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Wacken 2018: eine musikalische Nachlese

Berichte vom Wacken-Festival 2018
| Michael Cremann, Tamara Ossege-Fischer, Lena Hortian |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Running Order Wacken 2018 - Ein abgegriffener Zettel mit einer TabelleTamara Ossege-Fischer

Auch in diesem Jahr war wieder eine Abordnung der seitenwaelzer auf dem Wacken Open Air vertreten. Neben den klassischen Beschäftigungen dort – Bier trinken, Essen, Bier trinken, sich im Schlamm (dieses Jahr eher Staub) wälzen, Eistee trinken und Bier trinken – haben wir uns auch ein paar Bands angeschaut.

An dieser Stelle wollen wir euch die Bands näher bringen, die uns besonders aus dem Campingsessel gehauen haben und euch damit Tipps geben, wie ihr das Jahr bis zum nächsten, dem 30. Wacken, musikalisch überstehen könnt.

Xenoblight

Eine sehr neue und kleine Band, die im Rahmen des Metal Battle die Möglichkeit hatte, 20 Minuten auf der Bühne zu stehen und ihr Können dem geneigten Wacken Publikum zu zeigen. Das Metal Battle ist so etwas wie der Eurovision Song Contest, nur für Metal und weltweit. Xenoblight selbst haben hier eine großartige Show abgeliefert. Die Dänen gaben die vollen 20 Minuten alles, was sie hatten, und droschen mit ihrem brutalen Geballer auf das Publikum ein. Besonders der Frontfrau muss man große Bühnenpräsenz und unglaubliches Stimmvolumen attestieren. Ich hoffe auf eine steile Karriere! – Michael

Genau wegen solchen Bands mag ich die Metal Battles: Kleingruppen, die sonst oft unbekannt bleiben, blühen in der kurzen Zeit im Bullhead Tent, den einzigen ‚”indoor-Bühnen auf dem Wacken”, auf und werden (im schlechtesten Fall) von ein paar hundert Menschen gesehen. Normalerweise sind die Zahlen eher vierstellig, was bei dieser grandiosen Frontfrau der Fall war. Ganz einfach, total verdient, massig Mundpropaganda auch ohne Gewinn des Battles (und die Truppe hat den 3. Platz gemacht!). – Tamara

 

Centuries of Decay

Erneut frischer Wind, erneut Metal Battle. Centuries of Decay beeindruckten mit dem Aufbau einer Atmosphäre, die auch im Zelt hängen blieb, als die 20 Minuten für diese Band schon wieder um waren. Mit doomiger Langsamkeit und Monotonie kommt der Sound wie eine Welle über die Zuschauer. Im nächsten Song wird es dagegen schnell und hart – ein perfektes Gesamtkonzept. Ich bin gespannt auf mehr! – Michael

 

Behemoth

Ich habe noch nie eine Band gesehen, die es bei 35° und Sonnenschein schaffte, solch ein Gefühl von Dunkelheit rüberzubringen. Mit einer atemberaubenden Show, donnernder Gitarrenarbeit und ihrem Mix aus gesprochenem Vortrag und Growling schafften es die Polen, die Luft zumindest gefühlt um ein paar Grad abzukühlen. Gerade live echt ein Erlebnis! – Michael

Behemoth schaffen es trotz ihres Achterbahn-fahrenden Rufes in den letzten Jahren, auf der Bühne wirklich ALLES aufeinander abzustimmen: Stimme, Instrumente, Background (Hallo, da singt ein Kinderchor Black Metal!!) und Stimmung. Einen kleinen Einblick ins kommende Album “I Loved you at your Darkest” gab es auch. Wenn das nur halb so gut wird, kann es echt was! Unter anderem mein Highlight der Woche. – Tamara

 

Gaahl’s Wyrd

Ich sollte nicht mehr schreiben, als die Ankündigung vorab hergab: “No description available. There fore Satan.” So würde Gaahl es selbst machen. Um euch aber ein bisschen mehr Einblick zu geben, versuche ich mal, das Gehörte zu beschreiben: Growling, Screams, Sprache, darunter Blastbeats und durchgehende Gitarren. Dank des so unterschiedlichen Gesanges und des Einsatzes verschiedenster Instrumente, unter anderem einer Drehleier, ergibt sich ein ganz neues Hörerlebnis, das trotzdem Black Metal bleibt. – Michael

Kurze Erklärung: Gaahl ist der Ex-Sänger von Gorgoroth und startete das Projekt Gaahl’s Wyrd  (‚wyrd’ heißt sowas wie ‚Schicksalsweg‘) mit dem Ex-Keyboarder von Immortal, beide wegen Homosexualität aus den jeweiligen Bands geflogen. Musikalisch düster wie Gorgoroth, aber stimmlich ganz anders (gut!).
Damit mein Highlight!!! Mehr trveness geht nicht: Kein Merch, keine CD’s. Es gab vor X Monaten mal gefühlte 3 LP’s, in eine beliebige Menge geworfen, das wars. Kein Spotify. Kein Internetauftritt. Hammer! Angepisst Rumstehen vom Feinsten. – Tamara

 

Skindread

Man braucht schon ein dickes Fell, wenn man sich diese Band gibt. Ich glaube, ich wurde noch nie so oft als “Motherfucker” beleidigt wie von dieser Truppe. Ich wurde aber auch noch nie so motiviert, mitzutanzen und mitzugrooven. Grooven, ihr habt richtig gelesen! Ich – Metalfan, Kuttenträger – groove. Diese Band macht einfach gute Laune!
Reggae beats in Kombination mit harten Gitarren, der klassische, etwas nasale Reggae Gesang und Growling. Das klingt erstmal merkwürdig, aber es ist eine wirklich mitreißende Mischung. – Michael

