Gesellschaft und Lifestyle / Meinung

Die Sache mit dem gesponserten Journalismus

Einer der großen Pfeiler des Journalismus ist die unabhängige Berichterstattung. Der Journalist soll beobachten und Themen mit Aktualität, Relevanz und Faktizität veröffentlichen und damit die Bevölkerung informieren.
| Robin Thier |

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Robin Thier

Einer der großen Pfeiler des Journalismus ist die unabhängige Berichterstattung. Der Journalist soll beobachten und Themen mit Aktualität, Relevanz und Faktizität veröffentlichen und damit die Bevölkerung informieren. Es spielt keine Rolle, ob über den lokalen Taubenzüchterverein oder große politische Umbrüche berichtet wird, solange die Informationsgabe nicht primär politischen oder wirtschaftlichen Zielen dient. Aber was genau bedeutet das für unsere Gesellschaft?

Ich bin nicht naiv. Natürlich hat Journalismus immer eine politische Komponente, weshalb eine komplett sachliche, objektive Berichterstattung nicht möglich ist. Der Journalismus trägt immer auch zur öffentlichen Meinungsbildung bei; der Begriff „Vierte Gewalt im Staat“ zeigt uns, welche Auswirkungen eine gesteuerte Medienwelt haben kann. Informationen haben Auswirkungen und ich muss hier nicht extra auf Propaganda und Medienmissbrauch hinweisen, möchte aber festhalten, dass der Journalismus eine gewisse Verantwortung trägt. Dazu gehört natürlich, dass die Fakten immer stimmen müssen und eine verleumderische Berichterstattung nicht vorkommt. Außerdem gehört dazu, dass die Medienverlage einigermaßen unabhängig agieren und nicht primär auf bestimmte Meinungsbilder zielende Informationen in Umlauf bringen.

Über den letzten Punkt kann man mit Sicherheit streiten, wenn man sich einige der Perlen deutscher Boulevardblätter anschaut, doch hier steht ebenfalls ein Verlag hinter den Inhalten, nicht etwa eine Autofirma. Wir können uns als Leser zumindest im Ansatz darauf verlassen, dass die Informationen stimmen und, dass uns verhältnismäßig neutral berichtet wird. Man merkt, die Wortwahl ist in diesem Bereich schwierig, doch was ich zu sagen versuche, ist Folgendes:
Im Rahmen einer niemals komplett objektiven Berichterstattung sollen die Medien zumindest versuchen, neutral zu berichten. Informationsjournalismus soll klar von einer Meinungsdarstellung getrennt sein. Werbeanzeigen müssen beispielsweise in Deutschland laut Trennungsgebot gut zu erkennen sein.
Mit der Frage, was Medien dürfen und was nicht, beschäftigt sich die Medienenthik. Es gibt sogar Kontrollinstanzen, so etwa den Deutsche Presserat, welche die Einhaltung des Pressekodex überwacht. Dieser Kodex ist jedoch kein Gesetz, sondern eine freiwillige Selbstverpflichtung – obgleich der Presserat öffentliche Rügen aussprechen kann, die durchaus Gewicht haben. Seit 2009 gilt dieser Kodex auch für journalistisch-redaktionelle Beiträge im Internet. Auf zwei der 16 Punkte des Pressekodex möchte ich noch einmal besonders hinweisen:

7. Trennung von Werbung und Redaktion
Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

15. Vergünstigungen
Die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinträchtigen, ist mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar. Wer sich für die Verbreitung oder Unterdrückung von Nachrichten bestechen lässt, handelt unehrenhaft und berufswidrig.

