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Fachschaft und Pandemie

Auch die Fachschaften der Unis werden von der Corona-Pandemie in ihrer Arbeit eingeschränkt. Dabei stellt sich die Frage, wie ihre aktuelle Arbeit und Planung gewandelt hat.
| Jolanda Saal |

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Das Schloss von Münster im SonnenutnergangRobin Thier

Das neue Semester steht vor der Tür! Viele angehende Studierende sind schon ganz gespannt auf ihre Orientierungswoche, die normalerweise nicht nur mit Informationsveranstaltungen rund ums Studium und die Uni gefüllt ist, sondern auch mit Partys, Ersti-Frühstücken, Stadtrallyes und Kneipenabenden. Doch auch in diesem Semester kann aufgrund des SARS-CoV-2 Virus davon ausgegangen werden, dass es keine O-Woche wie vor der Pandemie geben wird. Trotzdem wird natürlich auch in diesem Semester wieder versucht, die neuen Studierenden herzlich an der Uni willkommen zu heißen. Eine Herausforderung, die nicht nur die Lehrenden und alle Studierenden betrifft, sondern auch die Fachschaften.

Da ich selbst Teil einer Fachschaft bin, interessiert es mich zunehmend, wie andere Fachbereiche mit den Inzidenzschwankungen der Pandemie in ihrer Planung umgehen. Im Laufe der letzten drei ‚Corona-Semester‘ sind wir zwar alle ein Stück weit routinierter geworden, aber auch die Fachschaftsarbeit wird durch persönliche Kontaktbeschränkung zu den Studierenden schwieriger. Wie sollen sich die neuen Studierenden so untereinander vernetzen und kennenlernen? Auch bei einer Inzidenzstufe eins muss abgewägt werden: Was ist realistisch und was ist zu riskant? Immerhin trägt die Fachschaft Verantwortung für etwaige Konsequenzen. Also – ein Plan B muss her. Um herauszufinden, wie diese Umstellung bisher funktioniert hat und wie die Planungen für die kommende O-Woche vonstatten gehen, habe ich mich auch bei anderen Fachschaftsvertreter*innen mal etwas umgehört.

Aber von Vorne – Was ist überhaupt eine Fachschaft?

Der Fachschaft gehören genau genommen alle Studierenden eines Faches an, jedoch ersetzt der Begriff ‚Fachschaft‘ in der Umgangssprache den Fachschaftsrat – die Interessenvertretung der Studierendenschaft. Als Bindeglied zwischen Lehrenden und Studierenden setzt sie sich für Wünsche, Ideen und Probleme der Studierenden ein. Sie veranstaltet oft Events wie Sommer- und Weihnachtsfeste, Kinoabende, Fachschaftspartys oder Exkursionen, um das Miteinander unter den Studierenden zu stärken. Zudem wohnen sie offiziellen Gremien und Sitzungen bei, um die Sichtweise der Studierenden in wichtige Entscheidungen innerhalb des Institutes mit einfließen zu lassen, weshalb die Fachschaft jedes Semester gewählt werden muss. In ihren Sitzungen wird oft bei einer Tasse Kaffee geplant was für das Semester auf der Agenda steht und wer für welche Aufgaben in der Planung zuständig ist. Diese Sitzungen sind meist öffentlich, sodass andere Studierende auch an Diskussionen teilnehmen können oder bei Bedarf ihre Fragen und Anliegen direkt ansprechen können.

Und wie funktioniert das jetzt mit ‚social distancing‘?

„Die Pandemie hat uns recht hart getroffen, weil vieles von dem, was das Studium schön macht (und damit auch Fachschaftsarbeit) wegfiel –  übrig blieb die Arbeit. Das war ermüdend und teilweise echt schwierig.“ (Fachschaft Germanistik)

Diesen Eindruck vermittelten viele Fachbereiche, denn ähnlich wie die Lehre wechselten auch die Fachschaftssitzungen auf das digitale Zoom-Format, welches die lockeren Sitzungen ersetzt. Dabei haben viele Fachschaften den Link auf ihrer Homepage frei zugänglich, damit die Studierenden nach wie vor spontan auch dazu stoßen können, was jedoch „bei Weitem nicht so ausgiebig genutzt wurde, wie es zu „normalen“ Zeiten in einem Präsenzdienst in Präsenz der Fall war“ (Fachschaft Mathematik). Zudem waren sich alle Fachschaften einig: Das am meisten genutzte Kommunikationsmedium bleiben die E-Mails. Fragen rund um das Einschreiben in Kurse, Prüfungsanmeldungen oder Klausurinhalte erreichen die Fachschaften mehr denn je. Verunsicherungen besonders unter den ‚Erstis‘ aufgrund von fehlenden Kontakten und den neuen universitären Anforderungen, die allein von zu Hause aus erlernt werden müssen, sorgen für Fragebedarf. Vor allem die Fachschaften der praxisbezogenen Studiengänge mussten in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Institut Vorkehrungen treffen:

