Home Sweet Home – ein Plädoyer fürs Alleinwohnen
Das neue Semester ist angebrochen und tausende Erstsemester haben ihre WGs bezogen. Nun aber das böse Erwachen: Das Zusammenleben ist doch nicht so toll wie erwartet. Oder du gehörst schon zur Alten Garde im Studi-Business und überlegst seit Längerem, ob es nicht angenehmer wäre, eine eigene Wohnung zu beziehen. Wir sagen dir in jedem Fall: Tu es!
Studentenleben heißt WG-Leben: Es gibt kaum jemanden, der dieses Klischee nicht kennt. WGs sind wunderbar, es entstehen Freundschaften, manchmal sogar Beziehungen. Man lernt, Rücksicht zu nehmen und hat gleichzeitig Ansprechpartner, wenn die ersten Schritte in die Selbstständigkeit etwas holprig sind. Und da schließlich nicht jeder monatlich von Mama und Papa einen Taui zugesteckt bekommt, ist eine eigene Wohnung auch eine teure Angelegenheit. Warum sollte also irgendjemand während seines Studiums allein leben wollen?
Wir (Deike und Dominik), beide WG-erfahren, kennen die Antwort. Wir wohnen seit einiger Zeit allein und feiern es total. Warum, haben wir euch in einer höchst subjektiven Liste zusammengestellt.
Alleinwohnen ist das Größte, weil …
… du heimkommst und es ist DEINS!
Wenn du nach einem anstrengenden Unitag müde und nassgeregnet endlich die schützende Haustür hinter dir schließt, ist niemand da, der unbedingt jetzt im Nebenzimmer Sex haben oder viel zu laut irgendein Computerspiel zocken muss. Deine Welt ist so groß oder klein, wie du sie dir in diesem Moment wünschst. Niemand in deinen eigenen vier Wänden verdirbt dir einen ruhigen Abend. Tu dir gut, kuschle dich in dein Bett und am nächsten Tag kannst du dich der Welt wieder erholt entgegenstellen.
Das Ganze funktioniert natürlich auch umgekehrt: Jetzt kannst du Musik hören, so laut du willst und um 5 Uhr morgens betrunken nach Hause kommen, Popcorn machen und mit deiner besten Freundin telefonieren. Niemand wird dich stören oder dich darum bitten, leiser zu sein.
… du ins Bad gehen kannst, wann immer du willst.
Kaum ist das Badewasser eingelassen oder hat man sich unter der Dusche gerade die Haare eingeschäumt, klopft auch schon der erste an die Tür, der sich dringend erleichtern muss. Wenn du allein wohnst, kannst du dich in Ruhe und stundenlang deinem Wellness- und Schönheitsprogramm widmen. Sollte dann doch mal das Telefon klingeln, kannst du einfach nackt durch die Wohnung laufen.
… du mit niemandem absprechen musst, ob Besuch willkommen ist oder nicht.
Mal abgesehen von den üblichen Familienmitgliedern und Freunden: Es ist nicht dein erstes Tinderdate in diesem Monat, möglicherweise auch nicht dein letztes. Natürlich sollte das sowieso niemanden etwas angehen, aber Mitbewohner müssen ja trotzdem nicht alles mitbekommen – auch wenn sie noch so verschwiegen und verständnisvoll sind. Wer allein wohnt, muss sich nur vor sich selbst verantworten.
… du nur deinen eigenen Dreck wegmachen musst.
Wenn du gerade eine ordentliche Phase hast, bleibt es ordentlich. Du kannst dir nach einem langen Tag des Scheuerns und Schrubbens sicher sein, dass dir niemand die frisch gewischte, blitzblanke Küche versaut. Außerdem sind nun kein Putzplan und keine Mitbewohner, die vehement auf dessen Einhaltung pochen, hinter dir her. Falls du also eine stressige Woche hast und einfach mal in deinem eigenen Chaos dahin vegetieren willst: auch kein Problem. Niemand sieht den Sauhaufen, den du angerichtet hast.
… du die alleinige Macht über den Kühlschrank hast.
