Kino & Serie / Kultur und Medien
Meisterwerk für die einen, Langeweile für die anderen – Kinoreview „Once Upon a Time in Hollywood“
Diese Hommage an die Filmfabrik der späten 60er-Jahre ist ein Geschenk für Tarantino-Fans und pure Langeweile für alle, welche dem Stil des Kultregisseurs nichts abgewinnen können.
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Once Upon a Time in Hollywood ist eine Hommage an das Schaffen der Filmfabrik, die späten 60er-Jahre und extravagante Persönlichkeiten. Unzählige Dialoge, der Hang zum Detail und etwas derbe Gewalt machen seinen neunten Film zu einem typischen Tarantino. Worüber Kritiker sowie Fans jubeln und sich gegenseitig in ihren Lobpreisungen übertreffen, grätscht meine Person – ganz der bekannte Kulturbanause – gerne dazwischen. Für mich dümpelt der Streifen planlos vor sich hin, kaschiert blasse Figuren mit einem Staraufgebot der Extraklasse und glaubt ernsthaft, einige nette Szenen würden eine Laufzeit von mehr als ZWEIEINHALB STUNDEN rechtfertigen!
Bevor mir nun sämtliche Fachkenntnis abgesprochen wird und verärgerte Tarantino-Fans böse E-Mails aufsetzen, lasst mir zuerst einige Worte. Denn für Liebhaber dieser Art von Inszenierung ist der Film eine wahre Wonne! Sie bekommen genau DAS, was sie sich von einem Quentin-Tarantino-Film erwarten und wohl auch erhoffen. Jedoch erfreut sich eben nicht jeder an ellenlangen Dialogen, einem arg langsamen Erzähltempo oder der speziellen Figurenzeichnung Tarantinos. Daher sind für mich sowohl die überschwänglich positiven als auch extrem negativen Meinungen zu Filmen des Kultregisseurs nachvollziehbar. So sage ich ganz offen, dass Pulp Fiction – einer der Kultfilme schlechthin – mich stark gelangweilt hat und lediglich Django Unchained von mir als „gut“ befunden wurde. Damit sollte die Ausgangslage wohl klar sein.
Woran es Once Upon a Time in Hollywood enorm mangelt, ist eine Zielsetzung innerhalb seiner Geschichte. Was viele Fans als Momentaufnahme einer Zeitepoche ansehen, ist für mich bei näherer Betrachtung schlicht eine Aneinanderreihung von Szenen. Alle einzelnen Handlungsstränge werden erst ganz zum Schluss verknüpft und dies nicht einmal besonders überzeugend. Aber worum geht es im Detail? Da wäre einerseits der fantastische Leonardo diCaprio, welcher einen Schauspieler auf dem absteigenden Ast mimt. Von Selbstzweifeln geplagt und dennoch am Glanz festhaltend kämpft er um seinen Platz in Hollywood. Der Oscar-Gewinner liefert wie gewohnt bärenstark ab – kleines Wortspiel – und schafft es trotzdem kaum, seiner Figur genügend Tiefe einzuhauchen. Das Drehbuch bietet seinem Rick Dalton einfach zu wenig Hintergrund und so fehlt von Anfang an die Bindung zum Publikum. Etliche, minutenlange Film-im-Film-Sequenzen strengen daher eher an, weil sie nichts zur eigentlichen Handlung beitragen und sich, obwohl gut gespielt, einfach wie ein kompletter Stopp anfühlen.
Ähnlich problematisch gestaltet sich die Charakterzeichnung seines Stuntdoubles Cliff Booth, dessen kriminelle Vergangenheit dermaßen schlecht, unglaubwürdig und vor allem unnötig präsentiert wird, dass es schon wehtut. Es hat schon seinen Reiz, wenn ein wunderbarer Brad Pitt sich streitsüchtig mit Bruce Lee prügelt oder Hippies die Visagen poliert, aber solche Szenen reichen nicht aus, um eine Figur auch nur im Ansatz auszufüllen. Mehr als ein „ganz cool der Typ“ mag mir kaum über die Lippen kommen. Und wenn er zum wiederholten Male lässig in seinem Auto durch Los Angeles fährt oder zelebriert wird, wie er Hundefutter in den Napf fallen lässt, kommt mir nicht nur wegen dem Anblick von dem Fraß die Galle hoch.
Besonders auffällig ist das Problem blasser Figuren bei Sharon Tate. Ohne Frage, Margot Robbie ist ein Blickfang und definitiv eine talentierte Schauspielerin! Allerdings ist ihre Rolle einzig und allein jene der Nachbarin unserer Protagonisten und es gibt zu keinem, wirklich keinem Zeitpunkt einen Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Dennoch darf man Zeuge werden, wie sie in einem Kino ihren eigenen Auftritt in einem Film genießt. Erneut, solche Szenen sind absolut bedeutungslos für die Geschichte! Extrem offensichtlich hat Sharon Tate nur die Funktion, innerhalb des Films die Einbindung der Manson-Morde zu rechtfertigen. Überzeugend sind hingegen die Gastauftritte, denn diese Figuren bedürfen kaum ernsthafter Charakterzeichnung, bieten aber Stars wie Al Pacino, Dakota Fanning oder Kurt Russell.
Inszenatorisch schafft Quentin Tarantino einen tollen Flair. Das Hollywood Ende der 60er-Jahre sieht klasse aus, bietet schöne Settings und ist absolut detailverliebt. Zeitgenössische Klamotten, Fahrzeuge und Fernsehsendungen runden den Look gut ab und besonders der Soundtrack spiegelt jene vergangene Ära authentisch wider. Ansonsten gönnt sich der Kultregisseur seine gewohnten, für mich oftmals zu langen Einstellungen, bombardiert den Zuschauer mit Neonreklamen und peitscht den Film eine halbe Stunde vor Ende mit einem unrhythmisch wirkenden Zeitsprung kurzfristig voran, nur um das Tempo erneut gen 0 zu drosseln. Im Finale blitzt auch seine berühmt-berüchtigte Gewalt einmal kurz auf, wobei die große Konfrontation – worauf man gefühlt ewig gewartet hat – wesentlich unspektakulärer ausfällt als gehofft. Und dies trotz der Brutalität, welche jedoch gar nicht zum Ton des restlichen Werks passt. Die heftigsten Kämpfe sind nach kaum zwei Minuten vorbei und Pluspunkte geben hier lediglich die handgemachten Wunden.
Unter dem Strich lässt sich sagen, dass Once Upon a Time in Hollywood ein typischer Tarantino-Streifen geworden ist. Eine langsame Erzählstruktur, ausschweifende Dialoge und spezielle Figuren können Fans verzücken und andere Zuschauer verzweifeln lassen. Ohne seine Dachmarke Quentin Tarantino wäre dieser Streifen definitiv nicht so ein Erfolg! Für mich hat die Geschichte zu wenig Bewegung, dreht sich in ellenlangen Dialogen mit blassen Figuren auf der Stelle und gegen diese Mängel helfen auch grandiose Schauspieler und ein solides Handwerk nur bedingt. Eine Empfehlung daher an alle Tarantino-Fans, eine Warnung vor starker Langeweile an alle, welche diesem Stil nichts abgewinnen können.
6/10 Bounty Law, was vermutlich spannender gewesen wäre.
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Daniel Rublack
… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.
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