Egal, wie blöd der Tag bis hierhin war – Skindread live heilt jede Wunde. Und ja, du MUSST und WIRST dich bewegen, auch mit dem schwärzesten Metal auf der Kutte: Groove!  #nobodygetsoutalive – Tamara

Auch ich habe mir Skindread angeschaut und war sehr positiv überrascht! Als reine Tonaufnahme haben mich die Waliser bislang nicht in der Art mitreißen können. Neben der Begeisterung und Motivation des Sängers schienen die kleinen Gemeinheiten am Rande einfach zu seiner Bühnenpräsenz zu gehören. Es mag sich zwar komisch anhören, aber ich finde, er hat diese Beleidigungen durchaus herzlich rübergebracht. Vielleicht hat er es deshalb geschafft, jeden ach so bösen Metaller dazu zu bringen, sein Shirt auszuziehen und über dem Kopf gemeinsam Staub aufzuwirbeln. – Lena

 

Dirkschneider

Dirkschneider ist nicht nur eine Kombination eines Männernamens und eines Berufes, sondern auch der Nachname des langjährigen Sängers von Accept. Das zweite Projekt “des U.D.O.” konnte nicht nur wegen der durchaus bekannten Songs punkten, sondern auch durch die unerwartete Bühnenpräsenz des nicht ganz 1,70 Meter großen Mannes. Trotz der ziemlich erbarmungslosen Nachmittagssonne, die genau auf die Bühne gerichtet war, gab er alles, um die Fans mitzureißen. Insgesamt ein sehr gelungener Auftritt! – Lena

 

Blues Pills

Bei der Erstellung meiner Running Order hatte ich nach einem halben Lied dieser Band bereits beschlossen, dass ich sie mir live anschauen muss. (Paradoxerweise wollte ich damit lediglich female-fronted Nightwish umgehen.) Ich war aber sofort geflashed von der variantenreichen und zum Teil sehr rauchigen Stimme der Sängerin der Blues Pills. Das Publikum bestand überraschenderweise fast nur aus Männern, von denen manche auf ihren Kutten eher die härteren Vertreter des Metals versammelten. Umso beeindruckender, dass die schwedische Band – die nicht nur nach Undergroundmusik der 70er aussieht, sondern auch so klingt – es schaffte, das Zelt fast bis an sein Maximum zu füllen. Besonders erstaunlich war die junge, sehr attraktive Sängerin, die mit ihrem eleganten schwarzen kurzen Jumpsuit zunächst nicht in die Reihe ihrer Kollegen zu passen schien. Ihre Performance war jedoch so energiegeladen und einfach restlos begeistert von der Musik, dass sie problemlos alle mitreißen konnte. Dabei machte sie nicht nur der Bezeichnung ihres Kleidungsstücks alle Ehre. Ich werde die Entwicklung der Band definitiv im Auge behalten und mir wahrscheinlich sogar das aktuelle Album “Lady in Gold” kaufen. – Lena

 

Otto & Die Friesenjungs

Dass Otto ein Phänomen für sich ist, sollte jedem klar sein. Dass er allerdings mit nur 2 Tönen seiner Gitarre eine ganze Schar Metalfans dazu bringt, Lieder wie “Ein Stern, der deinen Namen trägt”, “Marmor, Stein und Eisen” und andere eigentlich ‘total untrve’ Lieder aus voller Kehle zu schmettern, hätte ich dem 70-jährigen Ostfriesen nicht zugetraut – Chapeau! Auch der Wechsel aus seinen Evergreens wie “Friesenjung” und “Dänen lügen nicht” mit eher ernsthafteren, rockigen Songs aus seiner Feder führte dazu, dass der Platz vor der drittgrößten Bühne so voll war wie selten zuvor. – Lena

Anmerkung: Rookie, der Platz ist immer mehr oder minder voll, aber Otto schien gut zu sein. – Tamara

Ich fand’s auch voll da – Nicht-Rookie Michael

 

In Extremo

Die Band hatte ich bislang eher sporadisch verfolgt, werde dies aber auch wegen des sehr sympathischen Eindrucks in Zukunft ändern. Musikalisch mehr als solide und stimmlich angenehm und authentisch rauchig schaffte es der Sänger mühelos rüberzubringen, wie viel Herzblut noch immer in der Musik steckt. Die Bühnenshow unterstrich dies gekonnt und trug dazu bei, die Fans beim letzten Konzert des Festivals in ihren Bann zu ziehen. – Lena

 

Todesking

Man fühlt sich in die 90er zurückversetzt. Todesking spielen klassischen Black Metal. Show und Attitüde passten dazu. Mehr muss man nicht sagen, seht selbst. – Michael

 

Nightwish

Klassiker. Als ich damals laufen gelernt habe, lief “Over the hills and Far away” im Hintergrund – zumindest in meiner unantastbaren Erinnerung. Es war toll, die Granaten endlich live zu sehen, wenn auch mittlerweile mit der dritten Frontfrau. Mittlerweile haben die Jungs aber ihre Stimme gefunden. Insofern konnte sich der Auftritt echt sehen lassen, viele alte Mitsing-lieder in Kombi mit neuem Zeug (was ich natürlich nicht kannte, aber den Stil zum Glück nicht arg verändert). Trotz des Female-Fronted-Syndrom höre ich Nightwish immer noch sehr gerne. -Tamara

 

Noch nicht genug von Wacken? In unserem Guide „How to Wacken“ erfährst du, was das Wichtigste auf dem Festival ist.

 

Dieser Artikel stellt nur die Meinung der AutorInnen dar und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten der Redaktion von seitenwaelzer wider.

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