Gesellschaft und Lifestyle / Interview
Junge Frauen weltweit während Corona
Tokyo, Canberra, Lyon, Iowha – vier junge Studentinnen berichten von vier verschiedenen Kontinenten über ihren Alltag während der Pandemie.
Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Tokyo, Canberra, Lyon, Iowha – vier junge Studentinnen berichten von vier verschiedenen Kontinenten: Nanako, Cassie, Candice und Gina erleben wie weltweit Milliarden von Menschen die Auswirkungen des SARS-CoV-2 Virus am eigenen Leib.
Im März 2021 ist der globale Ausbruch des Virus fast ein Jahr her. Das Leben steht in vielen Ländern auf der Welt immer noch still und an Normalität ist kaum zu denken. Die vier jungen Frauen erzählen sowohl von ihren Erfahrungen mit dem Virus als auch von ihren Gefühlen im Lockdown.
In Japan traten im Januar 2020, vor über einem Jahr vereinzelt Fälle von Infizierten auf, die nach einem Aufenthalt in Wuhan zurück in ihr Heimatland flogen. Mitte April wird der Ausnahmezustand im ganzen Land ausgerufen. ,,Ich bin aus meiner Wohnung in Tokyo aus- und wieder ins Haus meiner Eltern eingezogen“, erzählt die Japanerin Nanako, ,,ich wollte in eine Stadt, wo es weniger Infizierte gab“.
Auch Cassie aus Australien hat das ganze letzte Jahr bei ihren Eltern in Canberra verbracht: ,,Meine Universität führte für die Studenten Mitte März, also zwei Wochen nach Semesterbeginn, den Online-Unterricht ein.“
Am 14. März wurden in Frankreich alle lebensnotwendigen Geschäfte geschlossen und zwei Tage später rief der Präsident einen Lockdown für das ganze Land aus. ,,Zuerst reagierten wir alle auf die neue Situation ängstlich, aber es war auch irgendwie aufregend, weil es neu und unerwartet war“, sagt die Französin Candice. ,,Die Politiker waren am Anfang der Meinung, der neuartige Virus sei eine einfache Grippe, aber schon am nächsten Tag wurde uns gesagt, wir sollten zu Hause bleiben. Ich habe den Ernst der Lage damals nicht verstanden.“
Im März 2020 bestimmen auch vereinzelte Staaten in den USA die Schließung der nicht-lebensnotwendigen Geschäfte. ,,Viele Menschen in den USA haben ihr Leben nicht verändert, um den Virus zu bekämpfen“, erzählt Gina aus dem Bundesstaat Iowha. ,,Ich denke, das zeigt den starken amerikanischen Wert des Individualismus, der gerade jetzt einen negativen Einfluss auf unser Land hat.“
Der Alltag während Corona
Lockdown, Abstandsregeln und Maskenpflicht so erleben die vier jungen Frauen in ihrem jeweiligen Land den Virus und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen.
,,Ich finde, dieses Leben ist eigentlich stressfreier“, meint Nanako. Sie nutzt die Zeit vor allem, um Freundschaften und die Bindung zu ihren Liebsten zu stärken. ,,Als ich vor ein paar Tagen in Shibuya, dem zentralen Stadtteil Tokyos, war, waren dort so viele Jugendliche und Angestellte. Ich war total erschrocken, denn viele sorgen sich nicht mehr um Corona und einige tragen keine Masken mehr.“
,,Ich lebe seit langer Zeit in einem Gebiet, das frei von Covid-19 ist. Ich habe das Glück, in einem Land zu leben, in dem mit der Pandemie gut umgegangen worden ist“, erzählt Cassie. Australien hat es geschafft, die Pandemie mit strikten Maßnahmen und einem Einreisestopp weitestgehend zu bekämpfen. ,,Eigentlich bin ich in meinem täglichen Leben wieder zurückgekehrt zur Normalität.“
Von Normalität kann die Amerikanerin Gina nur träumen: ,,Covid beeinflusst meine Beziehung zu anderen, die Möglichkeit meine Familie zu sehen und mein persönliches Wohlbefinden.“ Trotz all der Schwierigkeiten, denen Gina gegenüber steht, bleibt sie positiv: ,,Ich kann mich immer noch glücklich schätzen, weil ich weiß, dass es anderen im Vergleich zu mir schlechter geht.“
Candice versucht, den Lockdown für sich zu nutzen: ,,Ich ergreife die Möglichkeit, mir Zeit für mich selbst zu nehmen, an meinem Wohlbefinden zu arbeiten und Dinge zu tun, für die ich sonst keine Zeit habe.“ Aber auch sie sieht sich mit den Schwierigkeiten der Pandemie konfrontiert: ,,Meine Anxiety kam wieder zurück und ich habe viele Freunde, bei denen es genauso ist oder die zum ersten Mal mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.“ In Frankreich herrscht zurzeit eine Ausgangssperre von 6 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. ,,Weil ich tagsüber Online-Unterricht habe, kann ich häufig nicht vor der Ausgangssperre das Haus verlassen. So fühlt es sich an als würde ich den gleichen Tag immer und immer wieder erleben. Es ist wie ein endloser Kreis.“
Anxiety
Lässt sich im Deutschen mit Angst übersetzen. Wenn der Körper sich gestresst und überfordert fühlt, kann dies Anxiety auslösen. Aber auch andere Faktoren wie Sorgen, Ungewissheit oder erwartete Bedrohungen können Auslöser sein.
