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Femme fatale mit Flammenwerfer – Review „Ballerina“

Ana de Armas kämpft sich durch ein ganzes Dorf voller Killer. Jede Menge Action in bester John-Wick-Manier sorgt dabei für sehr kurzweilige Unterhaltung.
| Daniel Rublack |

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Eve schaut grimmig mit Flammenwerfer in der Hand© LEONINE Studios

Sie will Rache. Sie hat die Ausbildung. Sie hat Pistolen, Granaten, Schlittschuhe und Flammenwerfer. Flammenwerfer? Flammenwerfer!

Die Welt von John Wick

John Wick hat 2014 die Action-Welt komplett auf den Kopf gestellt. Keanu Reeves hat mit seinem professionellen Killer, der gewaltsam aus dem Ruhestand geholt wird, eine absolute Legende erschaffen. Mit einer Mischung von Waffeneinsatz und Nahkampf – dem sogenannten Gun-Fu – wurde eine neue Form von Action präsentiert. Deren stylischer Look und brutale Dynamik erfreuen sich großer Beliebtheit.

Seine Rache hat John Wick – der Boogeyman – bekommen. Und sich in folgenden Filmen unzähliger Gegner erwehrt, die seine Regelverstöße bestrafen sollten. Der zunächst noch realistische Ansatz der Action ist dabei schnell dem großen Spektakel gewichen.

Das inszeniert Regisseur Chad Stahelski – jahrelanges Stuntdouble von Keanu Reeves – mit all seinem Können. Den ersten John Wick drehte er sogar noch zusammen mit David Leitch (Atomic Blonde, Bullet Train) – ebenfalls gelernter Stuntman.

Mit From the World of John Wick: Ballerina – oder kurz nur Ballerina – folgt nun das zweite Spin-Off nach der mäßigen Serie The Continental. Der Film hat dabei eine bewegte (Produktions-)Geschichte: Wie die ursprüngliche Fassung von Len Wiseman (Underworld, Stirb Langsam 4.0) ausgesehen hat, lässt sich nur spekulieren. Fakt ist, dass Chad Stahelski erneut ins Boot geholt wurde und – in welchem Umfang auch immer – neue Szenen gedreht hat. Das fertige Endprodukt überzeugt auf jeden Fall als absolutes Action-Fest.

Aufgewachsen mit Tschaikowski

© LEONINE Studios

Als Kind muss Eve Macarro ansehen, wie ihr Vater von unbekannten Männern getötet wird. Winston Scott (Ian McShane), Inhaber des New Yorker Continental, bringt das verstörte Mädchen zur Familie ihres Vaters, der Ruska Roma. Dort erhält sie eine doppelte Ausbildung: als Ballerina und als Auftragskillerin. Nach zwölf Jahren ist Eve bereit für den Einsatz. Dabei entdeckt sie bald bei einem Gegner eine mysteriöse Narbe am Handgelenk: Genau so eine, wie sie die Mörder ihres Vaters hatten. Eve schwört Rache – und blutige Vergeltung folgt.

Komplexer wird die Geschichte nicht. Muss sie auch nicht, denn hier folgt wirklich Blutbad auf Blutbad. Ballerina legt ein sehr hohes Tempo vor, sodass teilweise kaum Zeit zum Nachladen bleibt. Nach einer Actionsequenz zu Beginn folgt eine knackige Ausbildungsmontage, dann folgt noch viel mehr Action. Spätestens im Dorf voller Killer wird sich quasi nonstop durch die Gegend gestochen, geballert und flambiert. Vom Finale zu sprechen wäre hier einfach eine Untertreibung, denn quer durchs Dorf geht es gefühlt über 30 Minuten.

Ana de Armas macht als Eve dort weiter, wo sie in James Bond 007: Keine Zeit zu sterben aufgehört hat. Den britischen Agenten lässt sie dort bei ihrem kurzen Auftritt als CIA-Agentin zum Nebendarsteller werden. In der Actionsequenz auf Kuba versprühte sie neben Charme vor allem Kampfgeist – in der gezähmten 007-Version (FSK 12) sogar im Abendkleid.

In Ballerina darf sie nun brutaler austeilen. Ihr Kampftalent und den geschickten Umgang mit Waffen nimmt man Eve größtenteils ab. Lediglich der Entwicklungsschritt nach einem einzelnen, recht kurzen Zeitsprung erscheint doch arg übertrieben: Nach nur zwei Monaten im Einsatz ist ein solches Massaker schon ziemlich unglaubwürdig.

Was dagegen vollständig überzeugt, ist das taktische Verständnis. Insbesondere gegen physisch überlegene Gegner muss Eve clever vorgehen. Immer wieder funktioniert sie schnell Gegenstände aus ihrer Umgebung zu Waffen um. Das sorgt für abwechslungsreiche Kämpfe mit entsprechend blutigen Resultaten.

Grimmige Wut steht Ana de Armas ebenso wie der gewohnte Charme. An manchen Stellen geht Eve überraschend kompromisslos vor – als Profikiller kann Zögern eben töten. Das toughe Auftreten und der coole Look werden in einem passenden Rahmen gehalten. So übertreibt es Ballerina nicht wie einige andere Action-Streifen, die Frauen in der Hauptrolle haben.

