Reportage

Von Cheesecakes, Pizza und American Dreams – Ein Reisebericht aus New York City

Hier kommt der x-te Reisebericht über die Stadt, die niemals schläft und ein Ratgeber, von dem ihr nicht wusstet, dass ihr ihn braucht.
| Anna Fiesinger |

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Anna Fiesinger | seitenwaelzer.de

Im Rahmen eines Austauschprogramms meiner Universität hatte ich die Möglichkeit, einige Wochen an der Boston University an der Ostküste der USA zu verbringen. Da New York City mit einer vierstündigen Busfahrt nur einen Katzensprung entfernt ist, verschlug es mein Touri-Herz selbstredend für ein paar Tage dorthin. Es folgt also der x-te Reisebericht über die Stadt, die niemals schläft und ein Ratgeber, von dem ihr nicht wusstet, dass ihr ihn braucht.

Totale Überstimulation

Es ist laut. In New York passieren an jeder Ecke mindestens drei Dinge gleichzeitig: In einem „I <3 NY“-Souvenirladen blinken die Schaufensterlichter, ein wütend hupender Busfahrer bahnt sich seinen Weg durch das Gewusel der Autos und die rot leuchtende Ampel wiederholt vehement „wait … wait … wait“, während jede:r New Yorker:in die Straße kreuzt und lediglich Touris brav stehen bleiben. Als käme es aus dem Off, hört man immer irgendwo jemanden Zeilen aus dem Song „Empire State of Mind“ spielen. 

Es leuchtet. Nicht nur der Times Square ist abends strahlend hell. Billboards mit den meist gestreamten Stars reihen sich neben leuchtende Schilder von Geschäften, Cafés und Restaurants jeder Art. 

Anna Fiesinger | seitenwaelzer.de Times Square im Regen

Es riecht nach Gras. Seit 2021 darf in Licensed Cannabis Dispensaries Marihuana für den Eigenbedarf gekauft und legal konsumiert werden. Da die Umsetzung dieser Dispensaries seitdem eher schleppend verläuft, haben die New Yorker:innen die Legalisierung selbst in die Hand genommen und mittlerweile findet man an jeder zweiten Ecke einen sog. „Smoke Shop“. Diese sind meist nicht vom Staat lizensiert und somit rein rechtlich keine legalen Dispensaries, wie die Legalisierung es vorgesehen hat. Da sie jedoch zu Hauf existieren, scheint es wie eine rechtliche Grauzone. Als ich aus dem Bus stieg, der mich von Boston nach Manhattan beförderte, roch ich es sofort. Ein Kollege hatte mir vorher gesagt: „The city is very fragrant, you’re gonna love it.” Erst da verstand ich, was er damit meinte. 

Es windet sehr. Mein erster Tag in der City war verregnet, grau und extrem windig. Der Wind, der durch die gerade verlaufenden Straßen peitscht, lässt jeden noch so guten Regenschirm einknicken. Komischerweise sahen all die Menschen, die mir mit ihren kaputten Regenschirmen begegneten aus wie ich – Tourist:innen. Die eingefleischten New Yorker:innen hatten entweder super starke Schirme oder eine Technik, mit der sie sich immer im richtigen Moment gegen den Wind positionierten, sodass ihr Schirm den Großteil abhielt. Faszinierend. 

So viel zu tun

Es ist kulinarisch. So international die Bevölkerung der Stadt ist, so vielseitig ist ihre Küche. Von japanischem Ramen über chinesisches Dim Sum und lateinamerikanische Kochbananen bis portugiesische Pastel de Nata ist für alle etwas dabei. Bekannt ist Manhattan außerdem für die legendärste Pizza der Welt. Hier kauft man sie allerdings nicht im Ganzen, sondern als Slices – von 1,50 bis 10 Dollar pro Stück ist alles dabei. Mich hat es zu einem hochgepriesenen Laden verschlagen – Scarr’s Pizza in der Nähe der Brooklyn Bridge – und ich wurde von einer langen Schlange begrüßt. Nach etwa einer halben Stunde konnte ich dann endlich meine Slices verzehren und feststellen, dass sie die Schlange tatsächlich wert waren. Und zu guter Letzt gibt es hier natürlich den besten New York-Cheesecake. In verschiedensten Lokalen, die sich damit brüsten, hier wirklich den besten anzubieten, kann man sich durch die ganze Stadt testen. Da ich nur wenige Tage Zeit hatte, entschied ich mich für Eileen‘s Special Cheesecake. Die Schlange war lang, der Laden klein, der Cheesecake umso kleiner. Für schlappe 5 Dollar gönnt man sich hier ein rundes Küchlein, das innerhalb von zwei Bissen schnell verschlungen sein kann. Ich habe mir etwas mehr Zeit gelassen und mich danach geärgert, dass mein Geldbeutel keinen zweiten hat springen lassen. Luftig, saftig, der Boden ein Traum. Nach diesem Cheesecake habe ich kurz überlegt, ob ich Food-Kritikerin werden sollte. In NYC sicherlich kein Problem, denn hier werden Träume gemacht.

