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Menschik/Poe/Dostojewski: Unheimliche Geschichten

Schocktober, Spuktober, Horrorktober: Der Herbstmonat steht ganz im Zeichen von Halloween. Da muss ein Buch namens Unheimliche Geschichten ja die […]
| Fabian Mauruschat |

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Kipenheuer & Witsch Verlag

Schocktober, Spuktober, Horrorktober: Der Herbstmonat steht ganz im Zeichen von Halloween. Da muss ein Buch namens Unheimliche Geschichten ja die perfekte Wahl für einen gemütlich-herbstlichen Leseabend sein.

Er gilt als der Meistererzähler des Unheimlichen: Wohl kaum ein Schriftsteller passt so gut zu Halloween wie Edgar Allan Poe. Und mit der Veröffentlichung in ihrer Reihe Lieblingsbücher hat die Meisterillustratorin des Literarischen, Kat Menschik, einige seiner bekanntesten Werke mit prächtigen Bildern versehen.

Die Stories in Unheimliche Geschichten hat dann auch noch niemand anderes als Fjodor Dostojewski 1861 zusammengestellt. Dostojewski schreibt in seinem Nachwort über die gewaltige Einfühlungskraft und erstaunliche Stimmigkeit, mit der Poe die Protagonisten seiner Geschichten beschreibt. Und in der ersten Erzählung Das verräterische Herz zieht Poe sein Lesepublikum tief in die Psyche eines Mörders. Mit Entsetzen wird man Zeuge der Mordplanung, der grausigen Tat und ihrer Folgen, an denen die geistige Gesundheit des Protagonisten endgültig zerschellt. Menschik greift in ihren plakativen Bildern Schlüsselmotive wie das Auge des Mordopfers, das den Täter in den Wahn zu treiben scheint, und das immer lauter schlagende Herz auf.

Auch in der folgenden Erzählung Der schwarze Kater zieht Menschik alle Register und zeigt die Wahnbilder des mordenden Protagonisten in fast schon schreienden Farben. Der besondere Druck in grellem Orange und sattem Violett unterstreicht die gruselig-wahnhafte Atmosphäre der Geschichte. Gestalten wie aus Boschschen Höllenbildern scheinen dämonisch über die naturalistischen Szenen zu huschen. Beim Lesen der Neuübersetzung von Steffen Jacobs zeigt sich, wie sehr Poes Geschichten auch heute noch fesseln können.

Die abschließende Geschichte Der Teufel im Glockenturm sticht heraus – im Gegensatz zu den beiden vorherigen Erzählungen ist sie ein eher unbekanntes Werk von Poe. Und sie liest sich auch weniger wie eine unheimlich psychologische Erzählung, sondern mehr wie eine Parodie auf bürgerliches Leben. Schauplatz ist eine Gemeinde, deren Bevölkerung Wert auf exakt gehende Uhren und den Genuss von Kohl legt. Es stellt sich fast unwillkürlich die Frage, ob Poe mit der satirischen Erzählung konkrete Personen oder nur die bürgerlich-konservative Gesellschaftsordnung seiner Zeit karikiert hat.

Unheimliche Geschichten ist auf jeden Fall nicht nur genau die richtige Leseempfehlung zur Halloween-Zeit – auch wenn am besten noch zusätzlich Die Maske des roten Todes gelesen werden sollte – sondern auch ein fein illustriertes Schmuckstück für jede Buchsammlung. Wer Poe gerne wiederentdecken möchte, oder noch nicht kennt, sollte einen Blick hineinwagen.

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Fabian Mauruschat

ist Autor, Journalist und Dozent. Er schreibt über Games und Geschichte und findet sich auch auf fabian-mauruschat.de

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