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Im Wandel (Teil 1): Frauenbilder der westlichen Welt
„Lauf mal wie ein Mädchen.“ So beginnt 2013 ein Werbespot von Always mit dem Titel „Like a Girl“. Doch was soll das heißen?
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Die historische, gesellschaftlich-kulturelle Reise der Frauenbilder im westlichen Kontext*
„Lauf mal wie ein Mädchen.“ So beginnt 2013 ein Werbespot von Always mit dem Titel „Like a Girl“. Was soll das bedeuten? Kann das bereits als Beleidigung aufgefasst werden? Dieser Werbespot zeigt, wie weibliche Personen gesehen werden. Darauf folgte sogar eine Studie zu diesem Thema. Doch wie entwickelten sich solche Ansichten? Dafür müssen „Frauenbilder“ erst verstanden werden.
Was steckt tatsächlich hinter dem Begriff?
Der Begriff „Frauenbild“ wurde lange Zeit für Bilder oder Statuen, in beziehungsweise bei denen Frauen abgebildet waren, verstanden. Im Wandel der Zeit hat sich der Begriff als die Sichtweise, wie Frauen wahrgenommen werden, verändert.
Das bedeutet, Frauenbilder können als Gesamteindruck der inneren Vorstellung einer Personengruppe verstanden werden. Dabei ist die Vorstellung einer einzelnen Person für die Bildung dieser Ansicht von Frauen im Allgemeinen ausreichend. In der Vergangenheit war dies oft eine männliche Person, der Patriachat der Familie, welcher auch gesellschaftlich höher stand. Diese Ansicht wird später von der Gesellschaft angenommen und fortgeführt.
Für ein einfacheres Verständnis: Wenn Mütter häufig von ihren Kindern in der Küche gesehen werden, entsteht der Eindruck bei diesen, dass alle Mütter in der Küche Essen vorbereiten. Sollte dieser Eindruck von mehreren Kindern unterschiedlicher Mütter auch so wahrgenommen werden, kann sich für diese dadurch eine gesellschaftliche Norm bilden, dass Mütter oder Frauen in der Küche tätig sind.
Dabei steht die Vorstellung wie Frauen sind, sein sollten und wahrgenommen werden im Vordergrund. Diese werden sowohl von der inneren Einstellung, den Erfahrungen und der Erziehung einer Person geformt und können variieren. Demnach steht hinter dem Begriff „Frauenbild“ eine Definition, wer *frau ist und wie diese angesehen werden soll.
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Wer mehr zur Konditionierung von Ansichten und Verhaltensmustern erfahren möchte:
Harlows Fünf-Affen-Experiment
Gestern: Antikes Griechenland, Sparta, Römische Republik bis zum 19. Jahrhundert
Das Bild der Frau hat sich im Laufe der Zeit verändert, doch um diese Entwicklung besser zu verstehen, werfen wir gemeinsam einen Blick auf den historischen Kontext.
Das vorherrschende Rollenbild der Frau in der westlichen Antike, unter anderem auch im antiken Griechenland, war, dass ihre Tätigkeiten auf die im Haushalt beschränkt waren. Ihre Aufgaben lagen in der Reproduktion, Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Essenszubereitung und der Erstellung von Kleidung (Möller, 2020, S. 107 – 112). Ihnen wurde allerdings auch eine beschränkte Weiterbildung erlaubt (Möller, 2020, S. 112). In Sparta hatten Frauen keine Bürgerrechte, verfügten aber über ihr eigenes Geld.
Römische Republik und Römische Kaiserzeit
Frauen in der Zeit der Römischen Republik (500 v. Chr.) waren meist gebildet und genossen Ansehen in der Gesellschaft, wenn sie den höheren Schichten angehörten. Die Frau gehörte, wie alle anderen Angehörigen des Hausverbands, nach dem altrömischen Privatrecht dem pater familias (Hausvater) mit seiner umfassenden Gewalt (Kaser & Knütel, 2008, § 1 Rn. 3 – 11). Sie waren als Hausherrinnen tätig und für diese Aufgabe wurden sie respektiert. Frauen der unteren Schichten hatten diesen Luxus nicht und waren unter anderem als Hebammen berufstätig.