Anna Fiesinger | seitenwaelzer.de Die vermeintlich beste Pizza in ganz Manhattan: Scarr’s Pizza

Es reiht sich ein Museum an das nächste. Egal wofür du dich interessierst, in NYC gibt es ein Museum dafür. Du magst Eis? Kein Problem, das Museum of Ice Cream versüßt dir mit Sicherheit den Tag mit seinen pinken Wänden, den farbenfrohen Installationen und den pinken Outfits der Mitarbeiter:innen. In den bunten Räumen gibt es viel zu sehen, zu riechen und zu schmecken. Es gibt genügend Eis zu verkosten und mindestens genauso viel Merchandise zu kaufen. Du möchtest lieber Artefakte aus Kolonialzeiten sehen, die weder ihren ursprünglichen Besitzer:innen zurückgegeben noch auf Leinwandtexten in den richtigen Kontext gesetzt werden? Dann bist du im American Museum of Natural History besser aufgehoben. Wenn man sich durch die problematischen Räume gekämpft hat, wird man allerdings neben spannenden Ausstellungen über Biodiversität und unsere Meeresbewohner mit einer umfangreichen Sammlung von Dinosaurierskeletten und herausragendem Wissen über deren Zeitalter belohnt. Für alle Kunstliebhaber:innen gibt es natürlich auch genug zu sehen, das Museum of Modern Arts (MoMA), das Museum of the City of New York, The Brooklyn Museum oder das Metropolitan Museum of Art (MET). Wobei man hier wohl auch auf das ein oder andere gestohlene Artefakt stoßen kann.

Anna Fiesinger | seitenwaelzer.de Dinosaurierausstellung im American Museum of Natural History

The American Dream

Zum Schluss dürfen wir natürlich nicht vergessen, dass New York ein „concrete jungle“ istwhere dreams are made of“, wie bereits Jay-Z und Alicia Keys sangen. Hier gibt es scheinbar nichts, „was du nicht tun kannst”. Es sei denn natürlich, du hast kein Geld. In der Stadt der Reichen und Schönen flanieren diese mit viel Geld die 5th Avenue hoch und runter, um zu sehen und gesehen zu werden, während sich in den Parallelstraßen ihr Müll häuft, der von denjenigen weggetragen wird, die weniger Glück hatten, in welche gesellschaftliche Klasse sie hineingeboren wurden. Nirgendwo anders scheint man so sehr an den American Dream zu glauben wie in NYC. Menschen aus allen Ecken der Welt kommen hierher, um ihn sich zu erfüllen, sei es an der Börse, am Broadway oder als Tellerwäscher:in in einem der vielen American Diners.

Nicht nur der Cheesecake ist hier überteuert. Ein Latte, ganz ohne „pumpkin spice“ oder „low-fat“Milch, nicht „iced“, nicht „shaken“ und ohne „whipped cream“ kostet selbst im simpelsten Café mindestens 4 Dollar plus Tax und Trinkgeld. Beim aktuellen Kurs, zu dem ich unterwegs war, also locker mal 6 Euro. Wenn man bedenkt, dass die meisten Jobs ohne akademische Ausbildung nicht mehr als den Mindestlohn zahlen, kann man sich vorstellen, dass sich nicht jede:r das Leben leisten kann, das man sich wünscht, gerade in Städten wie NYC, Los Angeles oder San Francisco. Und spätestens seit der Serie Shameless wissen wir, wie das Leben „below the poverty line“ in den USA aussehen kann. In ihrem Song „American Dream“ besingt die Künstlerin Chandler Leighton die Realität dieses kapitalistischen amerikanischen Traums als eine Lüge und als etwas, das kaum ein Mensch erreichen kann.

„They sell you on American Dreams / But you have to be asleep / If you wanna believe it’s not a lie […] We’re overstimulated, underpaid, and not appreciated / Guess I really fuckin‘ made it / God bless the USA“

Chandler Leighton: American Dream (2023)

Während ein Universitätsabschluss in den USA für so gut wie jeden besser bezahlten Job zum guten Ton gehört, tut das Land nicht besonders viel dafür, jedem Menschen die Chance auf Bildung zu ermöglichen. Allein ein Grundstudium (ein College-Abschluss, der meist drei bis vier Jahre dauert) kostet an einer staatlichen Universität gerne zwischen 64.000 und144.000 Dollar. Diese Spanne erhöht sich an privaten Colleges und Hochschulen und für internationale Studierende nochmal deutlich. Die wenigsten Familien haben das Geld, ihre Kinder aus eigener Tasche zu finanzieren. Dies bedeutet wiederum, dass die meisten Highschool-Absolvent:innen mit frischen 17/18 Jahren einen Studienkredit für ihre Semestergebühren aufnehmen müssen, den sie Jahrzehnte nach ihrem Abschluss noch abbezahlen müssen, je nachdem wie erfolgreich sie in der Jobsuche nach dem Studium sind.