Wenn du nach einer durchzechten Nacht nach Hause kommst, ist das Stück Pizza, das du vor dem Aufbruch nicht mehr geschafft hast, immer noch da. Niemand hat es aufgegessen oder weggeschmissen. Gleichzeitig findest du auch keine Reste mehr vor, die jemand ganz sicher noch essen wollte, die nun aber von innen gegen die Kühlschranktür klopfen. Du musst keine streng riechenden oder bei dir aus anderen Gründen Würgereiz auslösenden Lebensmittel mehr ertragen; was natürlich auch bedeutet, dass du dich für deinen gut gereiften Schimmelkäse nicht weiter entschuldigen musst.
… du spontan umdekorieren kannst.
Möbel und Deko tragen zu einem großen Teil dazu bei, ob wir uns wohl oder unwohl in einer Wohnung fühlen. Wenn du allein wohnst, kannst du jeden Raum genau nach deinem Geschmack einrichten und fühlst dich dadurch automatisch besser. Du kannst dich dabei so oft ausprobieren, wie du willst, auch wenn das bedeutet, deine Wände zu jeder Jahreszeit in einer anderen Farbe zu streichen. Du bist schließlich die einzige Person, die mit dem Geruch leben muss.
… du selbstständiger wirst.
Der Abfluss ist verstopft, die nächste Mahnung liegt im Briefkasten oder es gibt einen Kurzschluss – um solche Probleme musst du dich jetzt selbst kümmern. Nervig, aber dadurch lernst du, Dinge in die Hand zu nehmen, was dir in jeglichen anderen gegenwärtigen oder zukünftigen Lebenssituationen zugutekommen wird.
Zudem übst du das Alleinsein. Viele haben anfangs Angst davor, nach dem Umzug in ein tiefes Loch der Einsamkeit zu fallen. Nach einiger Zeit wirst du es aber zu schätzen wissen, dass du nach Hause kommst und dich niemand mit Fragen löchert. Du musst nur dir selbst stets die Frage nach deinen eigenen Bedürfnissen beantworten. Und falls eines dieser Bedürfnisse vorsieht, mit jemandem zu plaudern, kannst du immer noch zum Telefon greifen oder dich spontan mit Freunden treffen. Die sind im Zweifel auch besser geeignet, als jemand, der gerade einfach zufällig daheim ist.
Das alles bedeutet nicht, dass wir unsere WGs gehasst hätten, im Gegenteil, wir hatten sogar großes Glück mit ihnen. Aus den genannten Gründen hatten wir aber irgendwann das Gefühl, dass sich unsere Zeit der Rücksichtnahme und Kompromisse in Bezug auf unseren „Safe Space“ langsam dem Ende zuneigt. Die Entscheidung, sich die eigenen vier Wände zu leisten, haben wir keinen Moment lang bereut: Wir sind nicht einsam, wir wohnen nur allein. Vermutlich nicht für immer, aber wenn wir wieder mit jemandem zusammenziehen, werden unsere Erfahrungen aus dieser Zeit helfen, auf unsere individuellen Bedürfnisse zu achten und diese auch anzusprechen. Also: Traut euch!
Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.
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Deike Terhorst
ist im berüchtigten Emsland aufgewachsen, wo man sich Moore mit Spezi (emsl. für Cola-Korn) schön trinkt. Hatte irgendwann einen klaren Moment und ist fürs Geschichtsstudium in die große Stadt aka Münster gezogen. Arbeitet mittlerweile im Lokaljournalismus. Digitaler Dinosaurier mit Instagram-Allergie. Powert sich gerne beim Tischtennis aus. Verrückt nach Kreuzworträtseln. Spricht Albanisch. Wäre ohne Terminplaner komplett lost (hab gehört, das sagt man jetzt so).
Dominik Schiffer
Hat Geschichte und Skandinavistik studiert und ist dennoch weiterhin wahnsinnig neugierig auf Texte aus allen Jahrhunderten. Verbringt außerdem bedenklich viel Zeit in der Küche, vor Filmen/Serien, auf der Yogamatte und mit allerlei „Nerdstuff“.
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