Bildung und Karriere / Studium

Rock your Life! – Don’t call it Nachhilfe!

Da war zum Beispiel die Sache mit dem Pinguin-Spiel…ich denke, das muss ich kurz erklären: Das Pinguin-Spiel funktioniert ähnlich wie „die Reise nach Jerusalem, aber die Stühle stehen im gesamten Raum verteilt und ein Spieler muss versuchen, den einzigen leeren Stuhl zu ergattern, während die anderen durch ständiges Wechseln der Stühle versuchen, genau das zu verhindern. Es war das erste Seminar von „Rock Your Life“ und wir spielten dieses Spiel mit etwa 40 Leuten zusammen in einem Raum im Franz-Hitze-Haus. Es war laut, es war chaotisch, kurz: Wir hatten jede Menge Spaß. Zumindest bis zu dem Moment, in dem plötzlich ein älterer, gut gekleideter Mann im Raum stand uns fragte, ob man nicht etwas leiser spielen könnte.
| Charlotte Post |

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Moussa Hakal

Da war zum Beispiel die Sache mit dem Pinguin-Spiel… ich denke, das muss ich kurz erklären: Das Pinguin-Spiel funktioniert ähnlich wie die „Reise nach Jerusalem“, aber die Stühle stehen im gesamten Raum verteilt und ein Spieler muss versuchen, den einzigen leeren Stuhl zu ergattern, während die anderen durch ständiges Wechseln der Stühle versuchen, genau das zu verhindern. Es war das erste Seminar von „Rock Your Life“ und wir spielten dieses Spiel mit etwa 40 Leuten zusammen in einem Raum im Franz-Hitze-Haus. Es war laut, es war chaotisch, kurz: Wir hatten jede Menge Spaß. Zumindest bis zu dem Moment, in dem plötzlich ein älterer, gut gekleideter Mann im Raum stand und uns bat, ob man nicht etwas leiser spielen könnte.

Auf die Frage, was denn so störend sei, antwortete er: „Alles!“ Wir lächelten also dieses höfliche Lächeln, bei dem zwar die Mundwinkel aber nicht die Augen mitarbeiten, und versprachen ihm ruhiger zu sein. Als jedoch etwa zwei Minuten nach Abgang des älteren Herren einer der Spieler beim Laufen auf dem Boden ausrutschte und dabei einen Stuhl mit sich zog, mussten wir alle derartig laut lachen, dass wir beschlossen, das Spiel vorzeitig abzubrechen. Seit diesem ersten Seminar sind schon einige Monate vergangen. Doch jedes Mal, wenn mich jemand fragt, was „Rock Your Life“ eigentlich ist, muss ich zuerst an dieses denkwürdige erste Pinguin-Spiel zurückdenken.

Genau die gerade beschriebene Szene zeigt nämlich einen Umstand, den ich bis vor einem Jahr noch fast für undenkbar hielt: Hauptschüler (teilweise mit Migrationshintergrund) und Studenten arbeiten, lachen und interagieren miteinander, um der immer weiter fortschreitenden Bildungsungerechtigkeit in Deutschland entgegenzuwirken. Und genau diesen Zweck verfolgt auch der Verein: „Rock Your Life“, der es sich seit 2008 zur Aufgabe gemacht hat, Brücken zwischen Studenten, Schülern und Unternehmen zu bauen und somit die Schüler bei ihrer Suche nach Praktika oder Ausbildungsplätzen zu unterstützen. Hierfür bilden jeweils ein Student und ein Hauptschüler für zwei Jahre (9. und 10. Klasse) eine Mentoring-Beziehung, in welcher der Schüler durch den Studenten individuell unterstützt wird.

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Es geht um das Knüpfen von Verbindungen (Foto: Moussa Hakal)

Versuche ich Freunden oder meiner Familie das Konzept von „Rock Your Life“ zu erklären, werde ich an dieser Stelle schnell mit dem Ausruf: „Ach, du gibst Nachhilfe!“ unterbrochen. Hierzu sei gesagt: Gäbe ich Nachhilfe, würde ich es auch so nennen. Ein anderer Student hat das Konzept einmal mit dem Begriff: „Lebensnachhilfe“ umschrieben und ich finde, das passt sehr gut: Die Unterstützung für die Schüler gestaltet sich sehr unterschiedlich. Ja, manchmal gibt man Nachhilfe. Aber ich kenne auch Mentoren, die zusammen mit ihren Mentees regelmäßig Kaffee trinken gehen, um mit ihnen über ihre Probleme und Erfolge zu sprechen. Manchmal kommt man als moralischer Verstärker mit zu Vorstellungsgesprächen oder zu anderen wichtigen Veranstaltungen. Ich habe auch einen Fall miterlebt, in dem der Mentor seinen Schüler zu einem Termin mit einem Anwalt begleitet hat, bei dem es unter anderem um die Frage ging, ob die Eltern des Mentee Asyl bekommen. Vom ersten Liebeskummer bis zu wirklichen Krisen ist also alles dabei. Wichtig ist nur, dass die Studenten Ansprechpartner in allen kleineren oder größeren Lebenskrisen sein können. Manchmal sind diese leicht zu lösen: Zusammen mit seinem Mentee Unterlagen für ein Praktikum abzugeben ist vielleicht manchmal ein bisschen zeitaufwendig, jedoch sonst nicht weiter problematisch. Der gerade beschriebene Termin bei einem Anwalt belastet da schon mehr. Umso schöner ist es natürlich auch für die Studenten zu sehen, wenn eine Beziehung wirklich funktioniert: Sei es, dass der Schüler den Mut aufbringt, die Praktikumsunterlagen beim dritten Mal ganz alleine abzugeben oder dass die Eltern des Schülers am Ende wirklich Asyl bekommen.

Ich selbst bin mit meiner Mentoring-Beziehung noch lange nicht am Ende und ich denke, es werden noch viele große und kleine Erfolgserlebnisse kommen. Denn eines steht fest: Ein bisschen zu laut beim Pinguin-Spiel ist immer noch besser, als garnichts gegen die immer weiter steigende Bildungsungerechtigkeit in unserem Land zu unternehmen!

Weitere Informationen zu „Rock Your Life“ und dazu, wie man Mentor werden kann, gibt es hier.

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Ein nettes Team und viele helfende Hände (Foto: Moussa Hakal)

 

 

Die Fotos wurden uns freundlicherweise von „Rock Your Life“ zur Verfügung gestellt.

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