Reportage

Ein kluger Zug? – Ein Thema, das viele NICHT bewegt(e)!

Der Streik ist zu Ende. Aber so richtig überrascht war niemand, als es vor einigen Tagen hieß, dass es erneut zu Ausfällen im Zugverkehr kommen würde. Grund dafür war erneut ein Streik der “Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer”, kurz GDL, welche unter anderem die Interessen der Lokführer gegenüber der Deutschen Bahn vertritt. Nach über einem halben Jahr, in dem immer wieder gestreikt wurde, fand der GDL-Streik letzte Woche, am 21.5.2015 ein Ende. Aber worum genau ging es bei der Debatte eigentlich?
| Patrick Schuster |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Robin Thier

Der Streik ist zu Ende. Aber so richtig überrascht war niemand, als es vor einigen Tagen hieß, dass es erneut zu Ausfällen im Zugverkehr kommen würde. Grund dafür war erneut ein Streik der “Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer”, kurz GDL, welche unter anderem die Interessen der Lokführer gegenüber der Deutschen Bahn vertritt. Nach über einem halben Jahr, in dem immer wieder gestreikt wurde, fand der GDL-Streik letzte Woche, am 21.5.2015 ein Ende. Aber worum genau ging es bei der Debatte eigentlich?

 

Die Ausgangssituation

Vor allem anderen sollte man klarstellen, dass es nicht, wie im Volksmund oft vermutet, die Deutsche Bahn ist, die gestreikt hat, sondern hinter dem “Bahnstreik” versteckt sich ein ganz anderer Konflikt. Die Mitarbeiter der Bahn sind in Gewerkschaften organisiert, welche sie gegenüber ihrem Arbeitgeber vertreten. Als wichtigste Parteien sind hier die “Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer” (GDL), sowie die “Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft” (EVG) zu nennen. In der GDL sind vor allem die Lokführer organisiert, während die EVG mit 210.000 Mitgliedern vor allem das sonstige Zugpersonal, bestehend aus Zugbegleitern, Lokrangierführern, Gastronomen und weiteren Beschäftigten der Bahn, sowie eine Minderheit der deutschen Lokführer vertritt.

Der Konflikt entstand erstmals, als im Juni 2014 das bisherige Abkommen zwischen GDL und EVG, das bisherige Tarifverträge regelte, auslief und nicht verlängert wurde. Das hängt damit zusammen, dass beiden Gewerkschaften bis heute stark um die gleiche Gruppe von Beschäftigten konkurrieren. Die GDL plant nun, neben den 20.000 bereits vertretenen Lokführern auch für 17.000 sonstige Mitarbeiter der Bahn zu verhandeln.

Die Bahn plant, mit der GDL einen Lokführer-Vertrag abschließen, lehnt es jedoch ab, gleichzeitig Verhandlungen mit zwei Gewerkschaften zur gleichen Berufsgruppe zu führen. Grund dafür: Die GDL fordert nun auch für ihre Mitglieder unter den Lokführer sowie für sonstige Bahnmitarbeiter einen eigenen Vertrag, der sich von den bisherigen Verträgen unterscheidet. Damit hätten die Lokführer, die durch die GDL vertreten werden, Vorteile gegenüber denen, die von der EVG vertreten werden. Die Deutsche Bahn fordert dieselben Bedingungen für die Beschäftigten einer Berufsgruppe, das schließt ein, dass es nur einen Vertrag gibt. Damit stellt sich die Bahn hinter den Grundsatz der Tarifeinheit um eine Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften auszuschließen.

Weitere Forderungen der GDL: eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 37 Stunden sowie fünf Prozent mehr Lohn.

 

Die Streiks

Als Mittel um ihre Forderungen durchzusetzen, weist die GDL ihre Mitglieder zu Streiks an. Im September 2014 wurden zunächst zwei kurze Warnstreiks von nur wenigen Stunden geführt, als die Bahn die Forderungen weiterhin ablehnte, begann eine Streikperiode, die bis heute anhält.

 

Eine kurze Zusammenfassung:

2014

  1. Warnstreik am 1. September: 3 Stunden im Personen- und Güterverkehr
  2. Warnstreik am 6. September: 3 Stunden im Personen- und Güterverkehr
  1. Streik nach Urabstimmung am 7./8. Oktober: 9 Stunden im Personen- und Güterverkehr
  2. Streik am 15./16. Oktober: 14 Stunden im Personen- und Güterverkehr
  3. Streik vom 17. bis 20. Oktober: 50 Stunden im Personenverkehr und 61 Stunden im Güterverkehr
  4. Streik vom 6. bis 8. November: 64 Stunden im Personenverkehr und 75 Stunden im Güterverkehr

2015

  1. Streik vom 21. bis 23. April: 43 Stunden im Personenverkehr und 66 Stunden im Güterverkehr
  2. Streik vom 4. bis 10. Mai: bislang längster Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn AG – 127 Stunden im Personenverkehr und 138 Streikstunden im Güterverkehr
  3. Streik vom 20. bis 21. Mai: In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag einigten sich die GDL und die Bahn auf ein Schlichtungsverfahren.