Ein ganzes Dorf voller Killer

Eve mit Gewehr in verschneiter Scheune
© LEONINE Studios

Wer sich bei Action-Filmen immer schon gefragt hat: Woher kommen eigentlich diese Unmengen an trainierten Killern? Ballerina liefert eine mögliche Antwort. Im malerischen Hallstatt lebt ein kompletter Kult von Killern, angeführt vom Kanzler (Gabriel Byrne). Dieser ist gleichzeitig fürsorglicher Opa und gnadenloser Jäger all jener, die seine Sekte verlassen wollen.

Ein wunderschönes Dorf in Österreich als Heimat für ausgebildete Profikiller ist eine wilde und amüsante Idee zugleich. Neben Spielgeräten stehen Zielscheiben, Einwohner haben Maschinengewehre im Kofferraum und in der Schule lehren sie Kugeln. Großartig!

Neben dem verschneiten Hallstatt findet sich Eve immer wieder an Orten wieder, die eindeutige Anspielungen auf andere John-Wick-Filme sind: das Continental in Prag, der dortige Waffenladen oder ein einzigartiger Nachtclub. Dabei gelingt der Spagat, schöne Referenzen zu schaffen, ohne sich selbst zu stark zu kopieren.

© LEONINE Studios

Ballerina spielt größtenteils während der Ereignisse von John Wick: Kapitel 3. So beobachtet Eve den Boogeyman dabei, wie dieser sein Ticket nach Marrakesch einlöst. Später treffen beide erneut aufeinander.

Der Auftritt von John Wick wird mit viel Fingerspitzengefühl gemeistert. Auf der einen Seite stiehlt er Eve nicht die Show, auf der anderen Seite ist es eben immer noch John Wick. Der Mann, der Mythos, die Legende. Wenn Keanu Reeves in gewohnter Manier kurze Sätze quasi ausatmet, hat das einfach eine ganz eigene Wirkung.

Insbesondere der kurze Kampf von Eve und John ist geschickt gelöst. Eve ist zweifelsfrei talentiert und hat jede Menge Feinde erledigt. Gegen den Boogeyman hat sie trotzdem keine Chance. So wird der Mythos von John Wick gewahrt – eine absolute Notwendigkeit.

Bis einer brennt

© LEONINE Studios

Ballerina sieht aus, hört sich und fühlt sich an wie John Wick (1-4). Derselbe stylische Look voll kräftiger Neonfarben. Dasselbe wuchtige Sounddesign bei Schlägen, Tritten und Schüssen. Dieselbe dynamisch inszenierte Action.

Die starken Choreographien kommen mit wenig Schnitten aus. Hier wurde ganz offensichtlich viel geübt – von den Akteuren vor und hinter der Kamera. Deren Abstand zum Geschehen ist dabei ideal gewählt: Weit genug weg, um alles überblicken zu können. Nah genug dran, um rohe Emotionen wie Wut einfangen zu können. Insbesondere weite Außenaufnahmen – wie das Panorama von Hallstatt – sind jedoch schnell als Computerwerk zu erkennen. Der digital glatt gebügelte Look wird nicht allen gefallen, ist in sich aber harmonisch und gehört eben zum John-Wick-Gesamtpaket.

Viele Bilder stehen dabei für sich selbst. Das bekannte taktische Nachladen ist ebenso beeindruckend wie manch abgefeuerter Schuss aus der Drehung. Ballerina ergänzt bekannte Motive dabei mit eigenen frischen Ideen. Wenn Eve etwa für einen Kampf nur Granaten zur Verfügung stehen, erfordert das eine kreative Taktik. Neben Pistolen, Gewehren und Schrotflinten gibt es weitere abwechslungsreiche Waffen. Eispickel werden in Körper gerammt, Äxte treffen Köpfe und Kufen von Schlittschuhen schlitzen blutig Hälse auf. Der Gewaltgrad ist auf demselben Level wie die gesamte Reihe, wobei sich Ballerina sogar noch ein bisschen zusätzlichen Splatter gönnt.

Jede abgefeuerte Kugel, explodierende Granate oder sausende Klinge ist gut im Raum zu verorten – starkem Surround-Sound sei Dank. Wenn sich zwei oder mehr Leute an die Kehle gehen – und das passiert in Ballerina quasi dauerhaft – lässt sich das mit dem kraftvollen Bass auch ordentlich spüren.

Absolutes Highlight ist das Duell mit zwei Flammenwerfern. Schon das zischende Geräusch beim Einschalten sorgt für freudiges Grinsen. Wenn dann Menschen knapp in Slow-Motion vor gewaltigen Flammenstößen in Deckung gehen, sind das spektakuläre Aufnahmen. Feurige Treffer begeistern und sehen vor allem nach echten Stunts und echtem Feuer aus. Die Kamera kostet die Bilder brennender Bösewichte voll aus. Scheint es nach ein paar Flammensäulen, als würde sich der spektakuläre Effekt abnutzen, fährt Ballerina neue Variationen und Perspektiven auf. Zum großen Finale heißt es dann Feuer gegen Wasser.

© LEONINE Studios

Fazit

Eine einfache Geschichte kann genügen, wenn Action zelebriert werden soll. Bei hohem Tempo ist Ballerina extrem unterhaltsam. Das Spin-Off ist dabei sogar ausgewogener und kurzweiliger als einige John-Wick-Filme. Ana de Armas überzeugt als toughe Profikillerin. Einige kreative Ideen bringen die gewohnt gute Action auf das nächste Level: Das Flammenwerfer-Duell gehört eindeutig zum Besten, was Action zuletzt zu bieten hatte.

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… schreibt vor allem über Filme. Arbeitet in der „Presse und Kommunikation“ und unterstützt daher mit entsprechendem Know-how.

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