Freie Zeit für eine bessere Welt? Das Ehrenamt und seine Probleme
Ob im Sportverein oder im Seniorencafé – Ehrenamt ist für viele Menschen ein großer Teil des täglichen Lebens. Aber es gibt auch Schattenseiten...
Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie unsere Gesellschaft ohne das Engagement von Ehrenamtlichen aussehen würde? Das Ehrenamt spielt in Deutschland eine wichtige Rolle und trägt dazu bei, viele gesellschaftliche Probleme zu lösen. Aber warum ist das Ehrenamt aktuell wichtiger denn je und warum stellt es gleichzeitig auch ein Problem dar? Und ist es eigentlich ein deutsches Phänomen?
Eins vorweg: Nein, das Ehrenamt ist kein deutsches Phänomen, sondern es gibt Ehrenamtliche in vielen Ländern der Welt. In vielen Kulturen gibt es Traditionen des Engagements für das Gemeinwohl und der Hilfe für andere Menschen. Auch in anderen Ländern gibt es Organisationen, die sich für die Förderung und Unterstützung von Ehrenamtlichen einsetzen. Allerdings gibt es natürlich Unterschiede in der Art und Weise, wie das Ehrenamt in verschiedenen Ländern gelebt und gefördert wird.
Aber stellen wir uns eine Welt ohne Ehrenamt einmal vor: Alle würden ihrem Hauptjob nachgehen, Dienst nach Vorschrift und zu Hause private Hobbys haben. Ohne Ehrenamtliche wäre die Arbeit in vielen sozialen Einrichtungen, wie zum Beispiel Altenheimen, Kindergärten oder Flüchtlingsunterkünften, nicht möglich. Sie unterstützen professionelles Personal und sorgen dafür, dass diese Einrichtungen weiterhin ihre wichtige Arbeit verrichten können. In vielen Sportvereinen, Kulturvereinen und sonstigen Gemeinschaftsorganisationen sind Ehrenamtliche dafür verantwortlich, dass Veranstaltungen und Aktivitäten durchgeführt werden können. Ein Großteil der Kulturszene wäre nicht das, was sie jetzt ist. Sie organisieren und koordinieren das Engagement vieler Menschen und tragen damit zur Vielfalt und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Auch bei Katastrophen und Notfällen sind Ehrenamtliche oft die ersten, die sich in der Nachbarschaft oder der Gemeinde engagieren und helfen, wo es nötig ist. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Betroffenen und zur Bewältigung von Krisen. Und das sind nur einige der drastischsten Möglichkeiten, ehrenamtliches Engagement geht noch viel weiter und betrifft noch weitere Bereiche, nicht zuletzt ist auch dieses Magazin ehrenamtlich geführt.
Warum arbeiten Menschen ehrenamtlich?
Laut dem Deutschen Caritasverband engagieren sich in Deutschland etwa 43 Millionen Menschen ehrenamtlich. Das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung! Die Bereiche, sich ehrenamtlich zu betätigen, reichen dabei von sozialen Einrichtungen über Umwelt- und Naturschutz, Kultur und Unterhaltung bis hin zu politischem Engagement. Ehrenamtliche Arbeit trägt somit zu einer vielfältigen und lebendigen Gesellschaft bei.
Es gibt dabei viele Gründe, warum Menschen sich ehrenamtlich engagieren: Manche wollen etwas für die Gemeinschaft tun und anderen helfen, andere sehen es als Möglichkeit, sich beruflich weiterzubilden oder neue Erfahrungen zu sammeln. Für manche Menschen ist das Ehrenamt auch ein wichtiger Ausgleich zum Beruf und eine Möglichkeit, sich kreativ und sinnstiftend zu betätigen. Es gibt also viele verschiedene Motive, warum Menschen sich ehrenamtlich engagieren.