Auf diese beiden Punkte komme ich später noch zurück.
Nun gibt es in der Berichterstattung durchaus Bereiche, in denen die Grenze zwischen Journalismus und Literatur verschmilzt, zum Beispiel der sogenannte „New Journalism“ der 1960er Jahre, der aus stark subjektiver Sicht berichtet und in Teilen sogar literarische Stilmittel einsetzt, oder in heutiger Zeit der Internetblog. Ich möchte hier nicht die ständige Frage neu aufrollen, ob Blogger auch Journalisten sind. Der Zugang zum Beruf des Journalisten ist nicht geschützt und es gibt auch keine gesetzlich vorgeschriebene Ausbildung. Aus Art. 5 des Grundgesetzes leitet sich ab, dass jeder Bürger das Recht hat, „seine Meinung in Schrift, Wort und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“. Ein Blogger kann sich also ebenso als Journalist bezeichnen, wie ein Redakteur einer großen Zeitung. Der Deutsche Journalistenverband sieht das nicht ganz so frei und setzt als Voraussetzung, dass man sich „hauptberuflich“ mit der Verbreitung von Informationen beschäftigen müsse. Aber wir bleiben bei der ersten Definition und stehen plötzlich vor einem Problem.

Wenn jede und jeder, der seine Meinung frei äußert, ein Journalist ist, wie soll man dann davon ausgehen, dass der Pressekodex eingehalten wird? Welcher Blogger hat sich ernsthaft mit den medienethischen Grundsätzen dessen auseinandergesetzt, was er in die Welt hinausschreit? Ganz einfach: Wir können nicht davon ausgehen. Hier liegt es am Leser zu urteilen, ob man einem Blogger, der vielleicht nicht einmal seine Quellen angibt, vertraut und die Informationen, die dieser verbreitet, für bare Münze nimmt.
Aber was ist, wenn es für den Leser nicht erkennbar ist, ob etwas freie und sachliche Recherche oder pure ausschließlich wirtschaftlich motivierte Meinungsmache ist? An diesem Punkt kommen wir zu dem eigentlichen Thema dieses Artikels. Wer sich zurückerinnert: Der siebte Punkt des Pressekodex sieht vor, dass Werbung und Redaktion getrennt werden sollen. Dies geschieht in Printmagazinen oft durch den kleinen Hinweis „Anzeige“, im Internet oft durch den Hinweis auf ein Sponsoring. Während alle Welt sich darüber aufregt, ob YouTuber auf ihre Sponsorings hinweisen müssen, oder ob ein Blogger einen bezahlten Artikel ohne Hinweis veröffentlichen darf – beides geht nicht – stehen wir seit einiger Zeit vor einem neuen Problem: Dem sogenannten „Content Marketing Journalismus“.

Der als „Unternehmensjournalismus“ bezeichnete Trend sieht so aus, dass große Firmen eigene Magazine und Nachrichtenseiten gründen und diese von eigenen Mitarbeitern füttern lassen. Das hat den Grund, dass wir als Verbraucher inzwischen fast allergisch auf Werbung reagieren. Ad-Blocker sind bei fast jedem installiert und die „Zuckerwatteversprechen“ aus dem Werbespot werden ja doch nie eingehalten. Viel besser aus marketingstrategischer Sicht ist es daher, die eigene Firma nicht nur als Hersteller von Waren, sondern als Quelle von Wissen und Informationen darzustellen. Gerade Technikkonzerne wie „Rode“ oder „Premiumbeat“ haben hochwertige Blogs und Magazine mit Lehrmaterialien. Hier jedoch steht überall dick der Name der Firma und man kann sich denken, warum immer wieder Mikrofone von Rode in den Blogbeiträgen eine Rolle spielen. Aber was, wenn wir das nicht mehr können? Was, wenn die Unterscheidung von Marketing und Berichterstattung untergeht?

