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Kein Film für Epileptiker – Kinoreview Mile 22

Grauenhafte Wackelkamera, Schnittmassaker und eine 0815-Story. Eigentlich kommt Mile 22 zehn Jahre zu spät.
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Und ich dachte, wir hätten es überstanden: Wackelkamera & Schnittmassaker. Womit Bourne in den 2000ern erfolgreich anfing, erschuf der Hype eine Art des Films, bei dem man am Ende trotz vieler Bilder eigentlich nichts gesehen hat. Ätzend! Zum Glück besann sich die Branche und setzt mittlerweile wieder auf Übersicht und mehr Ruhe bei der Kameraführung.

Bis jetzt! Die bisherigen Kritiken zum neuesten Streifen von Peter Berg sind – milde gesagt – schlecht. Doch als Fan von Mark Wahlberg und Action im Allgemeinen erschien mir der Fünfer für das Kinoticket durchaus akzeptabel. Allerdings ist die vierte Zusammenarbeit des Duos – nach dem ordentlichen Lone Survivor (2013) sowie den genialen Deepwater Horizon (2016) und Boston (2017) – simpel gesagt ein chaotischer Haufen Unfug.

Als Rahmen vieler hektischer Action-Sequenzen dient eine Handlung rund um eine geheime Spezialeinheit namens Overwatch, die im Namen – oder eben nicht im Namen – der amerikanischen Regierung Aufträge durchführt: Und zwar immer dann, wenn Option 1 (Diplomatie) und Option 2 (Militär) versagen. Die Mission in Mile 22 ist die Überführung eines Informanten, welcher Informationen über atomare Waffen hat. Mehr gibt es nicht als Hauptplot. Nebenstränge werden bei Zeiten angerissen und dann ebenso schnell wieder fallengelassen. Plausibilität sucht man bei solch einer Geschichte vergebens, das Konzept ist ausgelutscht und soll augenscheinlich nur eine wilde Hatz unter Zeitdruck rechtfertigen. Einzig positiv ist der enthaltene Twist gegen Ende, der wirklich überraschend kommt und dem faden Einheitsbrei ein bisschen Würze verleiht.

Obwohl die Story am Minimum der Notwendigkeit agiert, schafft es die Charakterzeichnung tatsächlich noch eine Schippe drunter zu legen. Es ist irgendwie traurig, das Sprichwort so verwenden zu müssen. Hart formuliert sind alle Figuren innerhalb des Films austauschbar, erhalten entweder gar keine Tiefe oder so wenig, dass es den Zuschauer trotzdem nicht kümmert. Mark Wahlberg spielt zwar einen psychisch labilen, stets aggressiven und autistischen Leiter der Spezialeinheit, allerdings erfährt man lediglich im Intro etwas über seine Figur und danach nie wieder. Schade, denn die Idee ist gut, die Umsetzung erinnert aber nur an einen schwachen Abklatsch seiner Rollen des Staff Sgt. Dignam (The Departed) und Terry Hoitz (Die etwas anderen Cops). Iko Uwais, Star aus The Raid 1 & 2, wird als Figur vollkommen verschleudert und macht allein in den Fights einen starken Job. Der Rest vom Cast beinhaltet einen flachen John Malkovich sowie Ronda Rousey, deren Schauspielkünste arg beschränkt wirken. Warum die ehemalige MMA-Fighterin zudem keine wahre Kampfszene erhält, um ihre dortigen Talente zu beweisen, bleibt ein Rätsel.

Plumpe Story, mangelhafte Figurenzeichnung und blasse Schauspieler sollten für einen reinen Action-Kracher allerdings kaum ein Problem darstellen. Womit wir wieder beim Anfang wären. Erstens: Die enthaltene Action ist weder spektakulär noch innovativ. Zweitens: Sie ist furchtbar gefilmt. Schon zu Beginn wird es wackelig und ein Stakkato von Schnitten deutet sich an. Was folgt, sind 95 Minuten, die sich immer kurz vor der Grenze zum Epilepsieanfall bewegen. Extrem ärgerlich, denn ein Iko Uwais kann kämpfen. Wieso sein Solo gegen zwei Gegner von Schnitten verunstaltet wird, anstatt einfach draufzuhalten und zu zeigen, was der Mann kann… Unbegreiflich! Ähnliche Bilder gibt es bei fast allen anderen Action-Sequenzen. Der Film ist so simpel und einfach angelegt, dann sollte er gefälligst bei den Auseinandersetzungen punkten. An Brutalität mangelt es Mile 22 definitiv nicht, der rote Lebenssaft fließt in Strömen und auch manch andere Härten – #Autotür – gönnt sich der Film. Die Altersfreigabe ab 16 Jahren bewegt sich zweifelsfrei am oberen Ende zum FSK 18. Handgemachte Effekte wirken eben nach wie vor am besten!

Weniger störend im Film ist die technische Einbindung von Drohnenaufnahmen, Überwachungskameras und Co. Peter Berg ist bekennender Militarist und setzt die modernen Mittel der Amerikaner einfach gerne in Szene. Das passt nicht immer, in diesem Streifen über eine geheime, gut ausgerüstete Spezialeinheit allerdings schon. Ebenso ist erfreulich, dass der Streifen über eine wirklich coole Titeleinblendung nach den ersten Minuten verfügt und nicht erst zum Schluss seinen Namen preisgibt oder stumpf mit weißer Schrift ins Bild klatscht. Dieser Trend nervt mich einfach nur – Grüße an Marvel.

Mein Urteil über Mile 22 fällt noch milde aus, dank sei Mark Wahlberg und meiner Leidenschaft für Action. Der Film hat eine primitive und unlogische Geschichte, schwache Charakterzeichnung, blasse Schauspieler und scheitert in seinem Hauptpunkt: Die Action ist viel zu wackelig und schnell geschnitten, obwohl sie trotz mangelnder Kreativität generell unterhaltsam ist. Schönerweise wird der Streifen aufgrund seiner „nur“ 95 Minuten Laufzeit nicht langweilig und der Härtegrad der Action sowie einige derbe Sprüche, meist von Mark Wahlberg, halten den Zuschauer einigermaßen bei der Stange. Die bereits vor Kinostart von Mile 22 angekündigte Fortsetzung braucht man allerdings nicht, insofern nicht am kompletten Stil und Story plus Figuren Etliches geändert wird, was logischerweise einfach in einem anderen Film getan werden könnte. Folglich keine Empfehlung für dieses chaotische Machwerk, da gibt es zig bessere Streifen.

5,5/10 hektischen Schießereien.

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Daniel Rublack

… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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