Meine persönlichen Reisetipps

Und jetzt „last but not least– in NYC gibt es wirklich viel zu sehen, zu erleben und zu probieren. Aber NYC ist mehr als Manhattan, der Central Park und die Brooklyn Bridge. Wenn ihr euch beispielsweise unbedingt die Statue of Liberty anschauen wollt, nehmt die kostenlose Staten Island Ferry, davon habt ihr mehr als von einer geführten Tour zum Monument des American Dreams. Solltet ihr regnerische Tage erwischt haben, während ihr im Big Apple seid, würde ich empfehlen, den Central Park in einem regenfreien Zeitfenster anzuschauen – falls möglich. Während meiner – meist zu Fuß absolvierten – Tagestrips durch die Stadt bin ich mehrfach durch den Park geschlendert. An regnerischen Tagen sieht es dort aus wie im Hamburger Stadtpark (unspektakulär), an dem einen sonnigen Tag meiner Reise konnte ich aber schließlich besser verstehen, weshalb der Park eine Sehenswürdigkeit ist und viele New Yorker:innen ihre Zeit dort verbringen. Durch seine schiere Größe fühlt man sich weniger gefangen im „concrete jungle“ und entdeckt bei jedem Spaziergang eine neue Ecke – Blumengärten, kleine Teiche, Sportanlagen und noch vieles mehr.

Anna Fiesinger | seitenwaelzer.de Central Park an einem sonnigen Tag

Mein persönliches Highlight dieses sonnigen Tages war der Campus der Columbia University im Norden der Stadt. Columbia zählt zu der Ivy League, den acht prestigereichsten Universitäten in den USA. Aufgrund ihrer Lage im Norden der Stadt und den gerade verlaufenden Straßen Manhattans, kann man von den höher gelegenen Orten auf dem Campus bis hinunter zum Hudson River schauen.

Anna Fiesinger | seitenwaelzer.de North Manhattan von der Columbia University aus fotografiert

Für regnerische Tage und für diejenigen mit einem Interesse an der Geschichte der Stonewall Riots, kann ich das „Stonewall Inn“ an der Christopher Street im West Village sehr empfehlen. Im Christopher Park gegenüber gibt es einige Infotafeln zu den Geschehnissen in den 1960er-Jahren und deren prominente Figuren. Das Inn selbst ist klein; auch hier finden sich viele Infotafeln, beispielsweise zu der Bedeutung der jeweiligen Pride Flags.

Dinge, die ich definitiv als überbewertet abstempeln würde: Times Square (die Infotafeln gibt es auch überall sonst in der Stadt), Financial District (sieht aus wie Frankfurt), Grand Central Station (es sei denn, man möchte unbedingt die Szene aus „Friends with Benefits“ nochmal im Kopf durchleben, wo Justin Mila seine Liebe gesteht) und die Brooklyn Bridge (überall sind Menschen und man kann dem konstanten Empire State of Mind hier wirklich nicht entfliehen).

Für mehr kulinarische Vielfalt würde ich die South Bronx empfehlen oder einen Sprung über den East River nach Williamsburg in Brooklyn. Die Metro ist wirklich einfach zu verstehen (schließlich sind die meisten Straßen ein Gitter) und vergleichsweise günstig. Wer also nicht allzu viel zu Fuß erkunden möchte, kann ganz einfach von A nach B fahren, ohne viel Geld für ein Uber ausgeben zu müssen, welches am Ende sowieso im Chaos der Straßen stecken bleibt. Alles in allem – einen Städtetrip ist „The Big Apple“ definitiv wert, umso besser, wenn ihr sowieso schon auf der anderen Seite des Atlantiks seid.

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Anna Fiesinger

Anna ist angehende Meeresbiologin. In ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich mit der Frage, ob bestimmte Gene dafür verantwortlich sind, dass die Korallen im Persischen Golf so hitzebeständig sind, dass sie Temperaturen aushalten können, von denen ihre Geschwisterarten am Great Barrier Reef in Australien nur träumen können. Zu einem guten Leben gehören ihrer Meinung nach viel Kaffee, Gin und Kuchen. Und eine (ziemlich große) Prise Gesellschaftskritik.

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