Ein Beispiel ist die Technik-SeiteCurved.de, die nicht etwa von einer Zeitungsredaktion, sondern von der E-Plus-Gruppe betrieben wird. Für den Nutzer ist das nicht primär erkennbar, denn die Webseite beschäftigt sich nicht nur mit Mobilverträgen, sondern mit Technik im Allgemeinen. Aber es gibt Links, unter denen die genannten Handys zu erwerben sind und man wird erstaunlich oft zu Angeboten von E-Plus geleitet. Für manch einen mag das Angebot ganz praktisch sein, aber wie können wir eine kritische Berichterstattung erwarten, wenn ganz klar die Interessen einer Firma hinter den Artikeln stehen? Und zwar nicht die Interessen nach objektiver Berichterstattung, sondern die Interessen, so viel Gewinn wie möglich zu machen. Natürlich vertraut man einem kritischen Magazinartikel zu einem Smartphone – aber was, wenn er nur geschrieben wurde, um der Konkurrenz zu schaden? Auch vertraut man einem Loblied über ein Produkt, wenn es von einem Fachmann gesungen wird – aber was, wenn er die kritischen Fehler des Gerätes verschweigt, weil er Mitarbeiter der Firma ist?

Wer glaubt, dieses Phänomen sei selten, der wird sich wundern. Seit über 100 Jahren – schon die Firma Michelin hatte ein ähnliches Konzept – wurde das Content-Marketing immer präsenter und kann heute mit der Vielzahl an Onlineangeboten kaum noch nachgewiesen werden. Was das „Curved-Magazin“ angeht, so ist von Seiten der Agentur, welche die Seite entwickelte, nur Lob zu hören. Die Nutzer würden sich über die Artikel freuen – von denen viele gerade keine E-Plus-Produkte zum Inhalt hätten, sondern die Redaktion weitestgehend unabhängig agieren würde – für den Konzern sei eine Internetseite natürlich besser, als Werbung im Netz zu schalten, die ja doch ignoriert oder entfernt wird.

Ich kann dieses Konzept aus Sicht der Konzerne gut verstehen; scheint es doch zu einer viel sensibleren Art des Marketings zu gehören, als die „Zaunpfahl-Werbung“, und es scheint mehr Erfolg zu haben. Aus Sicht des Verbrauchers und des Empfängers von Informationen jedoch ist diese Art des Marketings, ich schreibe hier absichtlich nicht „diese Art des Journalismus“, eine pure gewinnorientierte Masche, die sich der Seriosität des Journalismus bedient und Menschen aktiv hinters Licht führt. Der Pressekodex wird in diesem Fall komplett ignoriert und es bleibt an uns, dass wir in Zukunft immer genau in das Impressum schauen müssen, ob hinter einem Magazin eine unabhängige Redaktion oder ein Konzern steckt. Journalisten und Medien leben von dem Vertrauen, das die Konsumenten ihnen schenken und dieses Vertrauen wird durch eine solche Art von Marketing missbraucht.

Ja, Werbung ist immer ein Spiel. Ein Spiel, in dem Kunden so versteckt wie möglich ein Verlangen zu wecken, ob nun durch Werbefilme, Print- oder social-media-Marketing. Hier kann man noch ansatzweise unterscheiden, ob wir Werbung vorgesetzt bekommen, oder nicht. Das ist ja alles schön und gut und ich bin selbst ein Fan von gut gemachten Werbekampagnen! Aber: Das Vertrauen in den Journalismus zu beschneiden, ein Feld, das in einem demokratischen Staat so wichtig ist, davor sollte man nicht die Augen verschließen.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Journalismus
https://de.wikipedia.org/wiki/Vierte_Gewalt
http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/#panel-undefined
http://www.freie-journalistenschule.de/ausbildung-journalist/berufsbild-journalist/was-ist-journalismus/
https://www.britannica.com/topic/New-Journalism

Lässt sich mit Product Placement und Sponsoring auf YouTube Geld verdienen?


http://www.zeit.de/2016/25/content-marketing-journalismus-unternehmen-kundendaten
https://curved.de/news/iphone-7-test-sticker-bestaetigen-zwei-schwarze-farbvarianten-408804
https://www.c3.co/blog/der-guide-michelin-das-erbe-eines-fruhen-fuhrers/

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Robin Thier

Gründer von seitenwaelzer, lebt in Münster und beschäftigt sich in seiner freien Zeit mit Bildbearbeitung, Webseitengestaltung, Filmdrehs oder dem Schreiben von Artikeln. Kurz: Pixelschubser.

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