Inwieweit treffen dich die Einschränkungen?
Um die Pandemie einzudämmen, muss sich an viele Regeln gehalten werden. Diese kreuzen häufig bereits gemachte Planungen wie ein Auslandssemester, Reisen oder das Arbeits- und Studentenleben.
,,Ich konnte mein geplantes Auslandssemester in Bern in der Schweiz nicht verwirklichen“, erzählt Nanako betroffen. Sie ist enttäuscht, die Erfahrung verpasst und keine neuen Leute kennengelernt zu haben.
Die Australierin Cassie berichtet: ,,Mich hat es genervt, mein Studium nicht richtig vollenden und meine Freiwilligenarbeit im Zoo nicht weiter ausführen zu können.“
,,Ich wünschte, die Einschränkungen und die nationale Zusammenarbeit seitens unserer Regierung wäre größer gewesen“, sagt Gina. Sie ist der Meinung, die Regierung und viele privilegierte Bürger tendierten dazu, die Interessen der Wirtschaft zu priorisieren. ,,Die öffentliche Gesundheit wird für unsere Wirtschaft geopfert“ Die Amerikanerin trifft an den Einschränkungen am härtesten, wie viele betroffene Personen sich völlig machtlos fühlen. ,,In den USA werden 500.000 Tote gezählt. Es müsste nicht so sein, wenn unser Land früher gehandelt und die Vorsichtsmaßnahmen mehr durchgesetzt hätte. Aber alles, was wir tun können, ist, zu Hause zu bleiben und zu warten, bis der Impfstoff verfügbar ist. Viele Menschen fühlen sich entmutigt bezogen auf sich selbst, die Regierung und das eigene Leben.“
Candice studiert in Frankreich an einer Hotelfachschule. ,,Deshalb sind mir die Schwierigkeiten für Hotels, Restaurants und den Tourismus sehr bewusst. Es fiel mir schwer, die neuen Maßnahmen im Oktober und den zweiten Lockdown zu akzeptieren, aber ich tat es trotzdem.“ Auch die landesweite Maskenpflicht findet Candice anstrengend. Denn in Frankreich muss jeder, der das Haus verlässt, eine Maske tragen, auch wenn niemand sonst auf der Straße unterwegs ist.
Hat die Situation rund um Corona auch etwas positives?
Der Lockdown bietet eine völlig unbekannte Lebenssituation für viele Menschen. Einige nutzen die viele Zeit für sich selbst: Sport machen, ein Instrument spielen, eine neue Sprache lernen oder eine gute Serie gucken sind nur einige Beispiele von vielen, um diese Zeit auch positiv nutzen zu können.
Die Japanerin Nanako ist auch dankbar für die Situation. ,,Es fordert mich heraus und hat mich gezwungen, Änderungen in meinem Leben vorzunehmen.“
,,There is something positive from every situation, definitely!”, sagt Gina. Die Pandemie eröffnet ihr die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen. ,,Durch die Technologie ist es einfach, in Verbindung zu bleiben. Ich fokussiere mich intensiver auf meine Ziele in der Schule, bei der Arbeit und im Leben.“
Die Australierin Cassie findet stattdessen gar nichts Positives an Corona und der Situation.
Aber auch Candice kann der ganzen Situation etwas Positives abgewinnen. ,,Corona hebt die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft, in der wir leben, hervor. Wichtige Themen wie Armut, der Zugang zum Gesundheitssystem, die Umwelt und das Machtspiel zwischen den Ländern der Welt treten in den Vordergrund.“
Die merkwürdigste Situation
,,Es gibt in Japan einen ,,Drive-Through-Supermarkt“, berichtet Nanako. ,,Dort reserviert man vorher Lebensmittel, die man kaufen möchte, und fährt dann zum Supermarkt. Man muss nicht aussteigen, sondern nur den Kofferraum aufmachen und der Verkäufer lädt die bestellten Sachen ein.“
Wie in Deutschland war auch in Australien das Toilettenpapier als Erstes ausverkauft. ,,Ich stand vor leeren Regalen und musste zu drei verschiedenen Supermärkten fahren, bis ich endlich eine Packung bekommen habe!“, erzählt Cassie.