„Wir als Studierende der Sportwissenschaften wurden natürlich in den fachpraktischen Seminaren und in der Vorbereitung auf die Praxisprüfungen von Corona besonders eingeschränkt, auch wenn unser Institut das nach Pfingsten mit einem Hygienekonzept ganz gut gelöst hat, sodass man mit Voranmeldungen und Test an fachpraktischen AGs teilnehmen konnte und die Teilnahme an fachpraktischen Seminaren ebenfalls Schnelltests ermöglich wurde.“ (Fachschaft Sportwissenschaft)

Mit Hilfe solcher Hygienemaßnahmen begegnen sich Studierende zwischenzeitlich auf dem Campus, in Sporthallen oder Laboren. Für die Studierenden der Fachbereiche, in denen keine Präsenz erforderlich ist, werden zum Teil auch studien-unabhängige „digitale Alternativveranstaltungen geschaffen und einen Discord-Server eingerichtet“ (Fachschaft Mathematik), um den Kontakt untereinander anzuregen.

Wie wirkt sich das auf die O-Wochen Planung aus?

Da die Orientierungswoche für das kommende Wintersemester immer näher rückt, laufen die Planungen dafür mittlerweile auf Hochtouren. Die Ungewissheit, ob es im Rahmen des Möglichen liegen wird, alles in Präsenz durchzuführen oder ob man wieder wie letztes Jahr auf digitale Formate ausweichen muss, schwebt allerdings als Gewitterwolke über allen Überlegungen, denn:

„Die O-Woche 2020 war super viel Organisation, die jede Kapazitätsgrenze überschritten hat. Letztlich haben wir sie zu großen Teilen digital angeboten und standen bei unseren Präsenzveranstaltungen mit dem Gesundheits- und Ordnungsamt im Austausch.“ (Fachschaft Germanistik)

Doch auch hier konnten wir alle Erfahrungen sammeln und die Eindrücke der letzten O-Woche mit einfließen lassen, sodass die aktuellen Planungen schnell variieren können: „Wir werden wahrscheinlich auf ein hybrides Format umsteigen, damit wir auf der sicheren Seite sind“ berichtete mir eine Studentin der Fachschaft des Fachbereiches Geschichte/Philosophie, wohingegen viele Fachschaften im Moment eher planen „die O-Woche in Präsenz stattfinden zu lassen. Wir hoffen, dass das Ende September noch möglich sein wird und die Inzidenzen nicht wie letztes Jahr so extrem in die Höhe schießen“ (Fachschaft Sportwissenschaften) – immerhin kann die „gute Vorerfahrung aus dem letzten Jahr als Backup-Konzept verwendet werden“ (Fachschaft Kommunikationswissenschaften). Dabei muss für die kommende O-Woche eingeplant werden, dass nicht nur die Studierenden aus dem ersten Fachsemester, sondern auch die des zweiten bzw. dritten Semesters dazu kommen können, da auch für sie die O-Woche den Auftakt in ihr erstes Präsenzsemester darstellt. Die stetig steigende Quote der Geimpften erhöht sowohl Hoffnung als auch Chancen auf Normalität; vor allem für die unter freiem Himmel stattfindenden Aktionen. Aber auch Innenraumaktivitäten sind wieder freier zugänglich, als es letztes Semester noch der Fall war – das betrifft nicht nur Kneipen. So freut sich die Fachschaft Kunstgeschichte schon auf künftige Museumsbesuche, „auch wenn natürlich vorher abgesprochen werden muss, wie viele Personen in einer Gruppe die Museen betreten dürfen“ (Fachschaft Kunstgeschichte).

Auch wenn keine Fachschaft genau sagen kann, wie das nächste Semester und die O-Woche ablaufen wird, bleibt die Motivation bestehen „den Erstis Münster zu zeigen“ (Fachschaft Kommunikationswissenschaften).

… und nun?

Obwohl Veranstaltungen und Exkursionen bisher größten Teils weggefallen sind, bemühen sich alle Fachschaftsvertreter*innen weiterhin um ihre vertretende und vermittelnde Funktion. Daher: immer gerne Fragen stellen, Wünsche äußern oder Ideen mit einfließen lassen, um diese schwierige Zeit so gut wie möglich für alle zu gestalten. Dafür ist es immer von Vorteil, ab und zu mal die Homepage und Social Media Kanäle wie Instagram und Facebook zu checken, um up to date zu bleiben oder die Fachschaften zu kontaktieren. Wir freuen uns, alle neue Studis kennenzulernen und das neue Semester etwas ’normaler‘ beginnen zu lassen; und wer weiß – vielleicht können ja in der Zukunft auch neu erworbene Gewohnheiten positiv in die Fachschaftsarbeit mit einfließen?

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Jolanda Saal

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