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Köln – ein schmerzlicher Abschied

Von Liebe, Trennungsschmerz und Zukunftsplänen
| Amelie Haupt |

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

KölnThomas Wolf

Um diese Zeit vor drei Jahren habe ich mich verliebt und kann nun meine wohl längste Beziehung feiern. Okay, ich war zwischendrin mal kurz für acht Monate weg und habe die Beziehungspause in vollen Zügen genossen, aber die Liebe war trotzdem immer da. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, da ich mit dir Schluss machen werde: Köln, meine große Liebe, ich danke dir für alles!

Ich bin definitiv ein Stadtmensch, war aber leider Gottes die ersten 18 Jahre meines Lebens auf dem eintönigen Land gefangen. Dagegen ist Köln mit 1 Millionen Menschen und 86 Veedeln der absolute Vergnügungspark für jedes noch so obskure Hobby und ein Schmelztopf der Kulturen. Gut, das gilt vermutlich für die meisten Großstädte, trotzdem ist Köln immerhin die viertgrößte Stadt Deutschlands. Meiner Meinung nach darf eine Stadt auch nicht viel kleiner sein, um eine richtig städtische Erfahrung bieten zu können. Gerade zu Beginn meines Studiums freute ich mich wie Bolle darüber, endlich keine Charts-Musik mehr auf Scheunenpartys ertragen zu müssen, sondern zu den sanften Klängen von System of a Down und Rammstein headbangen zu können. Egal ob Metal, Punk, Techno, Goa oder eine andere beliebige Musikrichtung, irgendwo findet sich immer ein Club, der die Wunschmusik spielt. Dabei stellte ich auch fest, dass es jede Menge andere Menschen gibt, die kein Bock auf Mainstream haben, und fühlte mich direkt zu Hause. Überhaupt, dieses Angebot an menschlicher Diversität trieb mich zu jeder Veranstaltung, die ich Social-Networks finden konnte.

Du bist oberflächlich, dreckig und laut

Nur muss ich an dieser Stelle auch gestehen, dass diejenigen, die oberflächliche Freundschaften und flüchtige Bekanntschaften der Großstadt kritisieren, recht haben. So schnell, wie man Leute kennenlernt, so schnell verliert man sie auch wieder aus den Augen. Allerdings fürchte ich, dass ich einfach auch zu diesem Menschen gehöre, die schnell Bekanntschaft schließen, um sie genauso schnell wieder aufzulösen. Ich lerne gerne neue Menschen kennen, picke mir diejenigen heraus, die mir interessant erscheinen oder mit denen ich ein Hobby teile und wenn die Interessen auseinanderdriften, dann halte ich Ausschau nach neuer Beute. Aber ich habe durch diese Schnelllebigkeit der menschlichen Beziehungen festgestellt, wie wichtig mir die beständige Freundschaft zu den Leuten aus meiner Heimat geworden ist. Auch wenn ich mal wieder für ein paar Monate aus dem Land verschwinde, stehen wir trotzdem im ständigen Kontakt und ich werde stets mit offenen Armen empfangen. Es ist die Art von Freundschaft, die auch das Auflösen der Rollenspielgruppe übersteht. Mit anderen Worten: sie ist für die Ewigkeit. Ohnehin ist meine Heimat im Münsterland mein Zufluchtsort, wenn mir die Stadt mal wieder zu laut wird. Denn es gibt natürlich noch ein paar Großstadterkrankungen, um die man einfach nicht herumkommt: Der ständige Verkehrslärm, überfüllte Mülleimer und stinkende Betrunkene. Nach spätestens drei Monaten in Köln kriege ich dann immer den Koller und brauche Stille, Platz und Natur. Ein kurzer Besuch im Münsterland, ein bisschen Landluft und et voila: Ich sehne mich wieder nach Köln. Über diese ambivalente Liebe schrieb ich übrigens zu Beginn meines Studiums ein wahrlich schnadderhaftes Gedicht im granzigen Stil der vogonischen Dichtkunst.

Aber du bist was Besonderes

Denn was Köln so besonders macht, ist die Frohnatur der Kölner*innen. Die Leute schnacken untereinander sogar – und jetzt sollten sich die Leser*innen aus dem Münsterland gut festhalten – wenn sie sich nicht kennen. Ja, richtig gelesen: in Köln reden sogar Fremde miteinander, ganz unverbindlich und freundlich in der U-Bahn oder an der Supermarktkasse. Als ich beim letzten Heimatbesuch gut gelaunt in den Bus stieg und den Fahrer mit ein paar freundlichen Worten ansprach, erntete ich nur ein Grummeln und einen verständnislosen Blick. Wenige Minuten später, das gleiche Spiel mit dem Taxifahrer. Entschuldigung, dass ich ein bisschen Frohsinn in Ihr so offensichtlich tristes Leben bringen wollte. Kommt nicht wieder vor! Habt ihr schonmal den Ausdruck „Zum Lachen in den Keller gehen“ gehört? Ich bin mir sicher, der wurde im Münsterland geprägt.

Um das freundlich kölsche Gesicht in all seinen Facetten zu erleben, ist die U-Bahn der perfekte Ort. Weil die Parkplatzsuche in der Innenstadt ein einziger Graus ist, fahren alle Gesellschaftsschichten mit der Bahn und nicht nur Studis oder Menschen am unteren Ende der Gehaltsklassen. Die Gutmenschkultur lebt so richtig auf, wenn eine Gruppe Senioren die Bahn betritt. Mindestens zwei Personen springen auf, um den älteren Herr- und Frauschaften den Sitzplatz anzubieten. Diese lehnen natürlich vehement ab. Wird nun doch ein Platz frei, weil die Person aussteigt, wird darum gezankt, wer der Begleitung nun den Vorlass zum Sitzen gewähren darf. Ich nenne es das Sitzroulette der Höflichkeit.

Köln, es war schön mit dir

Du hast quasi alles zu bieten, was ich zum Leben brauche. Es ist nur so, dass ich mal wieder reif für ein Abenteuer bin und weil dein karibisches Meer recht mager ausfällt, muss ich leider am Flughafen von dir Abschied nehmen. Doch diesmal ist es ein endgültiger Abschied. Mein Studium ist vorbei, mein Zimmer leer und der Rucksack ist gepackt. Klar, vielleicht komme ich mal irgendwann in ferner Zukunft zurück für ein Praktikum oder einen Job, aber du solltest besser nicht auf mich warten. Erfreue dich lieber an den frischen Erstis, die nun kommen, und bereite ihnen eine ebenso unvergessliche Zeit, wie mir. Ich schick‘ dir ne Postkarte!

Alles Liebe,
Deine Amelie

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