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Seelenverwandte Ballerei – Review „Bad Boys: Ride or Die“

Absurd witzig, voll kreativer Action und mit ganz viel Herz ist der vierte Einsatz von Mike und Marcus spaßiges Popcorn-Kino vom Feinsten.
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Zwei Männer lachen im Auto© 2024 CTMG, Inc. ALL IMAGES ARE PROPERTY OF SONY PICTURES ENTERTAINMENT INC

Die Jungs sind zurück. Mike bekommt tiefsinnige Botschaften über das Leben, von keinem so schräg präsentiert wie von Marcus. Skittles und ungesundes Essen stehen auf dem Speiseplan. Schießereien laufen – mal wieder – komplett aus dem Ruder. Ständig wird herzhaft geflucht. Wenn alles so ist, wie es sein soll: Das fühlt sich sehr, sehr gut an.

Vertauschte Rollen

1995 musste der Familienvater den Playboy imitieren, um eine Zeugin zu schützen. 2003 wollte der Besonnene weg vom Chaos, wurde jedoch (familiär) noch mehr mit dessen Verursacher verbunden. 2020 musste sich der Junggeselle auf einmal mit dem Thema Familie beschäftigen, während der Sanftmütige immer wieder zur Gewalt gezwungen wurde.

Die Bad Boys tauschen in ihren Filmen regelmäßig die Rollen. Gerade dadurch entsteht oft eine absurde Situationskomik. Auch in Bad Boys: Ride or Die (Bad Boys 4) handeln die Jungs erneut gegen ihre Natur. Marcus hält sich nach einer Erleuchtung für vom Universum berufen: Vollkommen ungehemmt geht er jedes – unnötige – Risiko ein, denn der Tod kann ihm ja nichts anhaben. Mike hingegen hat zum ersten Mal echte Angst, dass sein Handeln Konsequenzen haben kann und Personen schadet, die ihm wichtig sind. Der Besonnene wandelt also unbeschwert durch Miami, während der Draufgänger Panikattacken erleidet.

Die Chemie zwischen Mike Lowrey und Marcus Burnett ist das kraftstrotzende Zugpferd des Franchise, sogar noch vor all der spektakulären Action. Die wäre ohne das abgedrehte Duo nur halb so unterhaltsam. Will Smith und Martin Lawrence haben eine Dynamik, die schlicht einzigartig ist. In jeder Sekunde ist den beiden der Spaß an der gemeinsamen Zeit anzumerken. Diese euphorische Stimmung überträgt sich auch auf das Publikum. Kein anderes Leinwandpaar könnte solch absurde, obszöne und oftmals dämliche Dialoge führen. An anderer Stelle würden Zuschauer vor Fremdscham aufstehen, hier klatschen sie Beifall.

Zwei Männer unterhalten sich an Straße
© 2024 CTMG, Inc. ALL IMAGES ARE PROPERTY OF SONY PICTURES ENTERTAINMENT INC

Will Smith passte schon immer als cooler Typ, mit Hang zum Playboy: Seien es Agent J aus Men in Black, Detective Spooner in I, Robot oder der fragwürdige Superheld Hancock. Smith’s Charisma macht ihn aus, obwohl er davon in letzter Zeit einiges verspielt hat (Stichwort: Oscar-Verleihung). Der Mann kann aber auch emotionale Komponenten, wie er etwa in Das Streben nach Glück zeigen konnte. Playboy Mike hat sich im Laufe der Filme stetig weiterentwickelt und Smith haucht ihm – neben der lässigen Art – glaubhaft nun auch Gefühle wie Angst ein.

Martin Lawrence dagegen dreht komplett frei: Der Comedian war nie der herausragende Schauspieler und seine Art von Humor – wie in etwa Big Mama – ist speziell. Der gute Mann war auch schonmal fitter, aber Bad Boys 4 nutzt gerade diese Alterserscheinungen sehr geschickt und charmant. In seiner Paraderolle als Marcus Burnett ist Lawrence aber immer eine Attraktion. Die vom Universum geküsste und vollkommen sorgenfreie Version in Bad Boys 4 toppt dabei alle bisherigen Auftritte. Witziger war der Mann, der nur seine Ruhe will und das Chaos zum Partner hat, noch nie!

Eine große Familie

Bad Boys ist mittlerweile das, was Fast & Furious gerne wäre: eine große, vor allem aber harmonische und liebenswerte Familie. Im Laufe der Zeit sind immer mehr Weggefährten dazugekommen. Bad Boys 4 vollbringt das Kunstück, allen einen kleinen Moment zu geben, ohne dabei von der Hauptshow – Mike und Marcus – abzulenken.

