “Ich hoffe unser Kind kriegt später deine Augen”, bis hin hin zum Projekt “Lebensborn”, in dem die Nationalsozialisten versuchten, die Geburtenrate arischer Menschen zu fördern. Mit CRISPR könnten solche Ideen in Zukunft möglich sein, auch wenn besonders die kosmetischen Aspekte laut den Forschern deutlich schwerer zu beeinflussen seien, als beispielsweise Erbkrankheiten.

Eltern könnten sich dafür entscheiden, dass ihr Kind  einen verbesserten Stoffwechsel und besonders starkes Muskelgewebe bekommt, nicht an einer Sehschwäche leidet und überdurchschnittlich intelligent wird. Aber wenn wir an diesem Punkt angekommen sind, wie entscheiden wir, wer so eine Technologie anwenden darf? Nur Menschen mit genügend Geld? Und was, wenn Eltern kein Geld haben, um ihren Kindern solche Vorteile zu verschaffen? Oder wenn Eltern vielleicht einfach nur ein normales, natürliches Kind wollen?

An dieser Stelle könnte sich die Gesellschaft stark spalten, und viele Parteien könnten beginnen zu polarisieren. Die reiche Oberschicht könnte ihren Nachwuchs immer weiter perfektionieren und die Schere zwischen Arm und Reich würde immer größer werden. Oder aber Eltern, die keine Modifikationen an ihrem Kind vornehmen wollen, werden von der entgegengesetzten Seite dafür kritisiert, dass ihre “fehlerhaften” Kinder negativ zum gesamten Genpool der Menschheit beitrügen.

Auch wäre es denkbar, sollte diese Technologie in die falschen Händen gelangen, beispielsweise die einer totalitären Diktatur, dass es dazu kommt, dass Länder sich ihre eigenen Supersoldaten züchten, mit verstärktem Muskelgewebe, erhöhter Ausdauer und verringerter Schmerzgrenze.

In den richtigen Händen wiederum könnten wir beispielsweise Menschen so modifizieren, dass sie lange Weltraumreisen überstehen. Somit wäre es durchaus möglich, dass wir in ferner Zukunft in der Lage sind, uns an die Lebensumstände andere Planeten anzupassen und diese zu bevölkern.

 

Wie lange noch?

Noch ist die Forschung nicht so weit, als dass all diese Szenarien kurz vor dem Eintreten wären. Forscher sind sich uneinig, wann wir welches Stadium in den jeweiligen Anwendungsbereichen erreichen werden. Jedoch könnten über den Verlauf der nächsten Jahre und Jahrzehnte all diese Möglichkeiten langsam in greifbare Nähe rücken.

Was denkt ihr? Wird euch bei dem Gedanken an solche Eingriffe in die Natur mulmig, oder glaubt ihr, es ist der nächste Schritt der Evolution?

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Patrick Schuster

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