,,Dating ist momentan sehr schwierig“, beklagt Gina. ,,Manchmal, wenn sich jemand mit mir zum ersten Mal treffen möchte, frage ich mich: ,Ist diese Person es wert, sich der Gefahr einer Infektion auszusetzen?´. Außerdem habe ich an virtuellen Livestreams für Hochzeiten, Beerdigungen, Geburtstagen und anderen Festen teilgenommen.“ Das findet Gina sehr futuristisch.
Candice hat einmal wegen des Feierabendverkehrs eine halbe Stunde zum Supermarkt gebraucht, nur um dort festzustellen, dass sie ihre Maske vergessen hat. ,,Ich habe Ewigkeiten zurück nach Hause gebraucht, um eine Maske zu holen. Seitdem habe ich immer eine in meinem Auto mit dabei.“
Tipps, um den Lockdown zu überstehen
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt, den Tag zu strukturieren, für sich selbst gut zu sorgen, Kontakte zu pflegen, trotz des Abstandes und verlässliche Informationen zu nutzen. Während des Lockdowns haben auch die vier Studentinnen gelernt, mit der Situation umzugehen und teilen ihre Tipps.
,,Wir sollten die Situation akzeptieren und den Moment der Ruhe genießen. Bleibt positiv!“, rät Nanako. ,,Im Laufe der Zeit lernen wir, wie man mit Corona gut umgehen kann.“
,,Just go with the flow”, sagt Cassie. Sie erinnert sich selbst immer wieder daran, dass sie die Pandemie nicht kontrollieren kann und die Situation hinnehmen muss.
Gina hilft es, wöchentlich mit ihren Freunden und ihrer Familie zu telefonieren. ,,Erinnert die Leute, die ihr liebt, daran, wie wichtig sie euch sind. So verbreitet ihr Freude auch in diesen schwierigen Zeiten“, sagt die Amerikanerin und fügt hinzu: ,,Also, eat your favourite snacks!“
,,Nimm dir bewusst Zeit für dich selbst“, schlägt Candice vor. ,,Auch wenn diese Situation manchmal sehr überwältigend ist, versuche dein Bestes und sprich zu vertrauten Personen über deine Gefühle.“
Ein Blick in die Zukunft
,,Ich denke, diese Situation bleibt noch ein oder zwei Jahre“, meint Nanako. Sie fragt sich, ob die Menschen, obwohl der Impfstoff bereits da ist, geimpft werden möchten, wo doch die Wirkung noch nicht final geklärt ist.
Candice ist, zumindest was Australien betrifft, positiv eingestellt: ,, Ich glaube, in Australien wird sich die Lage weiterhin normalisieren. Es würde mich nicht wundern, wenn wir es schaffen würden, die Pandemie aus unserem Land zu verdrängen. Ich glaube, es wird nur anderswo auf der Welt schlimmer werden, bis der Impfstoff für alle verfügbar ist. Dann werden wir womöglich eine Verbesserung der Pandemie auch global sehen.“
Auch Gina ist optimistisch, was die Zukunft angeht. ,,Ich sehe, dass die Situation in vielen anderen Ländern deeskaliert und ich glaube, die USA hat das Potenzial, das Gleiche zu schaffen. Ich habe alles getan, um eine Ansteckung und Verbreitung des Virus zu vermeiden.“ Auch wenn die Zeiten gerade schwierig sind, ist Gina der Ansicht: ,,Es besteht immer Hoffnung für eine bessere Zukunft und ich glaube an eine.“
,,Ich fühle mich unsicher, was meine Zukunft betrifft“, sagt Candice, denn sie studiert in einem Feld, das von dem Virus stark betroffen ist. ,,Ich hoffe, dass es mit den verschiedenen Impfstoffen möglich ist, wieder normal zu leben. Ich glaube nicht, dass die Welt die Gleiche sein wird, denn nach einer Krise kommt immer eine Veränderung. Aber ich hoffe wirklich, dass es sich zum Besseren ändert.“
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Felicia Holtkamp
Angehende Journalistin im Online-Studium mit vielseitigen Interessen von der griechischen Mythologie und Sternzeichen über Reisen und Kulturen bis zu Game of Thrones und True-Crime-Fällen. Mein Patronus wäre ein Löwe.
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