 

Wirtschaftliche uns soziale Auswirkungen

Die direkte Folge des Streiks: Es fuhren keine Züge. In Deutschland fielen, je nach Region, zwischen 40% und 85% der Züge aus, zwei Drittel der Fernzüge verließen die Bahnhöfe nicht und Millionen Reisende standen wieder einmal vor einem Organisationsproblem. Sie mussten auf andere Verkehrsmittel, wie Busse, Mietwagen oder den Schienenersatzverkehr zurückgreifen – manch einer bliebt auch gänzlich dort, wo er war.

Die Streiks hatten jedoch nicht nur Folgen auf sozialer Seite. Auch die Wirtschaft trug ihren Schaden davon. Der bisher längste Streik kostete, nach Angaben von Experten die Wirtschaft mehrere Hundert Millionen Euro, die sich aus Verlusten wirtschaftlicher Art, sowie Maßnahmen ergeben, die getroffen wurden, den Bahnverkehr zu ersetzen.

Des Weiteren wird Deutschland durch zunehmende Bahnstreiks aus als Wirtschaftsstandort natürlich unattraktiv, denn der zunehmende Boykott des Güterverkehrs legt Transportwege für beispielsweise die Automobilindustrie großflächig lahm. Wenn dann ein Streik auf wichtige Liefertermine fällt, wirkt sich dies stark negativ auf die Produktivität eines Unternehmens aus.

All das färbt im Großen und Ganzen negativ auf das Image der Deutschen Bahn ab, denn von “Zuverlässigkeit” kann man dank der Streitigkeiten zwischen GDL und EVG praktisch nicht mehr sprechen.

 

Konflikt mehrerer Interessen

Wer aber bisher noch gar keine Beachtung fand, ist der Interessenkonflikt vonseiten der Lokführer. Der Kampf für bessere Gehälter und verbesserte Arbeitszeiten ist ihr gutes Recht und sie dürften auch dafür in Form von Streiks eintreten. Die Forderung der GDL, die Lokrangierführer genau so zu entlohnen, wie Lokführer, die auf Strecken eingesetzt werden, da diese ebenfalls häufig als solche eingesetzt würden, ist auch ein nachvollziehbarer Vorschlag.

 

Was bedeutet das aber für uns?

Auf der einen Seite stehen demnach die Lokführer und ihr Recht in Gewerkschaften organisiert zu sein, was ihnen auch grundrechtlich zugesichert wird nach Art. 9 II des Grundgesetzes, auf der anderen Seite stehen inzwischen jedoch verstärkt auch die Bürger und das Allgemeininteresse. Alle zwei Wochen ein Streik, der auch noch mehrere Tage andauert, schlägt sich aktuell extrem im Leben in Deutschland nieder und man muss sich fragen, wann diese Einschränkungen zu viel sind und wann dem Streit juristisch ein Ende gesetzt werden sollte.

CDU und SPD haben für das umstrittene Tarifeinheitsgesetz gestimmt. Dieses wird nun am 12. Juni dem Bundesrat zur Prüfung vorgelegt. Wenn dies Erfolg hat, könnte das Gesetz bereits Anfang Juli in Kraft treten.

“Im Kern schreibt die Regelung fest: ‘Es gilt der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft im Betrieb.’ Im Falle konkurrierender Gewerkschaften käme die Arbeitnehmerorganisation mit den meisten Mitgliedern in dem jeweiligen Betrieb zum Zuge.” (Tagesschau)

Diese Regelung wird den Konflikt vermutlich aus der Welt schaffen und die Streiks beenden. Vorerst haben sich die Bahn und die GDL jedoch geeinigt, dass ein Schlichtungsverfahren eingeleitet wird. Diese Einigung umfasste unter anderem, dass bestehende Tarifverträge mit anderen Gewerkschaften keine Rolle spielen. Zudem würden “Lokrangierführer […] als Lokomotivführer exakt im GDL-Flächentarifvertrag eingruppiert. ‘Nach fast einem Jahr Tarifkonflikt konnte mit dem Druck im neunten Arbeitskampf der Gordische Knoten durchschlagen werden’, sagte der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky” (Spiegel).

 

Ein Beitrag von Patrick Schuster und Robin Thier


 

Quellen:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/bahn-streik-ausstand-ab-dienstag-ende-offen-a-1034313.html
http://www.focus.de/finanzen/videos/bahnstreik-darum-geht-es-beim-streik-der-lokfuehrer-wirklich_id_4213452.html
http://www.ludwig-erhard-stiftung.de/erhard-aktuell/standpunkt/die-kaputtmacher-von-der-gdl-wie-der-bahnstreik-ein-grundrecht-gefaehrdet/http://www.tagesschau.de/wirtschaft/tarifrecht-gdl-evg-101.html
http://www.spiegel.de/reise/aktuell/bahn-streik-fernbusse-und-mietwagen-vermieter-profitieren-a-1034648.html
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/nahles-konzept-zur-tarifeinheit-101.html
http://www.gdl.de/
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/interview-lesch-101.htmlhttp://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/tarifeinigung-gefordert-evg-droht-bahn-mit-streik-a-1034843.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/bahn-streik-wird-beendet-a-1034824.html
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bundestag-beschliesst-tarifeinheitsgesetz-fuer-gewerkschaften-13606630.htmlx

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