In der Römischen Kaiserzeit (27 v. Chr. bis 395 n. Chr.) und zum Ende des Römischen Reiches (476 n. Chr.) erhielten Frauen der oberen Schichten mehr Freiheiten, da sie durch ihre Bildung schwieriger zu verheiraten waren.
Mit der „Manus-freien Ehe“ waren Frauen in ihrer Ehe „freier“, da sie nicht automatisch ihrem Mann gehörten. Durch Ausnahmeregeln hatten sie die Möglichkeit, ohne Sanktion, in ihr Elternhaus zurückzukehren und konnten sich durch Wahlkampfbeteiligung politisch engagieren, was die meisten jedoch nicht taten.
Mittelalter
Im Mittelalter (6. – 15. Jahrhundert) änderte sich das wieder. Frauen wurden beispielsweise für eine ihr auferlegte Vergewaltigung bestraft und gezwungen, bei einer Schwangerschaft das Kind auszutragen. Sie wurden dabei als „unrein“ gesehen, bekamen dadurch keine medizinische Hilfe und starben oft bei der Geburt.
Ihnen wurde die Rolle als „Gebärmaschinen“ zuteil. Sie verloren den Zugang zur Bildung und mussten sich ausschließlich um Haus, Mann und Kinder kümmern. Sie waren Schlüsselherrinnen zu ihrem Haushalt und durften ihre Männer vertreten. Allerdings hingen ihre Freiheiten und der Zugang zu Bildung und Einflussnahme in der Politik von ihrem jeweiligen Stand ab. Wenn sie arbeiteten, dann im Gewerbe ihres Mannes und es war ihnen möglich, im Kloster aufgenommen zu werden. Es gab im 10. und 11. Jahrhundert einige wenige Möglichkeiten, Vergewaltigungen bei Klöstern anzuzeigen, die dann über Strafen gegen den Täter verhandelten.
Mit dem Aufkommen des Islams in Europa im Frühen Mittelalter (ab 711 n. Chr.) wurden den Frauen wieder Rechte zuteil, welche die Männer forderten, ihre Frauen zu beschützen. Frauen durften begrenzt als Assistenz eines Gelehrten tätig sein. Ihnen wurde der Zugang zur Medizin durch medizinische Behandlungen bei der Geburt gewährt und Vergewaltigungen wurden nunmehr unter Strafe gestellt.
Aufklärung und Französische Revolution
Mit der Aufklärung und der damit einhergehenden Französischen Revolution versuchten die Frauen, ein freies Wahlrecht in Frankreich für sich zu erkämpfen, doch dies blieb ohne Wirkung. Erst im 19. Jahrhundert etablierten sie literarische Salons und durften sich frei bewegen, Hobbys verfolgen und sich mit anderen (gleichgesinnten) Frauen treffen.
Auf der anderen Seite des Ärmelkanals, in England, wurde es zur gleichen Zeit wenigen Frauen ermöglicht, die Oxford University zu besuchen, jedoch durften sie nur bestimmte Studiengänge studieren. In Deutschland wurde noch immer darum gekämpft.
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Heute: Ab dem 20. Jahrhundert. Zwischen Weltkriegen bis zu den Tradwives
Nach dem Ersten Weltkrieg (1918) durften Frauen in Deutschland (endlich) frei wählen. Mit dem Nationalsozialismus wurden sie wieder zu „Gebärmaschinen“ gemacht, man entzog ihnen zwar nicht das Wahlrecht, faktisch hatten sich die Frauen jedoch aus der Politik zurückgezogen. Sie hatten sich in der Ideologie wieder für das Wohl des Mannes und die Erziehung der Kinder als zuständig erachtet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg (1945) wurde in der UNO-Charta erstmalig auf internationaler Ebene ein Geschlechterdiskriminierungsverbot gefordert. In Deutschland wurden erst 1958 die Frauenrechte endgültig im Grundgesetz verankert, allerdings sind diese alten Rollenbilder aus anderen Zeiten weiterhin tief verankert. Bis in die 1970er Jahre waren sie in vielen Dingen immer noch an den Mann gebunden und konnten beispielsweise nicht allein ein Konto eröffnen.