So darf Theresa Marcus wieder mit gesunden Lebensmitteln quälen, während Reggie dessen Süßigkeitenkonsum Konkurrenz macht. Zudem hinterlässt er bei seinem Schwiegervater einen bleibenden Eindruck – ernsthaft, der Junge rockt sowas von. Das frische Blut von Ammo (Rita, Dorn und Kelly) unterstützt die alten Haudegen, ohne sie von der Bühne drängen zu wollen. Wenn Verjüngung und modernes Update, dann bitte so dezent und sympathisch wie hier. Auch Armando funktioniert als Sohn von Mike: Die Beziehung hat genau die richtige Distanz, dass der Playboy zwar besonnener, aber niemals zahm wird.

Bad Boys wäre ohne Captain Howard kein echtes Bad Boys. Joe Pantoliano hat mit dem fluchenden Captain, der stets für seine beiden besten Chaoten den Kopf hinhält, eine der besten Nebenfiguren aller Zeiten geschaffen. Zudem schauen einige bekannte Gesichter wie Fletcher kurz vorbei – Wiedersehen macht Freude. Viele Cameos sorgen immer wieder für Überraschungen und auch kräftige Lacher.

Aufgrund der recht großen Personenanzahl, besonders aber dem klaren Fokus auf dem Duo, kann von den ganz neuen Charakteren niemand glänzen. Die Bösen sind vollkommen austauschbar und existieren, um gestoppt zu werden. Ebenso sind zu rettende Personen einzig für diesen Zweck vorhanden. Namen oder Schauspieler sind dabei vollkommen belanglos. Etwas mehr Charaktertiefe wie beim selbstgefälligen Johnny Tapia (Jordi Molà) in Bad Boys 2 wäre schon nett gewesen.

Kommandiere das Universum

Die Geschichte entstammt dem typischen 0815-Regal: Die beschmutzte Ehre von Captain Howard – beschuldigt der Korruption – wiederherzustellen, ist für Mike und Marcus eine fast schon heilige Mission. Aufgrund dieser persönlichen Motivation funktioniert die an sich einfache und vorhersehbare Story allerdings – guter und langjähriger Charakterdynamik sei Dank. Insgesamt braucht es für eine Action-Komödie oft nur einen simplen Motor, um eben jene Action und Comedy zu liefern.

Ein Mann mit Waffe auf Motorhabe eines Autos, während ein anderer Mann mit Waffe daneben auf der Straße rennt
© 2024 CTMG, Inc. ALL IMAGES ARE PROPERTY OF SONY PICTURES ENTERTAINMENT INC.

In Bad Boys und besonders Bad Boys 2 – immer noch ein Meilenstein – dominiert ganz klar die Action und wird von Comedy begleitet. Bad Boys for Life wählt einen ausgewogenen Ansatz. Bad Boys 4 verlagert nun den Fokus – sehr erfolgreich – noch mehr zur Comedy. Die Gag-Dichte ist konstant hoch, quantitativ wie qualitativ. Allein die erste halbe Stunde ist ein Feuerwerk absurder, skurriler und esoterischer Momente. Auch wenn die Action loslegt, folgt – Achtung: Wortspiel – ein Kracher auf den nächsten. Neben vielen irrwitzigen Dialogen setzt Bad Boys 4 beim Humor auch auf Physis sowie Kameraeinstellungen und Humor. Dabei hält der Streifen selbst für jene noch genug Überraschungen parat, die alle Trailer gesehen haben.

Bad Boys 4 funktioniert als eigenständiger Film und fügt sich gleichzeitig nahtlos in die Reihe ein. Franchise-Fans kommen dabei aber natürlich noch voller auf ihre Kosten: Anlehnungen und Referenzen zu den anderen Teilen sind schier endlos – von Autos (Van aus Bad Boys 2) über Cameos und Sprüche bis zu Kameraeinstellungen und sehr ähnlichen Schauplätzen ist alles dabei. Viele kleine Details entlocken freudiges Lächeln, ohne dass der Fan-Service zu gewollt wirkt.

Bekannte und neue Action

Ein Bad Boys 2 – einer meiner absoluten Lieblingsfilme – würde so heutzutage nicht mehr produziert werden: 2 ½ Stunden politisch höchst unkorrekter Humor und wahnwitzige, vollkommen übertriebene handgemachte Mega-Action. Das Vermächtnis von Regisseur Michael Bay ist ein Stück weit ein Zeugnis seiner Zeit.

Umso erfreulicher ist es, wie liebevoll Adil El Arbi und Bilall Fallah damit umgehen. Das Regie-Duo greift viele bekannte und beliebte Elemente – wie Kameraeinstellungen – wieder auf. Gleichzeitig verleihen sie dem Ganzen ihre eigene Note. Besonders optisch liefert Bad Boys 4 ein kreatives Feuerwerk ab. Immer wieder sind Bilder zu sehen, die selbst der geneigte Actionfan so noch nicht gesehen hat.