Arbeitszeit zu verschenken
So gut und erfüllend das Ehrenamt also ist, was genau bedeutet das genau? Unter Ehrenamt versteht man freiwilliges, unentgeltliches Engagement in einer gemeinnützigen Organisation oder für eine gute Sache. Ehrenamtliche arbeiten aus eigenem Antrieb und aus Überzeugung und erwarten keine finanzielle Entlohnung für ihre Arbeit. Sie tragen damit zum Gemeinwohl bei. Es ist jedoch so, dass das Ehrenamt nicht jedem Menschen zugänglich ist. Es gibt tatsächlich gesellschaftliche Probleme, die das Engagement in Ehrenämtern erschweren oder verhindern. Zum Beispiel gibt es Menschen, die aufgrund von familiären Verpflichtungen oder beruflichen Anforderungen keine Zeit haben, sich ehrenamtlich zu engagieren. Auch für Menschen mit geringem Einkommen oder schlechter finanzieller Absicherung kann es schwierig sein, sich ehrenamtlich zu betätigen. Es ist eine privilegierte Position, man muss es sich leisten können, seine Arbeitskraft und sonstigen Ressourcen entgeltfrei zur Verfügung zu stellen. Um diese Probleme zu beheben, gibt es verschiedene Konzepte und Maßnahmen, um das Ehrenamt nachhaltig zu gestalten und für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel die Förderung von Steuern, Mini-Job- oder Job-Ticket-Modellen, die es Menschen ermöglichen, neben ihrem Beruf oder ihrer Familie eine geringfügige Beschäftigung im Ehrenamt auszuüben. Auch die finanzielle Förderung von Ehrenamtlichen durch Spenden oder Zuschüsse kann dazu beitragen, dass das Engagement in Ehrenämtern für alle Menschen möglich wird.
Es ist wichtig, dass das Ehrenamt nicht nur als Privileg von wenigen betrachtet wird, sondern als wertvolle Ressource für unsere Gesellschaft anerkannt wird. Nur so können wir sicherstellen, dass das Ehrenamt für alle Menschen zugänglich bleibt und weiterhin eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Aber warum muss es denn eigentlich ehrenamtliche Arbeit sein?
Dann arbeitet doch, was ihr wollt
Es ist tatsächlich so, dass viele Menschen das Ehrenamt auch als Möglichkeit sehen, sich selbst zu verwirklichen und sich kreativ und sinnstiftend zu betätigen. In unserer Arbeitswelt ist es jedoch oft so, dass wir uns aufgrund von finanziellen Einschränkungen oder anderen Faktoren für einen Beruf entscheiden müssen, der nicht unbedingt unseren Interessen entspricht. Oder in Themengebieten, die sich selbst nicht tragen könnten, ohne eine Gewinnerzielungsabsicht. Das Ehrenamt bietet in solchen Fällen die Möglichkeit, nebenberuflich in einem Bereich tätig zu werden, der uns persönlich wichtig ist.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte dazu beitragen, dass Menschen freier entscheiden können, welche Arbeit sie ausüben möchten, auch wenn sie keine finanziellen Einschränkungen haben. Allerdings gibt es auch Vor- und Nachteile eines bedingungslosen Grundeinkommens. Ein Vorteil wäre zum Beispiel, dass Menschen sich freier entfalten und mehr Zeit für ihre Interessen und Hobbys haben könnten. Auf der anderen Seite gibt es die Befürchtung, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen dazu führen könnte, dass Menschen weniger motiviert sind, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, und sich stattdessen auf das Grundeinkommen verlassen. Es gibt also sowohl positive als auch negative Auswirkungen, die berücksichtigt werden müssen. Letztendlich hängt es auch davon ab, wie das bedingungslose Grundeinkommen konkret umgesetzt wird und ob es geeignet ist, die Probleme zu lösen, die es angeblich lösen soll. Es ist wichtig, dass wir uns kritisch mit dem Thema auseinandersetzen und die Vor- und Nachteile abwägen, bevor wir Entscheidungen treffen. Doch das Thema kann hier nicht in aller Gänze abgebildet werden.
Wichtig ist, dass ehrenamtliche Tätigkeiten für die Durchsetzung mancher Ziele leider noch immer die Norm sind, so etwa politisches Engagement, Umweltschutz und Nachhaltigkeit oder viele kulturelle Bereiche. Manchmal – und das sollte aber nicht vergessen werden – ist es jedoch auch nur ein Hobby. Und das ist auch in Ordnung. Man muss ja nicht immer jedes Ehrenamt mit dem Anspruch machen, sein ganzes Leben danach auszurichten.
Wie sieht es bei dir aus? Hast du schon einmal ehrenamtlich gearbeitet oder würdest du es gerne einmal tun? Was sind deine Gründe dafür oder dagegen?
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Robin Thier
Gründer von seitenwaelzer, lebt in Münster und beschäftigt sich in seiner freien Zeit mit Bildbearbeitung, Webseitengestaltung, Filmdrehs oder dem Schreiben von Artikeln. Kurz: Pixelschubser.
Moritz Flottmann
Lebt als Student der Germanistik und Geographie in Münster. Ist meistens im AStA oder reisend irgendwo in der Welt zu finden – und wenn das nicht reicht wird auch noch gekocht.
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