Mit der Niederschrift der Frauenrechte im Grundgesetz zeigt sich, dass Frauen zumindest ihre Berufe frei wählen dürfen. Sie benötigen keine Zustimmung oder Erlaubnis einer männlichen Person für Handlungen, die sie ausüben wollen. Sie genießen die Freiheit, sich so zu präsentieren, wie sie wollen, oder über ihren Körper zu entscheiden.
Nach einer Studie der Bundeszentrale für politische Bildung hat der Wunsch der traditionellen Rollenverteilung zwischen 1991 bis 2018 abgenommen, allerdings gibt es noch heute Einschränkungen in Bezug auf Führungspositionen und bei der Gehaltsgleichheit in Deutschland.
Heute
Heute kommt der Trend der Tradwives hinzu, welcher sich an den traditionellen Frauenbildern der 1950er-Jahre orientiert. Mit Tradwives wird das Bild der Ehefrau bezeichnet, die sich als Hausfrau um den Haushalt und die Kinder kümmert. Dabei richtet sich ihr ganzes Dasein auf die Bedürfnisse ihres Ehemanns, was sie auch in den Sozialen Medien zeigt.
Doch was beinhaltet das genau? Bedeutet es, dass Frauen sowohl außerhalb des Haushalts arbeiten als auch im Anschluss zusätzlich noch für diesen verantwortlich sind? Die US-amerikanische Unternehmerin und Autorin Vivian Tu erklärt in einem Interview, warum das nicht so einfach ist:
„Einerseits müsste der Mann, der sich eine traditionelle Ehefrau wünscht, genug verdienen, damit die Frau zuhause bleiben kann. Andererseits sollte ein Mann nicht erwarten, dass eine Frau nach einem anstrengenden Arbeitstag auch noch den ganzen Haushalt macht.“
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Morgen und Fazit
Die Zukunft der Frauenbilder ist nicht eindeutig zu erkennen, allerdings sind die derzeitigen Tendenzen erstaunlich und lassen einen Rücklauf der Frauenrechte vermuten. Der historische Ablauf lässt erkennen, dass Frauen immer mal wieder Rechte hatten, die ihnen später entzogen wurden. Warum das der Fall ist, lässt sich nur vermuten.
Vielleicht waren die Ideen der Frauen zu fortschrittlich, dass man(n) Angst bekam? Für diese Theorie müsste man nur auf die Französische Republik zurückschauen, die bereitwillig Frauenrechte abwehrte. Ein anderer Grund könnte auch der Wunsch von Frauen nach Sicherheit und Entschleunigung des Arbeitsalltags sein, die sie im Haushalt finden. Damit ist jedoch ein Wandel zu erkennen, der Frauen zu denken geben sollte, wie weit sie bereit sind, ihre Freiheit zu gefährden.
Im nächsten Teil werden Frauenbilder in der Literatur erkundet.
* Dieser Artikel bezieht sich ausschließlich auf die westliche Ansicht der Frauenbilder, da der Rahmen sonst überzogen werden würde. Es handelt sich hierbei nur um einen sehr kleinen fokussierten Blick auf die Frauenbilder in der Zeitgeschichte.
Im Artikel genutze Fachliteratur:
Möller, A. (2020). Quellen der Antike. 1. Aufl. Bd. 1. Brill | Schöningh.
Kaser, M. & Knütel, R. (2018). Römisches Privatrecht: Ein Studienbuch. 19. Auflage. C. H. Beck.
Für weitere Informationen über globale Frauenbilder siehe:
USA
Vergleich USA mit Deutschland
Lateinamerika
Asien
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Ana Soraya da Silva Lopes
Weltenbummlerin zwischen Seiten und Landschaften. Egal ob in fantastischen oder echten Welten mit Drachen und Fae, historischen Kleidern und Ereignissen oder in der alltäglichen Gegenwart zwischen Ruinen und Hochhäusern. Nie darf es an guten Geschichten mit einer Prise Romantik fehlen, ob in bereits geschriebenen oder nur in ihrem Kopf bestehenden Geschichten. Sie ist immer mit einem Buch, Notizbuch und einer Kamera in der Hand zu finden.
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