Losgetreten von Michael Bay in Ambulance, liegen dynamische Drohnenaufnahmen voll im Trend. Die kleinen Technikwunder sausen quer über sowie durch Schauplätze. In teilweise langen One-Takes zeigen sie das komplette Geschehen. Diese grandiose Übersicht bringt die Zusammenhänge – wer schießt wo, mit wem, auf wen – in der Action hervorragend zur Geltung. Generell ist Bad Boys 4 fern jeder Wackelkamera, sondern bietet eine ganz klare Bildführung. Der klassische POV-Shot wird dank fließend wechselnder Kameraperspektive – Gesicht und Waffenlauf – auf ein neues Level gehoben. So entsteht das Gefühl, direkt im Geschehen zu sein.

Aus dem Vorgänger übernehmen die beiden Regisseure gefühlt die ersten Minuten – ich dachte tatsächlich kurz, sie hätten hier Material wiederverwendet. Dadurch fühlt sich der Start angenehm vertraut an, erhält aber aufgrund des Rollentauschs eine frische Note. Angelehnt an Bad Boys for Life gibt es zudem eine Schießerei in kräftigen Neonfarben. Die satten Bilder – gepaart mit derben Comedy-Elementen – werten eine eigentlich durchschnittliche Action-Sequenz spürbar auf.

Kreative Seelenverwandte

Was bei Bad Boys nicht fehlen darf: eine Menge Slow-Motion. Das Regie-Duo dosiert dabei jedoch geschickt genug, um genau den richtigen Momenten das gewisse Etwas zu verleihen. Viele Einstellungen, wie das synchrone Ausweichen vor einer Granate, haben dabei schon beinahe künstlerischen Mehrwert. Immer wieder lösen Aufnahmen einen Wow-Effekt aus. Wie Hot Dogs gefilmt werden, hat schon fast voyeuristischen Charakter – klar inspiriert von Michael Bays Arbeit.

Die innovative Sicht aus einer Armbanduhr heraus habe ich so noch nie gesehen! Viele Szenenübergänge sind schlicht beeindruckend. Wenn Bildschirmaufnahmen nahtlos in echte Orte wechseln und wieder zurück, ist das ein echter Augenschmaus. Marcus‘ Traumsequenzen und besonders der langsame Fall dorthin sehen fantastisch aus. Gerade aus kleineren Bildern so viel herauszuholen, spricht eindeutig für das Talent des Regie-Duos.

Zwei Männer in Polizeiuniform mit Waffen verschanzen sich
© 2024 CTMG, Inc. ALL IMAGES ARE PROPERTY OF SONY PICTURES ENTERTAINMENT INC

Der bekannte Soundtrack wird sowohl klassisch als auch in frischen Variationen eingesetzt. Weitere Songs sind vielfach der Comedy passend gewählt. Vom Ton her passt hier alles, ohne spektakulär zu sein: Die Dialoge sind klar zu verstehen und die Action kracht, wenn sie krachen muss.

Sehr positiv ist, dass es im Vergleich zum direkten Vorgänger keinen Moment gibt, an dem schlechte Computereffekte eine Szene zerstören. Das CGI ist stets passabel, niemals störend. Zum Showdown begeistern – heutzutage immer seltenere – echte Explosionen. Bad Boys 4 schafft es auch, seinen Höhepunkt ans Ende zu setzen. Die finale Schießerei – wunderbar angelehnt an das Sumpf-Setting in Bad Boys 2 – gehört, auch aufgrund der kreativen Kameraarbeit, zu den Franchise-Highlights. Darauf folgt pures Comedy-Gold. Und wie lässt sich ein Film besser beenden als mit einem fetten, zufriedenen Grinsen?!

Fazit

Bad Boys: Ride or Die ist Popcorn-Kino par excellence. Die einfache und vorhersehbare Geschichte samt glanzloser Bösewichte bildet die Grundlage für jede Menge Action und Humor. Das Drumherum ordnet sich der Hauptattraktion passend unter: Will Smith und Martin Lawrence sind als Duo einfach einzigartig.

Der Streifen verlagert sich insgesamt noch mehr in Richtung Comedy: Die ist bei hoher Gag-Dichte absurd witzig und sehr gut auf die Action abgestimmt. Verfolgungsjagden, Schießereien und Co. begeistern mit toller Übersicht und viel handwerklichem Geschick. Neue, kreative Aufnahmen und insbesondere manche Szenenübergänge sind ein echter Hingucker. Fans können zudem viele Referenzen zu den anderen Teilen genießen. So geht großartiges Entertainment!

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Daniel Rublack

… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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